Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Lippischen Landesbibliothek hat kürzlich die Restaurierung von drei Frühdrucken der Landesbibliothek übernommen. Die Bände wurden in der Restaurierungswerkstatt der Buchbinderei Köster in Marburg restauriert.
1. Werner Rolevinck: Fasciculus temporum
Druck von Johann Veldener, Utrecht, 1480 (nachgewiesen 1478-1481)
G 636 Ink.
Der Kartäusermönch Werner Rolevinck schrieb das historiographische Werk, den Fasciculus temporum, in der Kartause St. Barbara in Köln in der Zeit um 1470. Es handelt sich um eine knappe synoptische Darstellung der Weltgeschichte, die bis ins 16. Jh. eines der führenden Nachschlagewerke blieb – ein Bestseller des lateinischen Spätmittelalters, auch ins Deutsche, Französische und Niederländische übersetzt. Personen und Ereignisse der Geschichte sowie die mit ihnen eng verbundenen Daten werden didaktisch geschickt, z.B. mit graphischen Stilmitteln (Stammbäume), verschiedenen Schriftbildern und Illustrationen, vermittelt und erschließen die Geschichtsdarstellung einer breiten Leserschaft seiner Zeit.
Der Drucker Johann Veldener stammte ursprünglich aus Würzburg, druckte zunächst in Löwen und übersiedelte um 1477/1478 nach Utrecht. Aus seiner Offizin stammt die vorliegende niederländische Fassung des Fasciculus temporum. Sie gehörte vormals Luise Christine von Brederode, geb. Gräfin zu Solms (1606-1669).
Der Pergamenteinband, auf sechs Bünde geheftet, war vom Buchblock gelöst. Einzelne Seiten waren lose, an den Rändern vielfach eingerissen und beschädigt. Sie wiesen alte Reparatursünden mit Klebestreifen auf. Der Band wurde jetzt neu gebunden, die lädierten Seiten wurden angefasert und lassen sich nun wieder blättern.
Abgebildet ist die an allen Rändern lädierte erste Seite vor der Restaurierung.
2. Horaz, Poemata omnia
Druck von Andreas Cratander, Basel, 1520
Ph 991 Simon
Diese lateinische Ausgabe der Werke des Horaz ist mit Anmerkungen des berühmten Humanisten Aldus Manutius (1449-1515) versehen. Beigefügt ist eine Abhandlung von Nicolaus Perotius über das Metrum der horazischen Oden.
Der Druck ist eine Nachahmung der Aldinen, einer in der venezianischen Druckerpresse von Aldus Manutius seit 1490 hergestellten Reihe kleinformatiger, preisgünstiger Drucke griechischer und lateinischer Texte des Altertums. Ihr wichtigstes Kennzeichen ist die Verwendung der Kursivschrift, die zu diesem Zeitpunkt in Venedig erfunden worden war und speziell für den Klassiker-Druck verwendet wurde.
Der Baseler Drucker Andreas Hartmann (Cratander = Hartmann) gab neben humanistischen Unterrichtswerken, zeitgemäßen Ausgaben griechischer Medizin und Klassikern (Aristophanes, Cicero, Horaz) vor allem Schriften Luthers und anderer Reformatoren heraus. Bis 1536 erschienen bei ihm ca. 220 Drucke in lateinischer und griechischer, nur wenige in deutscher Sprache.
Das Exemplar der Landesbibliothek weist mehrere Herkunftseintragungen und Eintragungen am Text mit Tinte von verschiedenen Händen auf. Es ist als Gebrauchsexemplar nicht nur von einem einzelnen Leser genutzt worden.
Der Band war stark restaurierungsbedürftig. Das Bezugsleder hatte sich völlig von den Buchdeckeln gelöst. Die Spiegel, mit denen der Buchblock an den Holzdeckeln angeklebt war, waren abgelöst, so dass das Holz bloß lag. Titelblatt und erste Lage des Buchblocks waren lose; zahlreiche vordere und hintere Blätter eingerissen, zerknickt und verschmutzt. Der Band ist gründlich gereinigt worden, lose Seiten wurde angefasert und wieder bindefähig gemacht. Das grobnarbige Schweinsleder wurde den vorhanden Resten farblich hervorragend angepasst, so dass der Band jetzt wieder griffig und benutzbar ist.
3. Biblia
Druck von Sigmund Feyerabend, Frankfurt am Main, 1565
Th 80.2° Ink.
Den Wittenberger Bibeldruckern, die seit Luthers Tod 1546 als Hüter und Wahrer des unverfälschten Lutherschen Bibeltextes auftraten, entstand seit 1559 eine ernsthafte Konkurrenz in Frankfurt am Main. Sigmund Feyerabend (1528-1590) begründete dort ein leistungsfähiges Verlagsunternehmen. Der Verlag produzierte theologische und juristische Literatur für den gesamteuropäischen Markt, hatte aber vor allem großen Erfolg mit reich illustrierten Werken für deutsche Leser.
Ab 1564 ließ Feyerabend die Bibel mit Illustrationen von Jost Amman (1539-1591) erscheinen, der in der Folge zum bedeutendsten und beliebtesten Buchillustrator Deutschlands wurde. In den Jahren 1563 bis 1590 lieferte er etwa 2000 Titelblätter und Buchholzschnitte an Feyerabend. Zur Bibelausgabe von 1564 trug Amman insgesamt 144 Holzschnitte bei.
Schon 1565 verlegte Feyerabend eine Neuauflage der Amman-Bibel. Das Exemplar der Landesbibliothek von dieser Ausgabe stammt aus dem Besitz des Grafen Simon VII. zur Lippe. Der mit nur wenigen Streicheisenlinien verzierte dunkle Schweinslederband war restaurierungsbedürftig. Der rückwärtige Holzdeckel war durch Wurmfraß so zerlöchert, dass er brüchig und instabil im Einbandleder hing. Die Schließen waren verloren.
Der nun restaurierte Band hat wieder die einstige Festigkeit, die die Handhabung seines großen Gewichts ermöglicht. Die Schließen wurden nach vorliegenden Mustern ergänzt. Auch der mit Punktstempeln schön verzierte Goldschnitt ist nun wieder zu bewundern.