II. „Ich bin mehr Maler als Dichter“

Kindheit, Jugend, Kaufmannslehre, erste literarische Versuche 1810-1831

Ferdinand Freiligrath wird am 17. Juni 1810 in Detmold geboren. Nach dem Besuch der Küsterschule wechselt er 1820 auf das Detmolder Gymnasium, das er 1825 mit der Primareife verlässt.

In einem Großhandelskontor in Soest beginnt er eine kaufmännische Lehre. In dieser Zeit nimmt er Privatstunden in Englisch und Französisch, er liest viel und fertigt erste Übersetzungen aus dem Französischen an. Nebenher entstehen erste eigene Gedichte.

Nach dem Tod des Vaters im November 1829 veröffentlicht Freiligrath einzelne Gedichte – zunächst noch anonym – im „Soester Wochenblatt“ und dem „Mindener Sonntagsblatt“. Es entstehen die berühmten Gedichte Der Auswanderer, Der Mohrenfürst, Der Löwenritt und Prinz Eugen, der edle Ritter.

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Detmold, Ansicht von Südwesten, Aquarell, um 1810
1 D 6

Von der Anhöhe des Papenberges wurde die Stadt Detmold im Geburtsjahr Ferdinand Freiligraths von einem anonymen Zeichner aufgenommen. Zu erkennen sind die Neustadt mit dem Kavaliershaus (heute Hotel Lippischer Hof), Schloss und Schlossturm, der Turm der Marktkirche, die Klosterkirche der Augustinerinnen, die das Gymnasium beherbergte, und der Bürgerturm der Stadtbefestigung.

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Detmold, Unter der Wehme, Ansicht von Westen, Aquarell von BERNHARD MEYER, 1892
1 D 49,1

Das Aquarell zeigt die beiden Fachwerk-Traufenhäuser, links das ehem. Haus des Archivrats Christian Gottlieb Clostermeyer, des Schwiegervaters Christian Dietrich Grabbes. Grabbe starb in diesem Haus am 12. September 1836. Rechts unmittelbar benachbart das Geburtshaus Ferdinand Freiligraths.

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Freiligraths Geburtshaus, Detmold, Unter der Wehme, Photographie von FRITZ QUIDDE, Detmold, Photographisches Atelier Theodor Kliem, 1869
FrS B 66

In dem um 1700 erbauten traufständigen Haus Unter der Wehme (Nr. 5) wurde Ferdinand Freiligrath am 17. Juni 1810 geboren. Der Überlieferung nach soll er im Obergeschoss im Zimmer über der Eingangstür (2. und 3. Fenster von links) das Licht der Welt erblickt haben. – Das Photo mit dem girlandengeschmückten Haus wurde um den 20. Juli 1869 aufgenommen; Anlass war der Besuch des Dichters, der von Bielefeld kommend, seine Heimatstadt an diesem Tag letztmalig aufgesucht hat.

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Ferdinand Freiligrath, Lithographie mit faksimilierter Unterschrift nach einer Zeichnung von THEODOR WALTHER, Lemgo, Meyersche Hofbuchhandlung, 1839
FrS B 7

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JUGENDBIBLIOTHEK FERDINAND FREILIGRATHS, Louise Wiens [geb. Freiligrath], die Tochter Freiligraths schenkte im Jahre 1910 die Jugendbibliothek ihres Vaters mit weiteren Dokumenten der Fürstlichen Landesbibliothek.

Die von Freiligraths Tochter Louise geschenkte Jugendbibliothek des Dichters umfasst 34 Titel in 40 Bänden. Sie beinhaltet im Wesentlichen Schulbücher, Wörterbücher, naturkundliche, historische und erbauliche Schriften; darunter zahlreiche Widmungsexemplare von Freunden und Lehrern.
(Die vollständige Liste ist hier online).

Kinderbriefe und erste Reimversuche

Kinderbriefe und erste Reimversuche Ferdinand Freiligraths im Besitz der Lippischen Landesbibliothek rühren aus den Jahren 1817 bis 1820. Adressaten sind der Vater, die Tante Anna Elisabeth, eine ältere Schwester seiner am 24. Januar 1817 verstorbenen Mutter, die mit Abraham Wilhelm von der Heydt in Elberfeld verheiratet war, und sein Stiefonkel Moritz Schwollmann in Soest, ein Bruder seiner Stiefmutter Klara Wilhelmine, die sein Vater 1819 in zweiter Ehe geheiratet hatte. Alle Genannten waren dem jungen Ferdinand in großer Liebe zugetan. Seiner neuen Mutter bewahrte er dankbar lebenslang herzliche Zuneigung.

Seine ganze Liebe gehörte aber seiner Großmutter Anna Katharina Tops, geborene Stürmer (von Hackhausen, † 1819 in Elberfeld), die dem verwitweten Schwiegersohn in Detmold den Haushalt führte und für den kleinen Ferdinand eine zeitlang Mutterstelle übernommen hatte.

Nr. 21: FrS 278

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FERDINAND FREILIGRATH, eigenhänd. Gedicht mit Unterschrift an seine Großmutter ANNA KATHARINA TOPS, dat. [1. Januar] 1818. – 1 Bl., 1 S.
FrS 278

An meine liebe Großmutter zum neuen Jahr 1818.
Heilige Gefühle heben
Heut aus meiner Brust hervor,
Frommes Flehen für Dein Leben
Steigt zum Himmel heut empor! …

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FERDINAND FREILIGRATH, eigenhänd. Brief an seine Großmutter ANNA KATHARINA TOPS, dat. Detmold, den 7. März 1818. – 1 Bl., 1 S.
FrS 280

An die liebe Großmutter zu ihrem geburtstage. 1 Brief

Liebe Großmutter du hats mich am meisten versorgt Morgen am -8-ten Merz ist dein Gebutag es ist nur eine Kleinigkeit ich habe Spendeln [Stecknadeln] gekauft diessen Brief solst Du verwaren bis an dein Ende es ist ein Wahrzeigen der Liebe die ich zu dir beweise denn du hast mich zuerst gelibt drum gebe ich dir denn Brif.

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FERDINAND FREILIGRATH, eigenhänd. Brief mit Unterschrift an seine Großmutter ANNA KATHARINA TOPS in Elberfeld, dat. Detmold, den 11. Dezember 1819. – 1 Bl., 2 S.
FrS 283

Meine liebe Großmutter! Mein lieber Vater schreibt Dir, und da glaube ich nun Dir gleichfalls sagen zu müßen, daß ich Dich recht lieb habe, und deshalb sehr oft an Dich denke. – Am letzten Markttage war hier vieles zu sehen, mein lieber Vater erlaubte mir aber nur, die ausländischen Thiere zu sehen; er meynte, Narrheiten könnte ich noch genug in der Welt zu sehen bekommen, dafür brauche ich jetzt kein Geld auszugeben. – Ueber die Thiere habe ich mich aber recht gefreut; da gab es Affen und Kamele, Papageien und Antilopen, auch war ein Eisbär dabei. – Letzterer war ein grimmiges Thier, Du wärst wohl bange geworden, wenn Du ihn gesehen hättest; aber es hätte nichts zu sagen gehabt, denn er konnte mit seinem Springen und Brüllen nicht durch den wohlverwahrten Käfig kommen …

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FERDINAND FREILIGRATH, eigenhänd. Gedicht mit Unterschrift und Stilllebenzeichnung an seine Tante ANNA ELISABETH VON DER HEYDT in Elberfeld oder an seinen Vater, die beide am 18. Dezember Geburtstag feiern, dat. Detmold, den 18. Dezember 1820. – 1 Bl., 1 S.
FrS 285

Ich wünsche dir recht vieles Glück
Und daß dieser Tag kehre oft zurück
Es gehe Dir wohl an jedem Ort
Nun behalte mich lieb
Wie ich Dich hinfort.
Dein Ferdinand!

Nr. 25: FrS B 60

25
Detmold, Ansicht von Nordosten, Lithographie von FRIEDRICH KOCH, um 1845
FrS B 60

Die Datierung ergibt sich aus dem noch in barocker Gestalt wiedergegebenen Neuen Palais an der Allee. Das Hermannsdenkmal, von dem zu dieser Zeit gerade der Sockel fertig gestellt war, wurde in die Staffage hineinprojiziert. – Die Lithographie befand sich im Nachlass Ferdinand Freiligraths und wurde der Lippischen Landesbibliothek mit anderen Dokumenten im Jahre 1910 von seiner Tochter Louise Wiens geschenkt.

26
Stammbuch Ferdinand Freiligraths mit Eintragungen seines Onkels Moritz Schwollmann und seines Vaters, 1825
FrS 199b

Aufgeschlagen Bl. 3r:

Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen [Mt. 5,8]. (…) Dieses zum Andenken auf Deinem künftigen Lebenswege von Deinem Dich herzlich liebenden Vater Wilhelm Freiligrath. Detmold, 29st. Mai 1825

27
Clostermeier, Christian Gottlieb: Wo Hermann den Varus schlug : drei verschiedene, durch die neuesten Untersuchungen über diesen Gegenstand veranlaßte, Aufsätze. – Lemgo: Meyersche Hofbuchhandlung, 1822. – 283 S.
FA 100.28

Aus Freiligraths Jugendbibliothek. – Auf dem Vorsatzblatt eingedruckter Besitzeintrag: „Ferdinand Freiligrath, den 17ten Junius 1824“. – Darüber von der Hand Freiligraths: „Geschenk des Verfassers“.

28
Christian Gottlieb Clostermeier, Scherenschnitt, undat.
GA B 350

29
ARNOLD, AUGUST: Anmerkungen und Zusätze zu der synchronistischen Uebersicht der Weltgeschichte. – Gotha: Ettinger, 1819. – 63 S.; Taf.
FA 100.30

Aus Freiligraths Jugendbibliothek. – Auf dem Titelblatt Besitzeintrag: „Ferdinand Freiligrath“

30
FALKMANN, CHRISTIAN FERDINAND: Methodik der deutschen Stylübungen. – 2., umgearb. u. verm Aufl., Hannover: Hahn, 1823. – XXII, 642 S.
FA 100.9

Aus Freiligraths Jugendbibliothek. – Auf dem Vorsatz Widmung seines Lehrers Christian Friedrich Falkmann: „Freiligrath. Ein Geschenk des Verfassers“

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Augustinerinnenkloster Marienanger (Provinzialschule), Aquarell von AUGUST EBERTH (1873-1956), undat.
Lipp. Landesmuseum, Inv.-Nr. 1107/95

Der Künstler August Eberth aquarellierte das ehem. Augustinerinnenkloster in der Schülerstraße in Detmold nach älteren Vorlagen. Im Zuge der Aufhebung des Klosters durch den Grafen Simon VI. zur Lippe († 1613) wurden in der innen umgebauten Klosterkirche 1602 die Provinzialschule und wenig später die Gräflich Öffentliche Bibliothek untergebracht. Die Kirche wurde 1832 abgebrochen. Ferdinand Freiligrath besuchte diese Schule von 1820-1825 und dürfte damit das Gebäudeensemble in der abgebildeten Form noch gekannt haben.

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LOUISE WIENS [geb. Freiligrath], Für die Fürstliche Landesbibliothek zu Detmold, eigenhändige Liste der Bibliothek des jungen Freiligrath sowie von Handschriften Freiligraths, die 1910 von ihr der Bibliothek geschenkt wurden, [27. Mai 1910].
FrS 272

Die von Freiligraths Tochter Louise geschenkte Jugendbibliothek des Dichters umfasst 34 Titel in 40 Bänden [siehe Stücke 20, 27, 29, 30]. Sie beinhaltet im Wesentlichen Schulbücher, Wörterbücher, naturkundliche, historische und erbauliche Schriften; darunter zahlreiche Widmungsexemplare von Freunden und Lehrern.

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Christian Gottlieb Clostermeier, eigenhändiger Brief in lateinischer Sprache mit Unterschrift an Ferdinand Freiligrath, dat. Detmold, 25. September 1824. – 1 Dbl., 1 S.
FrS 336

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„Haus zur Rose“, Freiligrath-Haus in Soest, unbezeichnetes Ölgemälde, um 1900
FrS B 64

Das historisierende Gemälde soll den Zustand um 1830/40 wiedergeben. In diesem Gebäude, das seit altersher als „Freiligrath-Haus“ bekannt ist, befand sich die Firma der Gebrüder Schwollmann, eine Großhandlung für Kolonialwaren und Garne, die auch Kleinverkauf betrieb. Anfang Juli 1825 trat Freiligrath in diese Firma seines Onkels Moritz Schwollmann, des Bruders seiner Stiefmutter, als Kaufmannslehrling ein.

Weiter mit Teil III: