I. „Was könnte mir angenehmer und willkommener sein“

Freiligrath schenkt der Landesbibliothek Autographen, London 1862

Auf Bitten des Direktors der Fürstlich-Öffentlichen Bibliothek zu Detmold, des Obergerichtsrats OTTO PREUSS (1816-1892) übereignete Ferdinand Freiligrath der Detmolder Bibliothek 1862 von London aus acht eigenhändige Gedichtautographen, alle aus seiner frühen Schaffensperiode 1831-1836. Der Vorgang ist bemerkenswert, denn der Dichter selbst legte damit den Grundstock zur Freiligrath-Sammlung im Lippischen Literaturarchiv der Lippischen Landesbibliothek. – Freiligrath war der Bibliothek von Jugend auf verbunden und erinnerte sich gern daran, wie er seinerzeit dem Archivrat und Bibliothekar Christian Gottlieb Clostermeier beim Aufstellen und Ordnen der Bücher zu Hand gegangen war. Als er seine Heimatstadt Detmold im Rahmen der Vorbereitungen zu seinem Werk „Das malerische und romantische Westphalen“ im Sommer 1839 besuchte, hatte man ihm sogar die Leitung der Fürstlichen Bibliothek angeboten, doch lehnte Freiligrath ab. Seinem Freund Levin Schücking, der sich ebenfalls Hoffnung auf diese Stelle gemacht hatte, schrieb er am 12. August 1839, dass er sich „durch eine Duodezresidenz und deren kleinlichen Verhältnisse“ nicht binden lassen wolle, auch mochte er seinem Freund und dem „ehrlichen kleinen Preuß“ nicht im Wege stehen.

1
Büste. Ferdinand Freiligrath, Sandsteinbüste von KARL CAUER, 1881
Ohne Sign.

2
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an OTTO PREUSS in Detmold, dat. London, 30. Juli 1862. – 2 Doppelbll., 6 S. mit Briefumschl.
FrS 71

Freiligrath schenkt der Fürstlich-Öffentlichen Bibliothek in Detmold eigenhändige, zum Teil mit Korrekturen versehene Autographen seiner Gedichte „Der Blumen Rache“, „Der Scheik am Sinai“, „Der Alexandriner“, „Gesicht des Reisenden“, „Der Tod des Führers“, „O säh ich auf der Haide dort (Übersetzung nach Robert Burns)“, „Das Lever (Übersetzung nach Alfred de Musset)“ und „Bei Grabbes Tod“. – Er erinnert sich dankbar an seine Jugendzeit, in der er als Bibliothekspage bei Clostermeier statt zu helfen, „sich bald in jenes rothgebundene Exemplar der ersten Ausgabe von Vossens Odyssee, (mit dem Autographen des alten Gleim auf dem Vorsatzblatte), bald in die bildervollen Quartanten des Hawkesworth’schen Reisewerkes mich vertiefte, statt die mir zum Aufstellen angewiesenen Bücher von Repositor zu Repositor zu schleppen“.

3
HOMERUS: Odyssea Homers Odüssee, übersezt [!]
von JOHANN HEINRICH VOß, – Hamburg: Verf., 1781. – 469 S.
Auf den Vorsatzblättern Widmungsgedicht Johann Wilhelm
Ludwig Gleims an die Prinzessin Pauline zu Anhalt-Bernburg,
die spätere Fürstin zur Lippe, vom 23. Febr. 1794
FP 108

Bei dem vorliegenden Exemplar handelt es um jene „Vossens Odyssee“, an die sich Freiligrath am 30. Juli 1862 in seinem Schreiben an den Oberjustizrat und Bibliotheksdirektor Otto Preuß noch lebhaft erinnerte. Die Ausgabe stammt aus der Bibliothek der Fürstin Pauline, ein Depositum S.D. Dr. Armin Prinz zur Lippes.

4
HAWKESWORTH, JOHANN: Geschichte der See-Reisen und Entdeckungen im Süd-Meer, welche auf Befehl Sr. Großbritannischen Majestät unternommen, und von … Capitain Cook, … und dem Endeavour nach einander ausgeführet worden sind ; aus dem Englischen übersetzt von JOHANN FRIEDRICH SCHILLER. – Bd. 1. – Berlin: Haude & Spener, 1774. – 459 S., zahlr. Ill., Ktn.
K 145.4°-1

Die „bildervollen Quartanten des Hawkesworth’schen Reisewerkes“ faszinierten den „Bibliothekspagen“ Freiligrath, der als Schüler dem Archivrat und Bibliothekar Christian Gottlieb Clostermeier in der Fürstlichen Bibliothek zur Hand ging. Den hier gezeigten 1. Band der insgesamt fünfbändigen Ausgabe dürfte Freiligrath damals bewundert haben, wie er an den Oberjustizrat und Bibliothekdirektor Otto Preuß am 30. Juli 1862 schrieb.

