von Isabelle Christiani
(für das Provenienzforschungs-Projekt, mehr dazu hier und hier).
Bei meiner Recherche zu den 28 Handzeichnungen in der Lippischen Landesbibliothek Detmold habe ich lange Zeit nach Informationen zur Person Dr. Hans Karl Krüger gesucht, der als Kunsthändler bei den mir bekannten Personen rund um die Handzeichnungen hervorstach.
Dr. Krüger wird in den Lebenserinnerungen bzw. Tagebucheinträgen von Dr. Alfred Bergmann, dem kommissarischen Bibliotheksleiter nach Ende des zweiten Weltkriegs, in Zusammenhang mit den Handzeichnungen genannt. Lange Zeit konnte ich ihn nicht zuordnen und habe mich gefragt, was er in Detmold-Hiddesen im letzten Kriegsjahr in der Pension „Haus Sauerländer“ gemacht hat. Ein Archivfund im Landesarchiv NRW in Detmold brachte Licht in die Sache. Es stellte sich heraus, dass Krüger 1947 wegen Steuerhinterziehung, Hehlerei und Schwarzmarkthandel angeklagt gewesen war!
Durch die Untersuchungsakten zur Sache (Landesarchiv NRW OWL, D 21 B Nr. 2428-2430) konnte ich Krüger sowohl persönlich als auch beruflich besser fassen. Dr. Hans Krüger wurde am 19. November 1913 in Dortmund geboren. Er absolvierte sein Studium in Heidelberg und Bonn. Dort studierte er Kunstgeschichte und Philosophie. Seit 1939 arbeitete Krüger beim Antiquariat H. Bouvier & Co. in Bonn, bei dem er bereits zuvor Kunde gewesen war. Er wurde zunächst als Lehrling angestellt, um ab 1940 als Antiquar die Firma und ihren Geschäftsführer und Mitteilhaber der Firma Bouvier Herbert Grundmann zu unterstützen. Als dieser 1941 zum Kriegsdienst eingezogen wurde, vertrat Krüger Grundmann im Antiquariat Bouvier. Im Jahr 1944, nachdem das Antiquariat am Kaiserplatz 3 und wohl auch die Wohnung in der Kaiserstraße 23, die Hans Krüger mit seiner Frau Herta bewohnte, von einer Bombe getroffen worden waren, zog Hans Krüger mit seiner Familie und den Resten des Antiquariats nach Detmold-Hiddesen ins „Haus Sauerländer“ und eröffnete ein Ausweichgeschäft. Krüger bezog mit dem Antiquariat das Nebenhaus der Pension Sauerländer. Die Räume des Geschäftes lagen im Parterre. Die Familie bewohnte die Räume im ersten Obergeschoss des Nebengebäudes.
Der Kunsthändler Dr. Hans Krüger konnte auf ein großes Netzwerk von Kunstsammlern und Kunsthändlern zurückgreifen. Zu seinen Angestellten gehörten 1947 unter anderem Heinrich Vossiek als Antiquar als auch Dr. Gert Adriani als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die beiden waren keine unbeschriebenen Blätter. Heinrich Vossiek arbeitete während des Krieges für die deutschen Besatzer als Liquidator von Buchhandlungen und Antiquariaten in den Niederlanden. Dr. Adriani war Kunsthistoriker und war zusammen mit der Dienststelle Mühlmann am Kunstraub in den Niederlanden und besetztem Frankreich beteiligt. Nach dem Krieg lehrte er bis 1948 in Detmold bis er nach Düsseldorf ging, um dort Kustos des Kunstmuseums zu werden.
Krüger war in ganz Deutschland vernetzt, insbesondere in und um Detmold, im Rheinland und in Bayern. Einige Namen die im Fahndungsbericht vorkommen sind: Prof. Dr. Erich von Rath aus Bonn, Carl Holzschuh von der Lengfeld’schen Buchhandlung aus Köln, Henry Feist aus Bochum. Karl von der Porten aus Hannover, Karl Seuffer, Helmuth Domizlaff und einen Herrn Vettel aus München sowie Karl Hiersemann und C. G. Boerner aus Leipzig. Außerdem stand Krüger in Detmold in Kontakt mit dem Landeskonservator und Oberbaurat Karl Vollpracht, mit Alfred Bergmann sowie in Bielefeld mit dem Kunstsalon Otto Fischer.
Obwohl ich den Kunsthändler Krüger nun zuordnen kann und um seine Tätigkeit für das Antiquariat Bouvier & Co. weiß, ist immer noch nicht geklärt, wie die Zeichnungen in die Lippische Landesbibliothek gelangt sind. Krüger scheint zwar mit der Begutachtung der Zeichnungen betraut gewesen zu sein, stellt aber nur Vermutungen an, woher sie stammen könnten. Laut seiner Aussage in Bergmanns Tagebucheinträgen sollen sie „[…] [angeblich] von der SS aus zerstörten französischen Wohnungen herausgeholt worden […]“ sein. Außerdem erinnert sich Bergmann in seinen Aufzeichnungen daran, dass Krüger die Blätter damals auf ca. 15.000 RM geschätzt und sie eher als Durchschnitt kategorisiert hat. Nach Krügers Meinung könnten sie aus der „[…] Pariser Sammlung Rothschild stammen, von der ihm bekannt war, daß sie von Deutschen geplündert worden war.“
Leider haben Forschungen in diese Richtung bisher noch keine Erkenntnisse gebracht. Vielleicht ändert sich das demnächst, wenn ich in französischen Archiven weiter grabe!
Gefördert von: