VI. „Kein Leben mehr für mich ohne Freiheit“

Freiligraths Kampf für Demokratie und Freiheit 1848-1851

Nach der politischen Amnestie vom 20. März 1848 durch den preußischen König kehrt Freiligrath im Mai mit seiner Familie ins Rheinland zurück. Er lässt sich in Düsseldorf nieder und tritt dem dortigen Volksklub bei. Dort verfasst er das Gedicht Die Todten an die Lebenden, in dem die Opfer der Revolution die Lebenden zu revolutionärem Handeln auffordern. Freiligrath wird daraufhin am 28. August wegen „Aufreizung zu hochverrätherischen Unternehmungen“ inhaftiert, am 3. Oktober aber freigesprochen und begeistert gefeiert.

Anschließend lässt sich Freiligrath in Köln nieder und tritt am 21. Oktober in die Redaktion der „Neue Rheinischen Zeitung“ ein. In ihrer letzten, in Rot gedruckten Ausgabe vom 19. Mai 1849 publiziert er sein Abschlußwort.

Im selben Jahr erscheinen seine Gedichtsammlung Zwischen den Garben, die Übersetzung von Shakespeares Venus und Adonis und das erste Heft der Neueren politischen und socialen Gedichte.

1850 siedelt Freiligrath nach Bilk bei Düsseldorf um. Nach Wohnungsdurchsuchungen und steckbrieflicher Verfolgung flieht er am 12. Mai 1851 ins Exil nach London.


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Ferdinand Freiligrath, der Dichter der Exotik. – Scherzsilhouette, Scherenschnitt von WILHELM MÜLLER, Düsseldorf, 1848
FrS B 30

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Ferdinand Freiligrath, „Der Tod an die Lebenden“. – Scherzsilhouette, Scherenschnitt von WILHELM MÜLLER, Düsseldorf, 1848
FrS B 30,1

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Ferdinand Freiligrath, Gefängnisszene in Düsseldorf, Festnahme nach Erscheinen seines Gedichts „Die Toten an die Lebenden“, auf demTisch als Wolf angekettet Julius Wulff, der Vorsitzende des Düsseldorfer Volksclubs. – Scherzsilhouette, Scherenschnitt von WILHELM MÜLLER, Düsseldorf, 1848
FrS B 30,2

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Ferdinand Freiligrath, Triumphzug nach seinem Freispruch vor dem Düsseldorfer Assisengericht am 3. Oktober 1848. – Scherzsilhouette, Scherenschnitt von WILHELM MÜLLER, Düsseldorf, 1848
FrS B 30,3

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Ferdinand Freiligrath, zeitgenössische Bleistiftzeichnung von Carl Hartmann, um 1848
FrS B 1

115
Düsseldorf, Stadtansicht von Süden vom Rhein aus gesehen, Stahlstich, gezeichnet von Ludwig Rohbock, gestochen von Joseph Maximilian Kolb, ca. 1855
FrS B 147

Der politische Prozess gegen Ferdinand Freiligrath in Düsseldorf

Freiligraths Revolutionshymne „Die Todten an die Lebenden“ sorgte in Düsseldorf und im gesamten Rheinland für erhebliches Aufsehen. Am 29. August wurde Freiligrath vor den Untersuchungsrichter geladen, nach dem Verhör inhaftiert, am 18. September vom Oberstaatsanwalt am Königlich-Rheinischen Gerichtshof in Köln unter Anklage gestellt. Nach drei Wochen kam es schließlich am 3. Oktober 1848 zum Prozess vor dem Schwurgericht („Assisenhof“) in Düsseldorf.

Vorgeworfen wurde ihm, „durch das Vortragen des von ihm verfaßten Gedichtes ‘Die Todten an die Lebenden’ … so wie auch durch den Druck desselben die Bürger direct aufgereizt zu haben, sich gegen die landesherrliche Macht zu bewaffnen, auch die bestehende Staatsverfassung umzustürzen“.

Wie war es dazu gekommen? Freiligrath war im Mai aus seinem ersten Exil in London ins Rheinland zurückgekehrt und hatte sich in Düsseldorf niedergelassen. Dort trat er dem republikanischen Volksklub bei und wurde in dessen Vorstand gewählt. Ein Resultat seiner Aktivitäten im Volksklub ist die Revolutionshymne die „Die Todten an die Lebenden“.

Am 1. August trug der Dichter diese Ode auf einer öffentlichen Versammlung vor und erntete tosenden Beifall, umgehend wurden 9.000 Exemplare des Textes gedruckt und im Nu verkauft. In dem Gedicht sind es die Märzgefallenen, die sich in langer, von Pathos getragener Ansprache an ihre Mitstreiter des Frühjahrs wenden und beklagen, dass die erkämpfte Freiheit „schon verfault“ sei. Doch bleibt ihnen ein Hoffnungsschimmer, „ein Trost im Schelten“: der „rothe Grimm“ werde letztlich wiedererwachen und das Volk, wie im März begonnen, seine Zukunft selbst bestimmen.

Am 3. Oktober fand die Verhandlung vor dem Geschworenengericht statt. Freiligrath wurde freigesprochen, Offiziere der Bürgerwehr geleiteten ihn ins Freie, wo ihn eine unübersehbare Menschenmenge feierte; abends wurde ihm zu Ehren ein Fackelzug veranstaltet, an die 15.000 Menschen sollen auf den Beinen gewesen sein. Am 21. Oktober schloss er sich der Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in Köln an.

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WERMUTH UND WILHELM STIEBER: Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts : im amtlichen Auftrage zur Benutzung der Polizei-Behörden der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten auf Grund der betreffenden gerichtlichen u. polizeilichen Acten dargestellt. – Tle. ½. – Berlin, 1853-1854.
St 7024-1/2
Aufgeschlagen T. 2, S. 48-49: Beschreibung von Person und umstürzlerischen Aktivitäten Ferdinand Freiligraths; steckbriefliche Verfolgung seit 14. August 1851. Der Steckbrief wurde nie aufgehoben.

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SHAKESPEARE, WILLIAM: Venus und Adonis. – Übersetzt von Ferdinand Freiligrath. – Düsseldorf: Scheller, 1849. – 43 S.
Ka 501 Nr. 5
Auf dem Umschlag eigenhändige Widmung Freiligraths: „Seinem Georg Weerth (australischem Wollüstling p.p.) am Tage seines Freundschaftsbundes mit dem Parket. K[öln,] 23.2.[18]50. FFth.“ – Zwei Tage später trat Weerth seine dreimonatige Haftstrafe an, die ihm die Veröffentlichung seiner Satire „Schnapphahnski“ und damit der Verleumdung des Fürsten Lichnowsky, Abgeordneten der Paulskirche, eingebracht hatte; die Ermordung des Fürsten wurde mit der Satire in Verbindung gebracht.

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Ferdinand Freiligrath, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Kaufmann Wilhelm Otterberg in Barmen, dat. Köln, 6. Februar 1850. – 1 Dbl., 2 S.
FrS 545
Freiligrath entschuldigt sich bei seinem Freund Otterberg, Mitfinanzier und Sympathisant der „Neuen Rheinischen Zeitung“, für den nicht geziemenden Empfang vor einigen Tagen in Köln. Erwähnt werden Briefe an Freunde der frühsozialistischen Bewegung, darunter auch an Karl Marx, Hermann Heinrich Becker („der rote Becker“) und Stephan Adolf Naut. Freiligrath übersendet Otterberg seine Übersetzung von Shakespeares „Venus und Adonis“, die Ende 1849 erschienen ist.

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FREILIGRATH, FERDINAND: Neuere politische und sociale Gedichte. – 1. und 2. Heft. – Cöln, Düsseldorf: Selbstverl., 1849-1851.
FA 9.1849(1-2)
Auf dem Umschlag des 2. Heftes eigenhändige Widmung Freiligraths: „Seinem Karl Weerth. London, 11/7.[18]51“ – Freiligrath hatte das Heft Karl Weerth aus Detmold anlässlich dessen Besuchs der Weltausstellung im Sommer 1851 in London überreicht.

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H., J.K.: Erster politischer Prozeß vor dem Geschwornen-Gerichte. Der Dichter Ferdinand Freiligrath angeklagt, durch sein Gedicht: „Die Todten an die Lebenden“ die Bürger aufgereizt zu haben … – Düsseldorf: Schaub in Komm., 1848. – 56 S.
Ka 500 Nr. 18
Der minutiöse stenographische Bericht, dessen Verfasser bisher nicht ermittelt werden konnte, bedeutet eine erstrangige Quelle zum Prozess gegen Freiligrath vor dem Düsseldorfer Assisengericht. Der Bericht wurde unmittelbar nach Prozessende in Druck gegeben und in hoher Stückzahl verbreitet, was Freiligraths Popularität noch zusätzlich steigerte.

121
Die Todten an die Lebenden. Juli 1848. [Gez.] F. Freiligrath. – o. O., Kolbe, 1848. – 3 S.
FrS E 23
Nach Freiligraths Vortrag der Revolutionshymne vor dem Düsseldorfer Volksclub wurde diese auf seine Kosten in einer Auflage von 9.000 Exemplaren gedruckt und fand so rasche Verbreitung. Weitere Einblattdrucke folgten.

122
Vier Einblattdrucke von Revolutionsgedichten Ferdinand Freiligraths aus dem Jahr 1848
FrS E 13, 17, 20, 55

Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie

Chefredakteur: Karl Marx. Köln, 1848/49

Die Neue Rheinische Zeitung“ wurde seit dem 1. Juni 1848 von Karl Marx in Köln herausgegeben. Die jeweils nachmittags erscheinende Tageszeitung war auf Aktien gegründet, die zum Teil vom Kölner Großbürgertum gehalten wurden. Die radikaldemokratische Tageszeitung, von der 301 Ausgaben in knapp einem Jahr erschienen, kommentierte in scharfen Grundsatzartikeln aus der Feder von Karl Marx und Friedrich Engels die gesellschaftspolitischen Ereignisse der Zeit. Das Feuilleton der Zeitung enthielt vor allem Texte von Georg Weerth, später auch revolutionäre Gedichte von Ferdinand Freiligrath.
Die Redaktion bestand neben dem Chefredakteur Karl Marx aus Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Friedrich Engels, Ferdinand und Wilhelm Wolff, Georg Weerth und Ferdinand Freiligrath, letzterer seit dem 21. Oktober 1848. – Für den redaktionellen Teil verfasste Freiligrath Beiträge über England, darüber hinaus politische Gedichte, Teile seiner Übersetzung von Shakespeares „Venus und Adonis“ und in der letzten in Rot gedruckten Ausgabe vom 19. Mai 1849 das „Abschiedswort“. Über die Gründe für das abrupte Ende der „Neuen Rheinischen Zeitung“ informiert Georg Weerth am 18. Mai 1849 brieflich seine Mutter in Detmold:

„Die ‘Neue Rheinische Zeitung’ erscheint heute zum letzten Male, da Marx als Ausgewanderter aus Preußen verwiesen ist und mehreren meiner Kollegen dasselbe Schicksal droht. Ich sende Dir die letzte Nummer, in der ich den Artikel aus Großbritannien und das Feuilleton schrieb.“

123
Georg Weerth, Daguerreotypie von STELZNER, Hamburg, 1851
B 1 W (G)
Einziges bekanntes Porträt von Georg Weerth (1822-1856), Mitredakteur und Chef des Feuilletons der „Neuen Rheinischen Zeitung“.

124
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Kaufmann Heinrich Zulauff in Elberfeld, dat. Köln, 31. Mai 1849. – 1 Bl., 1 S.
FrS 540
Freiligrath berichtet von seiner Flucht nach Amsterdam am 20. Mai 1849, einen Tag nach dem Erscheinen der letzten Ausgabe der „NRhZ“, sowie von seiner Ausweisung aus Holland und der Rückkehr nach Köln. Der Brief betrifft hauptsächlich die Finanzierung der „NRhZ“ mittels Bankkredit und Aktienanlagen. Zulauff, der Eisenbahnaktien hinterlegt hatte, wird gebeten, eine fällige Differenzzahlung zu leisten, um den Verkauf der Aktien durch die Bank zu verhindern. Die Hilfe wird dringlich erbeten, da Karl Marx sich umständehalber nicht selbst um die Geldangelegenheit kümmern kann.

125
Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. – Köln, 1849, Nr. 301 vom 19. Mai
Z 1848.2°
Letzte Ausgabe in Rot. – Aufgeschlagen S. 1: Ferdinand Freiligrath, „Abschiedswort der Neuen Rheinischen Zeitung“, und Georg Weerth, „Proklamation an die Frauen“.

126
FERDINAND FREILIGRATH, „Abschiedswort der Neuen Rheinischen Zeitung. Coeln, 19. Mai 1849“, eigenhändiges Gedichtautograph mit Unterschrift, 1849. – 1 Bl., 2 S.
FrS 586

127
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Kaufmann Wilhelm Otterberg in Barmen, dat. (Düsseldorf-)Bilk, 25. September 1850. – 1 Dbl., 1 ½ S.
FrS 548
Freiligrath bedauert, dass Otterberg ihn nicht nach seiner Rückkehr aus London besucht und von Freunden aus dem Exil berichtet hat. Über sich schreibt er:

„Als Dichter (um Deine Unterscheidungen festzuhalten) bin ich fleißig, kann aber im Augenblick nichts drucken lassen. Als Wühler habe ich tagtäglich das Vergnügen, von der Polizei chicanirt u. von der ‘Gesellschaft’ desavouiert zu werden. Als Mensch hab’ ich am 10. Aug. wieder Vaterfreuden genossen. [Sohn Otto]“.

Hermann Heinrich Becker („der rote Becker“) soll Pate werden.

128
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Kaufmann Wilhelm Otterberg, z. Zt. im Englischen Hof zu Köln, dat. Köln, 18. Juli 1849. – 1 Dbl., 2 S.
FrS 543

„Lieber Otterberg! Ein politischer Flüchtling, den wir heute Abend per Eisenbahn weiterspediren u. die zu seiner Beförderung nöthigen Mittel noch an 10 Orten zusammenbringen müssen, nimmt mich zu meinem großen u. aufrichtigen Bedauern den ganzen Nachmittag in Anspruch …“

Es wird vermutet, dass es sich bei dem namentlich aus Sicherheitsgründen nicht genannten „politischen Flüchtling“ um Karl Marx selbst handelt.

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FREILIGRATH, FERDINAND: Zwischen den Garben : eine Nachlese älterer Gedichte. – Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1849. – X, 185 S.
FA 8.1849

130
Karl Marx im Jahre 1861. Fotografie, Poster.
Ohne Signatur