10. Romantische Tragödie : Die Jungfrau von Orleans (1801)

Unmittelbar nach Abschluss der Maria Stuart im Sommer 1800 begann Schiller mit der Arbeit an Die Jungfrau von Orleans. „Ich fange nun endlich an, mich des dramatischen Organs zu bemächtigen und mein Handwerk zu verstehen“, rühmte er sich und schrieb an Körner, er hoffe „das Versäumte hereinzubringen, und, wenn ich das fünfzigste Jahr erreichen kann, noch unter den fruchtbaren Theaterschriftstellern einen Platz zu verdienen.“ Die historische Überlieferung zu Jeanne d’Arc hat Schiller zwar genutzt, aber äußerst frei gehandhabt, auch manches verfälscht und hinzuerfunden; vom historischen Drama hat er sich über Maria Stuart zu Die Jungfrau von Orleans weit entfernt. Für die eigentliche Ausarbeitung benötigte er nur neun Monate, im April 1801 war das Drama beendet. Es konnte allerdings nicht in Weimar uraufgeführt werden, weil Herzog Carl August fürchtete, dass seine Maitresse Caroline Jagemann, die Diva des Weimarer Hoftheaters, in der Rolle der „tragischen Jungfrau“ eine lächerliche Figur machen würde.

110
Kalender auf das Jahr 1802
Die Jungfrau von Orleans
Eine romantische Tragödie von Schiller

Berlin: Unger, [1801]. – Erstausgabe

Die Vignette zeigt einen Kopf der Göttin Athena nach einer antiken Gemme aus Goethes Sammlung, gezeichnet von Johann Heinrich Meyer, gestochen von Johann Friedrich Bolt.

FP 434, aus dem Besitz der Fürstin Pauline

111
Oeuvres Completes de M. de Voltaire
Bd. 13. – Zweibrücken: Sanson, 1791

In Zweibrücken produzierte die Druckerei Sanson & Cie. hauptsächlich für den französischen Buchmarkt. Sie verlegte sehr aufwändige Ausgaben von Aufklärern wie Rousseau und Buffon, und ab 1789 auch eine hundertbändige Werkausgabe von Voltaire, in deren Band 13 das Lustspiel La Pucelle d’Orléans abgedruckt ist.

F 874

112
Das Mädgen von Orleans travestirt von Ritter Fas
Frankfurt, Leipzig [richtig: Prag], 1794

Voltaires populäre Bearbeitung aus dem Jahr 1762 stellt Jeanne d’Arc aus aufgeklärt-rationalistischer Sicht als verblendetes Bauernmädchen dar. Den derben Charakter der Satire lässt auch die Titelbezeichnung dieser anonym erschienenen deutschen Übersetzung erkennen. Das Publikum kannte dieses Poem gut und erwartete von Schiller sicherlich eine ähnliche Interpretation. Schiller jedoch „rehabilitierte“ die literarische Jeanne d’Arc und poetisierte sie ins „Erhabene“.

F 881d, aus dem Besitz des Detmolder Landgerichtsrats Bröffel, 1905

113
Die Jungfrau von Orleans, eine romantische Tragödie von Schiller
Neue verbesserte Auflage
Tübingen: Cotta, 1805

D 1343a, aus dem Vorbesitz Rost

114
Theater von Schiller
Bd. 1. – Tübingen: Cotta, 1805

In den Jahren 1805 bis 1807 druckte Cotta unter dem Titel Theater von Schiller eine fünfbändige Ausgabe von Schillers Dramen. Die Jungfrau von Orleans erschien im ersten Band mit einem Portraitstich der Johanna von Ludwig Friedrich Autenrieth nach einer Zeichnung des Weimarer Malers Ferdinand Jagemann von 1803.

Das Theater von Schiller war Schillers letztes großes Verlagsprojekt, das er im Hinblick auf Typographie und Ausstattung sehr wichtig nahm. Es sicherte seiner Familie nach seinem Tod über viele Jahre ein regelmäßiges Einkommen aus Cottas Honorarzahlungen.

A 759.1.2

115
Statue der Jungfrau in Orleans
Stahlstich
Aus: Schiller-Feier. Eine Sammlung von Portraits und Ansichten zu Schillers Leben und Werken. 2. Auflage. Leipzig: Baumgärtner, 1859

Lg 20.2°

116
Die Jungfrau von Orleans
14 handschriftliche Rollenhefte des Detmolder Hoftheaters

Diese Rollenhefte dienten zur Einstudierung der Jungfrau von Orleans auf dem Detmolder Hoftheater. Es fehlen die Hefte zu 12 Nebenrollen.

T 598

117
Die Jungfrau von Orleans. Vorstellung in Detmold am 19. März 1854
Theaterzettel des Fürstlichen Theaters in Detmold

Tz 123

118
Die Jungfrau von Orleans. Vorstellung in Detmold am 22. März 1857
Theaterzettel des Fürstlichen Theaters in Detmold

Tz 149

119
Ouverture à Grand Orchestre de Jeanne d’Arc, Tragédie de Schiller, composée … par I[gnaz] Moscheles, op. 91
Orchesterstimmen
London: Cramer, Leipzig: Kistner, Paris: Schlesinger, [1835/36]

Der böhmische Pianist und Komponist Ignaz Moscheles (1794-1870) schrieb hauptsächlich Klaviermusik, seine Instrumentalmusik, so auch diese 1835 komponierte Ouvertüre, fand wenig Beachtung.

Mus-n 734, aus dem Bestand der Fürstlichen Hofkapelle

11. Antikes Drama: Die Braut von Messina (1803)

Abgelenkt von der literarischen Arbeit wurde Schiller durch seine Verpflichtungen am Weimarer Hoftheater, für das er in den Jahren 1799-1805 zahlreiche Bühnenstücke bearbeitete und inszenierte, darunter Shakespeares Macbeth, Racines Phaidra, Lessings Nathan der Weise und Goethes Iphigenie. Andererseits war er mit der erklärten Absicht nach Weimar umgezogen, sich durch die „sinnliche Gegenwart des Theaters“ in seinem dramatischen Schaffen fördern zu lassen. Die bühnenpraktische Arbeit wirkte auch auf seine eigenen Stücke zurück. In Zusammenarbeit mit Goethe gelang es, aus dem Weimarer Theater eine der bedeutendsten deutschsprachigen Bühnen ihrer Zeit zu machen.

Hier uraufgeführt wurde auch sein Trauerspiel Die Braut von Messina, das er im Februar 1803 fertig stellte. Das Drama experimentiert damit, die griechische Tragödie mit einem fiktiven mittelalterlichen Stoff und in neuzeitlichem Gewand wiederzubeleben: so erklärt sie das Schicksal des Menschen als von den Göttern vorherbestimmt und lässt sich diese Bestimmung im Orakel offenbaren. Ein antikes Stilelement ist auch der Chor, den Schiller als bewusstseinsspiegelndes Medium der Reflexion und als distanzierendes Moment der Handlung in seinem Stück mitwirken lässt.

120
Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder
ein Trauerspiel mit Chören von Schiller
Tübingen: Cotta, 1803. – Erstausgabe

FP 522, aus dem Besitz der Fürstin Pauline

121
The Bride of Messina or the hostile Brothers
A tragedy with Chorusses by F. Schiller
München: Franz, 1839

Zweisprachige Ausgabe. Der Übersetzer ist nicht genannt. Übersetzungen des Klassikers in andere Sprachen sind in der Lippischen Landesbibliothek sonst kaum vorhanden.

1 an: H 13266, aus dem Besitz des Bibliotheksdirektors Otto Preuß

122
Die Braut von Messina. Schluss Scene
Stahlstich von Eduard Gerhardt nach einer Zeichnung von Wilhelm Kaulbach
Aus: Stahlstiche zu Schiller’s Werken in Einem Bande nach Zeichnungen von W. Kaulbach. Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1840. Bl. 9

Vor dem Sarg seines Bruders Manuel, den er selbst getötet hat, erdolcht sich Don Cesar, von tiefer Reue über den Brudermord getrieben. Die Schwester Beatrice wirft sich in die Arme der Mutter Isabella.

SW 133e.4°

123
Die Braut von Messina
10 handschriftliche Rollenhefte des Detmolder Hoftheaters

Diese Rollenhefte dienten 1838 und 1843 zur Einstudierung der Braut von Messina auf dem Detmolder Hoftheater.

T 596

124
Neapolitani Regni Tabula
Aus: Atlas Portatilis Oder Compendieuse Vorstellung der ganzen Welt in einer kleinen Cosmographie … 3., verbesserte Auflage. – Nürnberg 1745

Dieser Taschenatlas von Johann Gottfried Gregorii zu Unterrichts­zwecken herausgegeben, enthält 31 handkolorierte Landkarten, darunter auch eine Karte des Königreiches Neapel mit Sizilien.

K 98

125
Das Neue Schauspielhaus
Kolorierter Kupferstich von Hans Fincke nach einer Zeichnung von Heinrich Hinze

Im Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt besuchte Schiller im Frühjahr 1804 Aufführungen seiner Dramen Die Braut von Messina, Die Jungfrau von Orleans und Wallensteins Tod, bei denen er vom Publikum enthusiastisch gefeiert wurde.

GA B 31

126
Ouverture für das große Orchester zu dem Trauerspiel von Schiller: Die Braut von Messina,
komponirt für das Niederrheinische Musikfest in Düsseldorf im Jahre 1830 … von Ferd[inand] Ries, op. 162
Orchesterstimmen
Bonn: Simrock, [1831]. – Plattennr. 2908. – Erstausgabe

Der Pianist und Komponist Ferdinand Ries (1784-1838), Schüler Beethovens, komponierte diese Ouvertüre zur Eröffnung des Niederrheinischen Musikfests in Düsseldorf 1830. In der sehr pathetischen Musik von zehn Minuten Dauer sind zahlreiche stilistische Annäherungen an Beethovens Neunte Sinfonie festzustellen, die Ries einige Jahre zuvor in Düsseldorf erstaufgeführt hatte. Ries komponierte außerdem eine Ouvertüre zu Schillers Don Carlos.

Das Notenmaterial aus dem Bestand der Fürstlichen Hofkapelle umfasst außer dem gedruckten Stimmenmaterial auch handschriftliche Abschriften einzelner Instrumentalstimmen.

Mus-n 827, aus dem Bestand der Fürstlichen Hofkapelle

127
Ouverture zu Schillers Braut von Messina für großes Orchester von Robert Schumann, op. 100
Orchesterstimmen
Leipzig: Peters, [1851]. – Plattennr. 3436. – Erstausgabe

Robert Schumann (1810-1856) war seit 1850 Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf. Dort komponierte er 1850/51 auch diese Konzertouvertüre. Das Notenmaterial aus dem Bestand der Fürstlichen Hofkapelle umfasst außer dem gedruckten Stimmenmaterial auch handschriftliche Abschriften einzelner Instrumentalstimmen.

Mus-n 905, aus dem Bestand der Fürstlichen Hofkapelle

128
De l’Allemagne
Par Mme la Baronne de Staël Holstein
3 Bände. – Paris: Nicolle, 1810
Nachdruck London: Murray, 1813

Die französische Schriftstellerin Germaine de Staël (1766-1817), eine führende Persönlichkeit des Pariser Geisteslebens, wurde 1803 von Napoleon gezwungen, Paris zu verlassen. Sie reiste daraufhin in Deutschland, war von Dezember 1803 bis Februar 1804 in Weimar und traf dort auch die Klassiker Schiller und Goethe. Beide kamen allerdings nur schlecht mit der erdrückenden Präsenz ihrer berühmten, hochgebildeten und im Auftreten brillanten Besucherin zurecht. Mit De l’Allemagne begründete Madame de Staël das Bild von Deutschland als des Landes der Dichter und Denker, das sie ihren Landsleuten vorbildhaft vor Augen stellte. Das zuerst 1810 in Paris erschienene Buch wurde von Napoleon verboten und konnte erst 1813 in London gedruckt werden.

F 65.1813

129
Deutschland
Von Anne Germaine Baronin von Staël Holstein
Aus dem Französischen übersetzt
3 Bände. – Berlin: Hitzig, 1814

Schiller erscheint in De l’Allemagne als mustergültiger Repräsentant des deutschen Nationalcharakters – „ein Mann von seltenem Genie und vollkommener Gewissenhaftigkeit“, die lebendige Verkörperung der Einheit von Werk und Persönlichkeit. Damit prägte die Französin, deren Buch europaweit verbreitet wurde, ein ausgesprochen positives Schiller-Bild im europäischen Ausland.

F 65.1814b

130
De l’Allemagne
Par Mme la Baronne de Staël-Holstein

  1. Auflage. – 3 Bände. – Paris: Nicolle, 1818

Mit Portraitkupfer der Verfasserin von Claude Marie François Dien nach einem Gemälde von François Gérard

F 65.1818

12. Bürgerliches Volksstück: Wilhelm Tell (1804)

Schillers letztes Drama Wilhelm Tell, von ihm selbst als „Volksstück“ bezeichnet, zeigt den Freiheitskampf eines unterdrückten Volkes. Die Anregung dazu geht auf Goethe zurück, der ihm mit ausführlichen Schilderungen von seinen Schweizer Reisen auch bei der Ausarbeitung behilflich war. Im Sommer 1803 begann Schiller mit der Niederschrift. Er umgab sich in seinem Arbeitszimmer mit Helvetica aller Art, studierte geographische und historische Beschreibungen der Schweiz und heftete Karten an die Wände, um sich bis ins Detail mit den Schauplätzen der dramatischen Handlung vertraut zu machen. Das Stück war im Februar 1804 fertig und wurde im März am Weimarer Hoftheater uraufgeführt.

Gleich darauf begab sich Schiller mit der ganzen Familie für drei Wochen nach Berlin. Ein Umzug dorthin war bereits vorbereitet. Im Schauspielhaus wurden seine Stücke gegeben und ihr Autor wurde stürmisch gefeiert. Familie Schiller, im November 1802 nobilitiert, verkehrte am Berliner Königshof. Schiller wurde ein Jahresgehalt von 3000 Reichstalern geboten – in Weimar erhielt er von Herzog Carl August nur 400 Taler. Nach seiner Rückkehr dorthin im Mai 1804 unterrichtete er den Herzog von seinen Plänen; der Herzog verdoppelte sein Gehalt, und Schiller entschied sich, in Weimar zu bleiben. In der Folgezeit wurde sein körperlicher Verfall immer bedrohlicher. Als er sich im Frühjahr 1805 von einem Katarrh langsam erholte, fasste er neue literarische Pläne. Doch am 1. Mai 1805 brach er in seiner Theaterloge zusammen und erhob sich danach nicht mehr vom Krankenbett. Er starb am 8. Mai 1805 um 17:45 Uhr in seinem Weimarer Haus.

131
Friedrichs von Schiller sämmtliche Werke
Bd. 11. – Tübingen: Cotta, 1815

Die erste Werkausgabe Schillers edierte der Freund Christian Gottfried Körner von 1812 bis 1815 im Cotta-Verlag. Die älteste Tell-Ausgabe der Lippischen Landesbibliothek ist der Band 11 dieser Werkausgabe.

