So zwei Verse aus einem Gedicht über das »Schloss in Detmold«. Wir konnten jüngst eine handgeschriebene Fassung bei Schmolt erwerben, eigentlich als Beilage zu einem Brief von Julius Rodenberg (1831-1914), dem Herausgeber der Deutschen Rundschau, an einen belgischen Buchhändler. Rodenberg schreibt aus Berlin nach Brüssel an die Muquardtsche Hofbuchhandlung am 15. Juni 1880, offenbar in Vorbereitung einer Reise nach Belgien anlässlich eines Ereignisses, das er besuchen will, mit der Bitte um Literatur über Belgien.
Brief und Beilage sind samt Transkription in unserem Portal online: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:51:1-31647 ; die Neuerwerbung hat bei uns die Signatur Autogr 584.
Hier ist der ganze Gedichttext unseres Autographs:
Das Schloß in Detmold.
Heut, wo mit Festesglanze
Sich schmückt der Lipper Gau,
Sei Dein im Ehrenkranze
Gedacht auch, alter Bau;
Ehrwürdiges Gemäuer,
Geziert mit Bildwerk dicht,
Um das sich Efeu treuer
Nicht, als Erinn’rung flicht!Du, das in Krieg u. Stürmen
Manch’ ein Jahrhundert stand:
Heut klingt von Deinen Thürmen
Ein Freudenlaut in’s Land.
Heut wallt durch Deine Räume
Der Vorzeit edler Geist,
Da sich den kühnsten Träumen
Endlich Erfüllung weist.Auch das ist eine Stätte,
Wo noch das Edle spricht
Vom Volke, das die Kette
der Fremdherrschaft zerbricht;
Ein freundlich Grüßetauschen
Das hin und wider schallt.
Als wär’s ein Blätterrauschen
Vom Teutoburger Wald.Indessen dort dem Helden
https://digitale-sammlungen.llb-detmold.de/llb_transkript/content/pagetext/10013153
Sich hebt das Mal von Erz,
Hält Zwiesprach mit Thusnelden
Hier einer Fürstin Herz;
Sie, die noch solche Hoheit
Im tiefsten Unglück zeigt,
Daß selbst des Corsen Rohheit
Vor ihr sich huld’gend neigt.
Klarerweise sind Brief und Gedicht nur zufällig zusammen, da sie a) inhaltlich nicht zusammen passen, b) zeitlich nicht zusammen passen und c) nicht erkennbar ist, warum Rodenberg das Gedicht an einen belgischen Buchhändler schicken würde. Vielleicht stammen beide aus dem Besitz desselben Autographensammlers, der sie zusammengesteckt hat, weil es sich um eigenhändige Stücke desselben Promis handelt, nämlich Rodenberg. Auf jeden Fall hat die Handschrift Reinschriftcharakter.
Die Handschrift wirkt unvollständig — weil sie unvollständig ist. Das Gedicht stammt von Rodenberg selbst und wurde 1875 in dem von Ludwig Menke illustrierten Prachtband Das Hermannsdenkmal und der Teutoburger Wald veröffentlicht; hier in unserem Portal die entsprechende Seite. Bei Wikisource auch eine Transkription. Man sieht beim Vergleich, dass unsere Handschriftfassung deutlich abweicht. Ich stelle die Abweichungen nachfolgend nebeneinander. Ich habe eine Strophenzählung eingefügt:
Das Schloß in Detmold.
(1)
Heut, wo mit Festesglanze
Sich schmückt der Lipper Gau,
Sei Dein im Ehrenkranze
Gedacht auch, alter Bau;
Ehrwürdiges Gemäuer,
Geziert mit Bildwerk dicht,
Um das sich Efeu treuer
Nicht, als Erinn’rung flicht!
(2)
Du, das in Krieg u. Stürmen
Manch’ ein Jahrhundert stand:
Heut klingt von Deinen Thürmen
Ein Freudenlaut in’s Land.
Heut wallt durch Deine Räume
Der Vorzeit edler Geist,
Da sich den kühnsten Träumen
Endlich Erfüllung weist.
(3)
Auch das ist eine Stätte,
Wo noch das Edle spricht
Vom Volke, das die Kette
der Fremdherrschaft zerbricht;
Ein freundlich Grüßetauschen
Das hin und wider schallt.
Als wär’s ein Blätterrauschen
Vom Teutoburger Wald.
(4)
Indessen dort dem Helden
Sich hebt das Mal von Erz,
Hält Zwiesprach mit Thusnelden
Hier einer Fürstin Herz;
Sie, die noch solche Hoheit
Im tiefsten Unglück zeigt,
Daß selbst des Corsen Rohheit
Vor ihr sich huld’gend neigt.
Das Schloß zu Detmold.
(1)
Heut, wo mit lautrem Glanze
Sich schmückt der Lipper-Gau,
Sei Dein im Ehrenkranze
Gedacht auch, Fürstenbau!
Du grauer, burgengleicher,
Bejahrt, und dennoch jung:
Du, nicht an Bildwerk reicher,
Als an Erinnerung!
(2)
Von Söller und Altane,
Gewöhnt an Krieg und Sturm,
Weht heut die Friedensfahne
Zum Festgeläut vom Thurm.
Es wandelt durch die Hallen
Der Geist der Vorzeit heut,
Der deinen Gästen allen
Ein froh Willkommen beut.
(3)
Gegrüßt, ihr Herrn, zur Feier,
Zum Tag, den Gott geschickt,
Da Hermann, der Befreier,
Sein Werk vollbracht erblickt.
Euch grüßt an dieser Stätte
Ein sanfter Laut wol auch,
Als ob das Echo hätte
Geweckt ein Geisterhauch.
(4)
Denn während dort dem Helden
Sich hebt das Mal von Erz,
Hält Zwiesprach mit Thusnelden
Hier eines Weibes Herz;*
Wer sagt, was sie gelitten,
Was sie, voll Weh, durchlebt,
Als von des Corsen Schritten
Des Schlosses Grund erbebt?
(5)
Von Efeu wird umsponnen
Des Fensters steinerner Rand;
Doch dringt ein Strahl der Sonnen
Heut durch die Blätterwand,
Daß dieses Tags ein Schimmer
Der Fürstin Stirn bescheint,
Die fest und treu für immer
Mit ihrem Volk vereint.
(6)
Und horch! – ein heimlich Tauschen
Durch Saal und Wölbung schallt,
Als wär’s ein Blätterrauschen
Vom Teutoburger Wald.
Und leiser wird’s und leiser …
Und vor Paulina’s Bild
Tritt still der deutsche Kaiser,
Wehmuth ergreift ihn mild.
(7)
Manch Bild aus fernen Zeiten
Vorbei der Tag ihm führt;
Und viel Gestalten schreiten
An ihm dahin – doch rührt
Ihn keine so wie diese;
Ob er wol, traumversenkt,
Der Königin Luise,
Der Mutter hier gedenkt?
(8)
Heil, edelster der Gäste,
Heil, Kaiser Wilhelm Dir!
Und Heil Dir, Haus und Veste,
Du Detmold’s alte Zier!
Umringt vom Wälderschoße,
Drin Deutschlands Feind zerschellt,
So blüh, Du rothe Rose,
Lang noch im Silberfeld!
*(Erläuterung) Im Weißen Zimmer des Schlosses befindet sich, unter Anderen, die marmorne Bildsäule der Thusnelda und die Marmorbüste der unvergeßlich im Herzen ihres Volkes lebenden Fürstin Paulina, welche, für ihren Sohn Leopold die vormundschaftliche Regierung führend, sich 1807 genöthigt sah, dem Rheinbunde beizutreten.