10. Dezember 2020 | Blog | Heidi Köhler

Vor 167 Jahren: Kampf gegen die Pocken

In einem Brief von Wilhelmine Weerth an ihren Sohn Wilhelm vom Oktober 1853 fand ich zufällig folgende Textstelle auf der zweiten Seite:

… In der Stadt sieht’s aber merkwürdig genug aus; in allen Straßen sind Blattern-Tafeln angeschlagen, Greise, Männer, Frauen u. Jünglinge nur keine Kinder sind davon befallen und die Aerzte können die Impfbegierigen nicht schnell genug
befriedigen; gestern musste das ganze Seminar dran u. ich hoffe, Carl wird sich auch noch der kindlichen Prozedur unterwerfen – .

Den vollständigen Brief finden Sie hier: https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/llb_transkript/content/titleinfo/7566087 

Zurzeit sind in Detmold u. a. lippischen Städten Tafeln mit Hinweisen zur „Maskenpflicht“ angeschlagen. Grund dafür ist das Coronavirus SARS-CoV-2.

Die damals grassierenden Blattern (heute als Pocken bekannt) sind eine lebensgefährliche Krankheit, die von Pockenviren ausgelöst wird. Über die Krankheit werde ich an dieser Stelle nicht berichten; die Pocken gelten glücklicherweise als ausgerottet.

In Deutschland gab es den letzten Pockenfall im Jahr 1972. Der letzte tragische Todesfall ereignete sich 1978 in Großbritannien; die vierzigjährige Janet Parker erkrankte und verstarb an Pockenviren aus einem britischen Labor.

Durch ein weltweites Impf- und Bekämpfungsprogramm der WHO und anderer Gesundheitsorganisationen wurde die Welt am 8. Mai 1980 – vor 40 Jahren –  von der WHO für pockenfrei erklärt. In Deutschland war die Pockenimpfung von 1967 bis 1976 gesetzlich vorgeschrieben. Nur noch in zwei international überwachten Laboren existieren Pockenviren – in Atlanta, USA, und in Koltsovo, Russland. Die Viren werden dort aufbewahrt (was kontrovers diskutiert wird), damit Impfstoffe hergestellt werden können, falls die Krankheit jemals wieder auftritt.

Das Land Lippe erließ zur Bekämpfung der Pocken 1799 eine landesherrliche Verordnung. 1809 und 1822 folgten weitere Verordnungen mit sehr detaillierten Bestimmungen. Beim Lesen erkennt man Einiges wieder, was auch heute in Bezug auf das Coronavirus von staatlichen Institutionen geregelt wird. Erstaunlich, wie weitreichend und weitblickend damals die Verantwortlichen in Lippe entschieden haben. In der Verordnung von 1822 ist die Rede von „Verpflichtung zur Impfung“, „Ausnahmen von der öffentlichen Impfung“, „Bestrafung der Renitenten und Aufwiegler“ sowie der „Controle der geschehenen Impfung mittelst Annahme zum Schul- und Religions-Unterricht bei den Einländern“ und „Controle bei den Ausländern“. Ich verweise zu diesem Thema auf den interessanten Beitrag aus dem Stadtarchiv Lemgo: https://www.stadtarchiv-lemgo.de/digitale-angebote/blattern-in-lemgo-und-lippe/ 

Bild: Die Impfstube (1857), von Reinhard Sebastian Zimmermann, via Wikimedia Commons. Das Original hängt im Zeppelin-Museum Friedrichshafen.


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