25. Februar 2012 | Blog | Joachim Eberhardt

Traue keiner Bertelsmann-Statistik, Teil 4: Museumsbesuche in Lippe

Dass der Kreis Lippe in Bertelsmanns Lernatlas 2011 so schlecht abschneidet, ist zumindest in der Dimension „Persönliches Lernen“ falschen Zahlen und verzerrender Darstellung geschuldet. Das hatte ich für die Kennzahl der Bibliotheksbesuche ebenso wie für die Kennzahl der Theater- und Konzertbesuche gezeigt. Nun möchte ich abschließend noch einen Blick auf die Kennzahl der Museumsbesuche werfen.

Laut Bertelsmann gab es 2009 in Lippe nur 58 Museumsbesuche auf 100 Einwohner, während NRW-weit 82 Besuche und deutschlandweit sogar 130 Besuche auf 100 Einwohner kommen. Dabei haben wir in Lippe ein nicht ganz kleines Museumsangebot, und mit dem Freilichtmuseum Detmold sogar einen richtigen Publikumsmagneten. Aber auch das Lippische Landesmuseum in Detmold hatte 2009, im Jahr der „Mythos“-Sonderausstellung, einen Besucherrekord zu verzeichnen, und das Industriemuseum in Lage und das Weserrenaissance-Museum in Lemgo sind ja auch nicht zu verachten.

Rechnet man die Bertelsmann-Zahlen auf die Einwohner von Lippe um, dann haben lt. Bertelsmann 2009 die lippischen Museen etwa 203.000 Besuche zu verzeichnen gehabt.

Das Detmolder Freilichtmuseum allein hat, lt. Pressebericht, 2010 ohne Museumsadvent, 162.000 Besucher gehabt; die Zahlen dürften 2009 nicht viel schlechter gewesen sein. Die Mythos-Sonderausstellung des Landesmuseums hatte 2009 knapp 100.000 Besucher. Also wie kommt Bertelsmann auf so wenige Besucher? Ich zitiere aus der Email an mich vom 2.2.2012:

Die Kennzahl zu den Museumsbesuchern ist auf die „Raumordnungsregion“ bezogen. Das bedeutet, dass Raumordnungsregionen betrachtet werden, denen mehrere Kreise u. kreisfreie Städte angehören können. Diese Regionen werden vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ausgewiesen. […]
Lippe gehört in die Raumordnungsregion Bielefeld (503) zusammen mit den Kreisen Herford, Minden-Lübbecke, Bielefeld, Gütersloh. Die Kennzahl Museumsbesuche wird so gebildet, dass alle gemeldeten Besucher in den Museen dieser Region gezählt werden; das Ergebnis wird dann ins Verhältnis gesetzt zur Zahl der Einwohner der Region. Das Verhältnis wird dann jedem Kreis in der Region zugeordnet. (Es liegen die Zahlen von 2009 zugrunde).
Die ausgewiesenen Daten zeigen die Anzahl der Besuche in Museen und Sonderausstellungen in der Region im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Gebietes. Die Kennzahl wird auf Raumordnungsebene verwendet, weil Museen und Sonderausstellungen i.d.R. Besucher aus den umliegenden Kreisen ansprechen und überregionale Bildungsangebote darstellen. Der Deutsche Lernatlas möchte somit dem Fakt Rechnung tragen, dass in der Regel ein signifikanter Teil der Museumsbesucher aus den  umliegenden Kreisen stammt.

Soll heißen: Der Kreis Lippe muss hier statistisch dafür büßen, dass die anderen Kreise der gleichen „Raumordnungsregion“ schlechtere Zahlen bei den Museumsbesuchen und weniger Museen haben. Wie ist das zu beurteilen?

Die Kennzahlen des Lernatlas sollen Auskunft geben über die Lernbedingungen. Oder wie es die Einleitung des Ergebnisberichtet ausdrückt, soll der Lernatlas die Frage beantworten:

Leben die Menschen in einer Umgebung, die sie anregt, neue Erfahrungen zu machen und sich vielseitig weiterzubilden? (S. 6)

Die Lernbedingungen lassen sich aber nicht allein ablesen an den tatsächlichen Besuchen von kulturellen Einrichtungen, sondern sie müssen auch das kulturelle Angebot als solches betrachten. Um die Lernbedingungen im Kreis Lippe darzustellen, taugt die Betrachtung der Raumordnungsregion daher nicht, denn das ist so, als würde man sagen: die Einkaufsmöglichkeiten in München sind so schlecht, weil es im Umland keine großen Einkaufszentren gibt.


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