Schiller in Detmold

Eine Ausstellung der Lippischen Landesbibliothek zum 200. Todestag des Klassikers

vom 9. Mai bis zum 30. September 2005

Schiller in Detmold? Nein, der am 9. Mai 1805 in Weimar gestorbene Dichter ist nie hier gewesen im lippischen Kleinstaat des Fürsten Leopold I., in dem die Musen kein rechtes Zuhause hatten. Aber in der Lippischen Landesbibliothek ist eine überraschende Fülle von Materialien überliefert, die es wert ist, in einer Ausstellung zum 200. Todestag des Klassikers der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

Auf dieser Website bieten wir Ihnen die vollständigen Ausstellungstexte und eine Auswahl von Exponaten im Bild.

Führungen durch die Ausstellung können über das Sekretariat der Bibliothek verabredet werden und werden für eine angemessene Spende an die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Lippischen Landesbibliothek e.V. gern durchgeführt.

Einführung

Schiller in Detmold? Nein, der am 9. Mai 1805 in Weimar gestorbene Dichter ist nie hier gewesen im lippischen Kleinstaat des Fürsten Leopold I., in dem die Musen kein rechtes Zuhause hatten. Aber in der Lippischen Landesbibliothek ist eine überraschende Fülle von Materialien überliefert, die es wert ist, in einer Ausstellung zum 200. Todestag des Klassikers der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

Die Lippische Landesbibliothek besitzt Originale, die es anderswo nicht gibt und die in der Ausstellung gezeigt werden. Bücher, Musikalien, Handschriften, Rollenhefte, graphische Blätter und Plakate illustrieren Leben und Werk des Dichters und seine frühe Rezeptionsgeschichte. 143 Stücke sind insgesamt zu sehen.

Aus dem Besitz der Fürstin Pauline etwa stammen zahlreiche Erstausgaben von Schillers Dramen: die Fürstin hat 1787 noch in Ballenstedt Schillers Don Carlos gelesen, aber auch seine Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs, die 1791-1793 im Calender für Damen gedruckt wurde. In Detmold zählten zur Jahrhundertwende seine Dramen Wallenstein, Maria Stuart, Die Jungfrau von Orleans und Die Braut von Messina zu ihrer Lektüre.

Unautorisierte Nachdrucke von Schillers Theaterstücken, etwa seiner frühen Dramen Die Räuber und Die Verschwörung des Fiesko zu Genua, an denen die Verleger verdienten, ohne dass Schiller daraus Einnahmen erzielt hätte, finden sich ebenso im Bestand der Lippischen Landesbibliothek wie die historischen Schriften aus seiner Zeit als Jenaer Geschichtsprofessor in den Jahren 1789-1793.

Die von Schiller herausgegebenen Zeitschriften, mit denen er lange Jahre seinen Lebensunterhalt zu bestreiten versuchte – die Thalia, die Horen und der Musenalmanach – sind im Original vorhanden. Auch diejenigen Zeitschriften, in denen seine Gedichte, Romane, Dramen, philosophischen und historischen Schriften zu ihrer Zeit besprochen wurden, stehen in den Bibliotheksregalen – denn ohne die Jenaer Allgemeine Literatur-Zeitung, das wichtigste Rezensionsorgan seiner Zeit, kam auch die Detmolder Regierungsbibliothek nicht aus.

Graphische Blätter veranschaulichen in der Ausstellung Personen und Orte aus Schillers Wirkungskreis und Szenen aus seinen Werken. Für die Qualität der Bilder bürgen so namhafte Künstler wie Daniel Chodowiecki, Anton Graff, Johann Christian Reinhart, Wilhelm Kaulbach, Carl von Piloty, Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Pecht und andere.

Handschriftliches und gedrucktes Notenmaterial zu Gedichtvertonungen ist oft überhaupt nur in Detmold überliefert; von besonderem Interesse sind hier die Schiller-Vertonungen des ab 1826 in Detmold tätigen Komponisten Albert Lortzing. Schillers berühmte Ode An die Freude hat Lortzing 1840 für vierstimmigen gemischten Chor und Orchester vertont; die bis heute ungedruckte Komposition ist in Lortzings eigenhändiger, mit zahlreichen Korrekturen versehener Handschrift im Besitz der Landesbibliothek. Veranstaltungsbesprechungen zufolge wurde das Lied bei der Uraufführung in Leipzig vom ganzen Publikum mitgesungen. Ungleich berühmter ist Beethovens Vertonung der Ode als Schlusschor in der Neunten Sinfonie, hier können wir in der Ausstellung die seltene Erstausgabe der Partitur von 1826 zeigen, die aus dem Notenbestand der Fürstlichen Hofkapelle stammt.

