21. August 2019 | Blog | Christine Rühling

… um den „Diffamanten“ das „Maul“ zu stopfen…

Zu diesem Zweck ließ Simon VI. (1554-1613) die Schrift „Deduction, was sich Anno [15]99 bei domals jüngst fürgewesenes Reichs Expedition von Anfangs bis zu endt derselbigen allenthalben zugetragen…“ (Mscr 22) erstellen. Die von uns nun digitalisierte Handschrift ist Zeugnis einer gezielten Image-Kampagne des lippischen Grafen. Dieser war im Zuge des spanisch-niederländischen Krieges 1599 als Kreisoberst des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises mit der militärischen Leitung eines Feldzugs gegen die Spanier betraut, die Gebiete im Westen besetzt hatten. Nach anfänglichen Erfolgen scheiterte jedoch die Belagerung der Stadt Rees, was in der Niederlage und der Auflösung der von Simon geführten Truppen resultierte.

Die im Nachgang geäußerte Kritik an seiner Führung wurmte den lippischen Grafen. Um sein angekratztes Image aufzupolieren, ließ er eine Rechtfertigungsschrift verfassen, die seine Sicht der Dinge schilderte: Er formulierte gleich zu Beginn die Absicht, über den „ganze[n] Verlauf der gehaltenen Expedition Rede und Antwort zu geben“. Adressiert wurde als wichtigste Person der Kaiser Rudolf II., dem gegenüber Simon seinen guten Namen wieder herstellen wollte. Darüber hinaus formulierte er das Ziel, dass seine „Unschuld eurer kaiserlichen Majestät und der ganzen Welt bekannt werde“. Kein einfaches Vorhaben, wenn man bedenkt, dass Simon sich hier noch dem Medium der handschriftlichen Vervielfältigung bediente: Der Lippische Archivar August Falkmann weiß von fünf Exemplaren zu berichten: Am 2. Januar 1601 schickte Simon den Bericht an Rudolf II., im März folgten weitere Abschriften an die vier rheinischen Kurfürsten. Weitere Exemplare sind wahrscheinlich. Die von uns digitalisierte Handschrift sendete der lippische Graf mit hoher Wahrscheinlichkeit an seinen Vertrauten, den Bremer Superintendenten Christoph Pezel (1539-1604). Die Schrift trägt auf der Titelseite den Besitzvermerk seines Sohnes Caspar Pezel (1573-1634), der Gräflicher Rat und Bibliothekar in Simons Diensten war und über dessen Nachlass zahlreiche Werke des Vaters in die Detmolder Bibliothek gekommen sind.

Bei Falkmann ist darüber hinaus dargestellt, dass Simon noch lange um die Wiederherstellung seines Ansehens bemüht war: So war er mit verschiedenen Autoren im Kontakt, die ihm zusagten, seine Darstellung des Feldzugs zu verbreiten. Pezel senior etwa plante in Bezug auf die gescheiterte Reichsexpedition publizistische Schützenhilfe. In einem Brief an ihn schrieb Simon am 10. Februar 1603: Dass „wir aber nach der Continuation des Historici mellificӱ [ein Buch Pezels] ein groß Verlangen tragen, damit unsere Sache wegen der vorgewesenen Reichsexpedition […] durch den öffentlichen Druck ans Licht gebracht und jedermann bekannt“ werde (LAV Abt. OWL, L 16 Nr. 200, fol. 42). Noch 1603 war Simon – wohl auch vor dem Hintergrund anhaltender Auseinandersetzungen um Kriegskosten und Zahlungen –  bestrebt, seine Sicht der Dinge „ans Licht“ zu bringen– diesmal im Medium des auflagestärkeren gedruckten Buches. In Pezels Fall kam ihm allerdings das Schicksal in die Quere: Dieser starb, bevor er seine Absicht in die Tat umsetzen konnte.

Machen Sie sich selbst ein Bild von Simons Rechtfertigungsschrift:

[Die Orthographie der Quellen wurde der modernen Schreibweise angepasst; Literatur: A. Falkmann, Beiträge zur Lippischen Geschichte, Bd. 5, S. 96, 100 u. 112 f.; J. Arndt: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Köln u.a. 1998]


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