D 1340z, aus dem Nachlass von Elise Kestner 1904

132
Novissima Foederatorum Helvetiorum Tabula
Aus: Atlas Portatilis Oder Compendieuse Vorstellung der ganzen Welt in einer kleinen Cosmographie … 3., verbesserte Auflage. – Nürnberg 1745

Die handkolorierte Landkarte der Schweiz ist folgendermaßen kom­mentiert: „Das Land ist voller Seen, Berge, und hat daher nicht durch­gehends guten Acker-Bau, aber gute Vieh-Zucht. Die Schweitzer sind starck vom Leibe, beherzt im Kriege, unverdrossen zur Arbeit.“

K 98

133
Aegidii Tschudii … Chronicon Helveticum
… Nunmehro zum Ersten mahl aus dem Originali herausgegeben … von Johann Rudolff Iselin
Bd. 1. – Basel: Bischoff, 1734

Das zweibändige Werk, dessen erster Band auch die Tell-Sage beschreibt, entlieh Schiller als seine wichtigste Quelle im März 1802 aus der Weimarer Hofbibliothek. Er bescheinigte ihm, dass es „einen so treuherzigen, herodotischen, ja fast homerischen Geist“ habe, dass es „einen ganz poetisch zu stimmen im Stand“ sei.

G 372.2°

134
Johann Jacob Scheuchzers … Natur-Geschichte des Schweitzerlandes,
Samt seinen Reisen über die Schweitzerische Gebürge. Aufs neue herausgegeben, und mit einigen Anmerckungen versehen von Joh[ann] Georg Sulzern

2 Bände. – Zürich: Geßner, 1746

Quelle Schillers für geographische Aspekte seines Wilhelm Tell

K 553

135
Schilderung der Gebirgsvölker der Schweitz
Von Johann Gottfried Ebel
2 Bände. – Leipzig: Wolf, 1798-1802

In der Phase der eigentlichen Niederschrift des Wilhelm Tell im Herbst 1803 hat Schiller vermutlich auch diese neuere Studie konsultiert. Die Kupferstiche von Johann Heinrich Lips zeigen Szenen aus der Tell-Sage: das Frontispiz zum ersten Band den Rütlischwur, das Frontispiz zum zweiten Band Tells Rettung bei der stürmischen Bootsfahrt auf dem Vierwaldstätter See.

K 555, Vorbesitz: M. Wehner

136
Allgemeine Geschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit.

  • Des siebzehnten Bandes erste Abtheilung, welche die Geschichte der schweizerischen Eydgenossenschaft von dem Anbau des Landes an enthält … von Johannes Müller
    Leipzig: Weidmann, 1786

Johannes Müllers Werk über die Geschichte der Schweiz erschien in fünf Bänden zwischen 1786 und 1808. Schiller entlieh die ersten beiden Bände im Dezember 1801 aus der Weimarer Hofbibliothek. Im Februar 1804 besuchte der Verfasser Weimar und traf dort auch mit Schiller zusammen.

G 1397

137
Wilhelm Tell
Dem Herrn Johann Caspar Lavater Pfar[r]er in Zürich zugeeignet von dessen ergebensten Diener, Daniel Chodowiecki in Berlin
Radierung von Daniel Chodowiecki, 1781

Der Landvogt Geßler treibt in der Talschaft Uri Steuern für die Grafen von Habsburg ein. Um deren Herrschaftsanspruch zu unterstreichen, pflanzt er einen Hut auf einer Stange auf dem Dorfplatz von Altdorf auf und verlangt, dass jeder Vorbeigehende ihm an Kaisers Statt die Reverenz erweist. Tell verweigert den Gruß. Geßler weiß, dass Tell ein Meisterschütze ist und stellt ihn vor die Wahl, entweder einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schießen oder zu sterben. Tell besteht die Probe, hat aber noch einen zweiten Pfeil bereit. Er gibt freimütig zu, dass er damit Geßler erschossen hätte, wenn er sein Kind getroffen hätte. Daniel Chodowiecki (1728-1801) zeigt Wilhelm Tell, den Sohn im Arm, in der Konfrontation mit dem Landvogt, die der Apfelschuss-Szene folgt.

Graphische Sammlung

138
Wilhelm Tell
22 handschriftliche Rollenhefte des Detmolder Hoftheaters

Das beliebte Stück wurde schon vor der Eröffnung des Hoftheaters 1820, 1823 und 1824 in Detmold gespielt. Diese Rollenhefte dienten damals und auch später zur Einstudierung des Wilhelm Tell. In der Aufführung 1828 trat Rosine Lortzing, die Frau des Komponisten, in der Rolle der Berta von Bruneck auf. 25 Rollen fehlen.

