20. April 2022 | Blog | Joachim Eberhardt

Lortzing, der Zar und der Ukrainekrieg

Das St. Galler Tagblatt meldete am 11.4.:

Wegen Putins Angriffskrieg: Musiktheater Wil sagt Stück über russischen Zaren ab – der Direktor erklärt sich. Das Musiktheater Wil erachtet eine Aufführung der komischen Oper «Zar und Zimmermann» zum heutigen Zeitpunkt als nicht angemessen. Das Wort «Zar» sei ein Reizwort, sagt der Präsident. Man wolle keine Grabenkämpfe.

Quelle: https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/wil/kontroverse-wegen-putins-angriffskrieg-musiktheater-wil-sagt-stueck-ueber-russischen-zaren-ab-der-direktor-erklaert-sich-ld.2275184

Was soll man davon halten? Die Wiler Begründung ist etwas ausführlicher (derzeit auf der Startseite https://musiktheaterwil.ch/ ) zu lesen:

Mit dem Verzicht, «Zar und Zimmermann» aufzuführen, will MUSIKTHEATERWIL ein klares Zeichen gegen den Krieg und die russischen Kriegshandlungen in der Ukraine setzen. Mit der Figur von Zar Peter im Titel des Werks wäre die Verbindung zu Russland immerzu im Fokus der Wahrnehmung. Davon wollen wir uns distanzieren und Mitwirkende, Publikum und Sponsoren vor einem Gewissenskonflikt und MUSIKTHEATERWIL vor einem Imageschaden schützen.

Tja, stimmt das? Kann ich als Kulturrezipierent wie ein Pawlowscher Hund beim Wort „Russland“ nur noch an das Eine denken, selbst wenn Lortzings Theaterzar dem ferner ist als eine Tschechow-Novelle? Und welche impliziten Annahmen stecken in dem Wunsch des Theaters, mich vor einem Gewissenskonflikt zu schützen, indem mir Zar und Zimmermann nicht gegeben wird?

Wie dem auch sei: dies ist sicher das leichteste Opfer, das dieser Unrechtskrieg der Kultur abverlangt.


Schreiben Sie einen Kommentar