Gewisses Aufsehen haben die Ergebnisse des Lernatlas der Bertelsmann-Stiftung hier im Kreis Lippe erregt — steht der Kreis doch in der „Vergleichsgruppe“ der „Kreise im verdichteten Umland“ an letzter Stelle in Deutschland. Es mögen sich berufenere Köpfe dazu äußern, wie die vorgelegten Zahlen denn zu den Bildungs- und Lernbedingungen bei uns passen, hier möchte ich nur die Frage stellen, wie Lippe bei den Bibliotheken abschneidet.
Die Lippe-Auswertung erhält man übrigens, indem man auf der Webseite www.deutscher-lernatlas.de „Lippe, Landkreis“ in den Suchschlitz eingibt; auf der Ergebnisseite kann man dann unsere Zahlen als PDF runterladen oder auch direkt auf der Seite betrachten. Bibliotheken und Museen hat Bertelsmann der vierten Dimension der Bildungsbedingungen, dem „Persönlichen Lernen“ zugeordnet. Nur ein Indikator betrifft Bibliotheken, nämlich im Bereich „Lernen durch Medien“, auf einer Höhe mit dem „Breitband-Internetzugang“, die Kennzahl „Nutzung von Bibliotheken (Entleiher je 100 Einwohner)“. Laut Bertelsmann gibt es 6 Entleiher pro 100 Einwohner bei uns; aber knapp 7 im NRW-Durchschnitt, 7,6 im Durchschnitt der Vergleichsgruppe und knapp 8 im Bundesdurchschnitt.
Da Lippe rund 350.000 Einwohner hat, komme ich auf eine absolute Zahl von rund 21.000 „Entleihern“ in Lippe. Man muss in den Gesamtbericht (pdf) sehen, um zu erfahren, was diese Zahl bezeichnet (S. 64):
Die „Nutzung von Bibliotheken“ zeigt den Anteil (in %) der aktiven
Nutzer (Entleiher) der öffentlichen Bibliotheken eines Kreises
an den Einwohnern zwischen 6 und 65 Jahren. Die Daten
liegen für das Stichjahr 2009 auf der Ebene der Kreise vor.
Jetzt darf man rätseln, ob Bertelsmann „Öffentliche“ Bibliotheken oder „öffentlich zugängliche“ Bibliotheken gemeint hat. Der Begriff „Öffentliche Bibliothek“ ist nämlich bibliothekarische Fachsprache und bezeichnet die Stadt- und Gemeindebüchereien, im Unterschied zur „Wissenschaftlichen Bibliothek“ und zur „Spezialbibliothek“. Die Lippische Landesbibliothek ist, Überraschung, keine Öffentliche Bibliothek im Sinne der bibliothekarischen Fachsprache. Fließt unser Beitrag in den Lernatlas überhaupt mit ein?
Vermutlich nicht. Für Lippe haben wir die öffentlich zugänglichen Bibliotheken als Linksammlung zusammengestellt, hier. [Nicht mehr online.] Wenn ich mir die Mühe mache, aus der Deutschen Bibliotheksstatistik die Entleiher in den Öffentlichen Bibliotheken zu addieren und unsere Zahlen hinzuzufügen — welche Bibliothek, wenn nicht wir, verbessert denn die Bedingungen des persönlichen Lernens in Lippe? — dann komme ich für 2009 auf eine Zahl von ungefähr 29.000 Entleiher (wobei hier die Stadtbücherei Julie Hirschfeld in Horn-Bad Meinberg noch fehlt)! Die Zahl nimmt keine Rücksicht auf das Alter, aber da die Deutsche Bibliotheksstatistik keine Nutzungszahlen auf das Alter bezogen bereitstellt, würde es mich schwer wundern, wenn Bertelsmann altersbezogene Zahlen zur Verfügung gehabt hätte.
29.000 Entleiher in Lippe, das sind 8,2 je 100 Einwohner — aber halt, müssen wir nicht wenigstens die Einwohnerzahl nach Alter differenzieren? Schließlich hat Bertelsmann definiert, man müsse die Einwohner zwischen 6 und 65 betrachten. Lt. Bericht der Bezirksregierung Detmold (pdf) [Nicht mehr online] waren 2008 knapp 25% der Einwohner im Regierungsbezirk Detmold über 60 Jahre alt, also wird man wohl konservativ schätzen dürfen, dass 20% der Einwohner des Kreises Lippe im Jahre 2009 über 65 waren. Das heißt, von den 350.000 Einwohnern dürfen nur 280.000 berücksichtigt werden, und zu diesen müssen wir unsere Zahl von 29.000 Entleihern in Beziehung setzen. Nun liegen wir bei etwas über 10 Entleihern pro 100 Einwohner: Deutlich besser als der Bundesdurchschnitt.
Aber habe ich jetzt eine Einschränkung vorgenommen, die Bertelsmann selbst so nicht vorgenommen hat? Hat Bertelsmann auch nur die 280.000 Lipper unter 65 betrachtet? Aber dann würden 6 Entleiher pro 100 Einwohner ja nur 16.800 Entleiher in Lippe absolut bedeuten? Gegenüber 29.000 Entleihern laut Bibliotheksstatistik?
Da bleibt nur das Fazit: Für die Bibliotheken im Kreis Lippe überzeugen die Bertelsmann-Zahlen nicht!