T 603

139
Wilhelm Tell
Stahlstich von Christian Hoffmeister nach einem Gemälde von Nüssle

Dargestellt ist Wilhelm Tell, der mit seinem Sohn Walter am Geßler-Hut vorbeigeht, ohne ihn zu grüßen, und darauf von Soldaten Geßlers ergriffen wird. Das Blatt ist nicht unmittelbar auf Schillers Drama bezogen.

Graphische Sammlung

140
Wilhelm Tell. Vierter Auftritt
[Vierter Aufzug, 3. Szene]
Stahlstich von Constantin Müller nach einer Zeichnung von Wilhelm Kaulbach
Aus: Stahlstiche zu Schiller’s Werken in Einem Bande nach Zeichnungen von W. Kaulbach. Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1840. Bl. 10

Gezeigt ist die Hohle Gasse bei Küssnacht. Geßler sinkt, vom Pfeil Tells getroffen, zu Boden. Rudolph von Harras, sein Stallmeister, stützt den Sterbenden. Dahinter zu sehen ist die Bäuerin Armgard mit ihren Kindern, die von Geßler Gerechtigkeit für ihren inhaftierten Mann gefordert hat. Im Hintergrund der Hochzeitszug, der den Hohlweg versperrt. Der Tyrannenmord ist das Fanal zum offenen Aufstand.

SW 133e.4°

141
Guillaume Tell. Opéra en quatre actes …
Musique de G. Rossini. Vollstaendiger Clavier-Auszug nach der Original-Partitur
Original-Auflage. – Mainz, Antwerpen: Schott, 1829

Schillers Wilhelm Tell stand 1828/29 beim Libretto der letzten Oper von Gioacchino Rossini (1792-1868) Pate. Die Uraufführung 1829 in Paris war kein Erfolg, denn das Publikum war von dem italienischen Komponisten Partituren mit vielen Koloraturen und flotten Rhythmen, vor allem auch heitere Sujets gewohnt. Im Tell dagegen waren ganz andere Töne zu hören, schon die Ouvertüre deutete an, dass es „seriöser“ zugehen würde als bisher. Erst die 1831 erstellte italienische Fassung sorgte für weitere Verbreitung der Oper.

Da der Schweizer Nationalheld Tell ein revolutionärer Geselle ist, der den die Obrigkeit vertretenden Landvogt Geßler erschießt, verboten manche Regierungen die Oper. In Detmold jedoch wurde sie von 1837 an immer wieder aufgeführt. Das gesamte Aufführungsmaterial mit Partitur, Klavierauszügen, Orchester- und Singstimmen ist vorhanden, es umfasst drei große Archivkästen.

Mus-n 202

13. Gedichtvertonungen

Schillers Gedichte der neunziger Jahre besitzen eine ausgeprägte Musikalität, die auch ihr Autor schon empfand. Einige von ihnen wurden bereits bei ihrem ersten Erscheinen im Musenalmanach mit Noten geliefert, zum Beispiel 1796 Würde der Frauen in der Vertonung von Johann Friedrich Reichardt, 1797 Der Besuch und 1798 die Elegie An Emma von Carl Friedrich Zelter und Das Reiterlied aus Wallenstein von Christian Jakob Zahn. Die Liedhaftigkeit vieler Schiller-Gedichte führte dazu, dass sie noch zu Lebzeiten Schillers regelmäßig vertont wurden, das Gedicht Des Mädchens Klage aus Wallenstein beispielsweise 25 mal, das Gedicht Würde der Frauen 20 mal. Schiller gehörte zu den am häufigsten vertonten Autoren seiner Zeit.

142
Schillers Lyrische Gedichte in Musik gesetzt … von Joh. Friedrich Reichardt.
Für Singstimme und Klavier
2 Hefte. – Leipzig: Breitkopf & Härtel, [1810]. – Erstausgabe

Johann Friedrich Reichardt (1752-1814), Berliner Hofkapellmeister und – nach seiner Entlassung aus dem Amt wegen republikanischer Umtriebe – ab 1794 freier Publizist, trug wesentlich zur Popularisierung von Schillers Lyrik bei. Er lieferte Vertonungen für den Musenalmanach auf das Jahr 1796; von Schiller hatte er das Gedicht Würde der Frauen in Musik gesetzt. Auch die Ode An die Freude und das Gedicht Des Mädchens Klage hatte er vertont. Im Xenienalmanach von 1797 war er jedoch Ziel beißender Satire, gleich eine ganze Anzahl von Xenien richtet sich gegen den Revolutionsfreund und Wettbewerber auf dem literarischen Zeitschriftenmarkt: „Frostig und herzlos ist der Gesang“ heißt es da, und

Dichter, bitte die Musen, vor ihm dein Lied zu bewahren
Auch dein leichtestes zieht nieder der schwere Gesang.

Unverdrossen blieb Reichardt als Schiller-Komponist aktiv. 1810 gab er eine Gesamtausgabe seiner Schiller-Vertonungen heraus. Berücksichtigt sind Gedichte aus dem gesamten lyrischen Schaffen Schiller, von den Laura-Schwärmereien aus der Anthologie auf das Jahr 1782 bis zu Texten, die erstmals im 1803 gedruckten zweiten Band von Schillers Gedichten veröffentlicht worden waren.

Mus-n 4622 und Mus-n 7249, aus dem Besitz von Georg Richard Kruse

143
Die Gunst des Augenblicks von Friedrich Schiller, Vierstimmig in Musik gesetzt von Carl Friedrich Zelter
Für vierstimmigen Chor und Orchester
Partitur. – Berlin: Günther, [ca. 1806]. – Plattennr. 9
Das Gedicht Die Gunst des Augenblicks veröffentlichte Schiller nach dem Ende des Musenalmanachs in Beckers Taschenbuch zum geselligen Vergnügen für das Jahr 1803.

Dem Berliner Komponisten und Goethefreund Carl Friedrich Zelter (1758-1832), der bereits zum Musenalmanach auf das Jahr 1798 vier Gedichtvertonungen beigesteuert hatte – darunter Schillers Elegie An Emma und Goethes An Mignon und Der Gott und die Bajadere – begegnete Schiller erstmals persönlich im Februar 1802. Während Schillers Berlin-Aufenthalt im Frühjahr 1804 standen die beiden in enger Verbindung.

Mus-n 11266, aus dem Besitz von Georg Richard Kruse

144
Arrangements für Militair-Musik vom Jahre 1883
bearbeitet von Karl Kaiser, Hoboist im 6. Westfälischen Infanterie-Regiment No. 55 in Detmold
Handschriftliche Partitur

Franz Schubert (1797-1828), der bedeutendste Liedkomponist des neunzehnten Jahrhunderts, hat sich zeitlebens mit den Gedichten Schillers auseinandergesetzt und mehr als vierzig von ihnen vertont, so auch Des Mädchens Klage aus dem Wallenstein, op. 58 Nr. 3. Die Noten dazu sind in der Landesbibliothek vorhanden. Wir zeigen hier ein Arrangement des Detmolder Militärmusikers Karl Kaiser für Blasorchester.

Mus-h 2 K 2

145
Johannes Brahms:
Nänie von Friedrich Schiller für Chor und Orchester, op. 82
Partitur
Leipzig: Peters, [1881]. – Plattennr. 6525

Schillers Nänie entstand im Spätherbst 1799. Sie wurde erstmals im Jahr 1800 in der Ausgabe seiner Gedichte abgedruckt. Die auf sieben Distichen beschränkte Elegie beklagt an Beispielen der griechischen Mythologie die Sterblichkeit des Schönen. Johannes Brahms (1833-1897) hat dieses Gedicht 1881 kongenial vertont. Die Ausgabe war nach dem Eintrag auf dem Titelblatt ein Geschenk des Komponisten an J. G. Wohmeier.

Mus-n 2129, aus dem Besitz von Georg Richard Kruse