5
FERDINAND FREILIGRATH, „Der Scheik am Sinai“, eigenhändiger Gedichtentwurf, Bleistift mit zahlreichen Korrekturen, undat., wohl im Herbst 1830, zuerst veröffentlicht 1834. – 1 Dbl., 4 S.
FrS 181a

Tragt mich vor’s Zelt hinaus samt meiner Ottomane!
Ich will ihn selber sehn! – Heut’ kam die Karawane
Aus Afrika, sagt ihr, und mit ihr das Gerücht?
Tragt mich vor’s Zelt hinaus! wie an den Wasserbächen
Sich die Gazelle letzt, will ich an seinem Sprechen
Mich letzen. Wenn er Wahrheit spricht …

6
FERDINAND FREILIGRATH, „Der Alexandriner“, eigenhändige Niederschrift, mit Korrekturen, undat., zuerst veröffentlicht 1835. – Auf der Rückseite ein Vierzeiler, Zahlenreihen, Adressnotizen und Kopfstudien als Federzeichnungen. – 1 Bl., 2 S.
FrS 160a

Spring an, mein Wüstenroß aus Alexandria!
Mein Wildling! – solch ein Thier bewältiget kein Schah,
Kein Emir, und was sonst in jenen
Oestlichen Ländern sich in Fürstensätteln wiegt;
Wo donnert durch den Sand ein solcher Huf? wo fliegt
Ein solcher Schweif? Wo solche Mähnen? …

7
FERDINAND FREILIGRATH, „Gesicht des Reisenden“, eigenhändige Niederschrift, mit Korrekturen in Tinte und Bleistift, undat., zuerst veröffentlicht 1836. – 1 Dbl., 3 ½ S.
FrS 166

Mitten in der Wüste war es, wo wir nachts am Boden ruhten;
Meine Beduinen schliefen bei den abgezäumten Stuten.
In der Ferne lag das Mondlicht auf der Nilgebirge Jochen;
Rings im Flugsand umgekommner Dromedare weiße Knochen …

8
FERDINAND FREILIGRATH, „Der Tod des Führers“, eigenhändige Niederschrift, mit Korrekturen in Tinte und Bleistift, undat., [1835], veröffentlicht 1836. – 1 Dbl., 3 S.
FrS 184

Von den Segeln tropft der Nebel,
Auf den Buchten zieht der Duft.
Zündet die Latern’ am Maste!
Grau das Wasser, grau die Luft.
Todtenwetter! – zieht die Hüte!
Mit den Kindern kommt und Frau’n!
Betet! Denn in der Kajüte
Sollt ihr einen Todten schaun! …

9
FERDINAND FREILIGRATH, „O, säh ich auf der Haide dort“, eigenhändige Niederschrift seiner Übersetzung nach ROBERT BURNS, Bleistift mit Korrektur, undat., veröffentlicht 1835.- 1 Bl., 1 S.
FrS 179

O, säh’ ich auf der Haide dort
Im Sturme dich, im Sturme dich
Mit meinem Mantel vor dem Sturm
Beschützt’ ich dich, beschützt’ ich dich! …

10
FERDINAND FREILIGRATH, „Das Lever“, eigenhändige Niederschrift seiner Übersetzung nach ALFRED DE MUSSET, Tinte mit Korrekturen, undat., veröffentlicht 1836. – 1 Dbl., 2 ½ S.
FrS 173

O Herrin, es wird helle!
Dein Leibroß, Isabelle,
Begrüßt dich wiehernd; – schau
Auf der Piqeur‘ und Führer
Grünfarb’gen Aermeln ihrer
Stoßfalken schwarze Klau‘!…

11
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Entwurf seines Gedichts „Bei Grabbes Tod“, Tinte, mit zahlreichen Korrekturen, [September 1836], veröffentlicht am 22. Oktober 1836. – 2 Bll., 3 S.
GA Ms 385

„Dämmrung! – das Lager! – Dumpf herüber schon
Vom Zelt des Feldherrn donnerte der Ton
Der abendlichen Lärmkanonen!
Dann Zapfenstreich, Querpfeifen, Trommelschlag!
Zusammenfluthend die Musik darnach
Von zwei und zwanzig Bataillonen! …“

12
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an Christiane Louise Grabbe in Detmold, dat. Soest, 8. Mai 1837. – 1 Dbl., 1 Bl., 6 S.
GA Ms 403

Freiligrath ist glücklich über die positive Aufnahme seines Gedichts „Bei Grabbes Tod“; neben anderem beschreibt er, wie despektierlich ihm die Todesnachricht im Feldlager bei Salzkotten von Bekannte aus Lippe übermittelt wurde und er das Gedicht konziperte:

„… Der kalte, wegwerfende Ton, in dem mir die Nachricht gesagt wurde, empörte mich; – äußerlich ein Eisklumpen, glühte ich von innen, u. als am andern Morgen die Reveille durch’s Lager ging, war das Gedicht im größern Theil des Kopfes schon fertig. – Jene Lipper waren übrigens Fritz v. Meien, Forstsekr. Barkhausen, Auditor Meier, u. Preuß aus Meinberg …“

13
Christian Dietrich Grabbe, nach der Natur von WILHELM HEINE, auf Stein gezeichnet von W. SEVERIN, 1836
FA 12.1836(2)

14
Otto Preuß, Gipsbüste von MARGARETE HASSE, undatiert
Ohne Sign.

15
Ferdinand Freiligrath, Halbporträt nach links von PHILIPP HOYOLL, Öl auf Leinwand, London, 1867
FrS B 18

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