Reichhaltig überliefert ist das Schiller-Repertoire des Detmolder Hoftheaters aus dem 19. Jahrhundert. Dazu gehören die Rollenhefte zu Schillers Dramen, die die Detmolder Schauspieler über Jahrzehnte hinweg immer wieder zum Einstudieren ihrer Schiller-Rollen benutzt haben. Oder das Notenmaterial zu den Schauspielmusiken, die bei Schiller-Aufführungen in Detmold zu Gehör gebracht wurden und einen Theaterbesuch attraktiver machen sollten: die Ouvertüren zu Don Carlos und Die Braut von Messina von Ferdinand Ries sind ebenso in Erstausgaben vorhanden wie die Ouvertüren zu Die Jungfrau von Orleans von Robert Schumann und Ignaz Moscheles. Schillers Wilhelm Tell wurde von Gioacchino Rossini als Oper vertont, auch hier verfügen wir über den seltenen Erstdruck und das gesamte Notenmaterial der Detmolder Erstaufführung von 1837. Besonderes Interesse verdienen auch die Theaterzettel der Schiller-Inszenierungen, die der Inspizient in der Residenz plakatierte und die bekannt gaben, wann und in welcher Besetzung ein Theaterstück Schillers in Detmold gespielt wurde.

In großer Menge könnte die Lippische Landesbibliothek diejenigen Bücher zeigen, die Schiller selbst gelesen hat und die für seine zumeist auf historische Stoffe gegründeten Theaterstücke als Quelle gedient haben, aber hier beschränkt sich die Ausstellung auf eine kleine Auswahl. Gezeigt werden Werke zur Geschichte Großbritanniens und zur Geschichte der Schweiz, die Schiller für seine Dramen Maria Stuart und Wilhelm Tell genutzt hat. Gezeigt werden aber auch die philosophischen Schriften Immanuel Kants, die für Schillers kunsttheoretische Schriften eine ungemein wichtige Rolle gespielt haben.

Natürlich kann Schiller in Detmold nicht ohne Christian Dietrich Grabbe auskommen. Auch das ist in der Ausstellung zu sehen. Grabbe hat als Vierzehnjähriger am 12. Juli 1816 bei der Meyerschen Hofbuchhandlung Schillers Geisterseher in der wohlfeilen Original-Ausgabe bestellt. Er hat 1819 als Schüler des Detmolder Gymnasiums aus Schillers Lied von der Glocke vortragen müssen. Er hat am 21. September 1825 Schillers Geschichte des dreyßigjährigen Krieges aus der Landesbibliothek entliehen, in den Jahren 1827-1832 auch mehrfach Einzelbände der Schiller-Werkausgabe mit Schillers poetischen Werken – die Ausleihjournale unseres Hauses geben darüber ganz genau Auskunft. Er hat im Sommer 1830 in seiner Wohnung am heutigen Marktplatz eine ätzende Kritik des von Goethe in sechs Bänden herausgegebenen Briefwechsels zwischen Schiller und Goethe niedergeschrieben. Und er hat 1835/36 als Theaterkritiker in Düsseldorf eine Aufführung von Wallensteins Tod ausgesprochen wohlwollend, eine Aufführung von Maria Stuart aber durchaus negativ besprochen. Offenkundig mochte er das Drama nicht: es sei ein Werk, „welches Schiller in den matteren Momenten seiner sonst so hinreißenden Begeisterung geschrieben hat“, schreibt er, und die Hauptdarstellerinnen „konnten nicht dazu, dass sie aus ihren Rollen, die mehr Rhetorik als von Dramatik enthalten, nicht mehr machten, als was dieselben sind.“ Die Kritik ist nur in einer Detmolder Handschrift erhalten.

Da heute eine allgemeine Kenntnis Schillers und seiner Werke nicht mehr vorausgesetzt werden kann, sind die Ausstellungsstücke in einen informativen Überblick dazu eingeordnet. Dabei ist es nicht das Ziel der Ausstellung, ein bestimmte Sicht auf den in den letzten 200 Jahren für ideelle Zwecke aller Art instrumentalisierten Dichter zu vermitteln oder ihn für unsere Zeit zu aktualisieren. Die Lippische Landesbibliothek möchte auf den so oft unverstandenen und missverstandenen und heute vielen nur noch als Sprüchelieferant bekannten Klassiker aufmerksam und mit der reichhaltigen Überlieferung aus ihrem Besitz bekannt machen.