10. April 2018 | Blog | Joachim Eberhardt

Geschichten aus dem Altbestand: Wann kam „Così fan tutte“ nach Detmold?

Das Rätsel präsentierte sich durch die Anfrage eines Forschers: In unserem Bestand befindet sich eine Partitur und Stimmen von Mozarts Così fan tutte (Mus-n 156), die laut zugehörigem RISM-Eintrag zwischen 1810 und 1820 durch Abschrift entstanden sein soll. Als Hersteller ist die Bonner Kopistenwerkstatt von Nikolaus Simrock in der Partitur vermerkt. Doch John D. Wilson, der an der Universität Wien zur Musikbibliothek des Bonner Hofes zur Zeit des Kurfürsten Maximilian Franz arbeitet, meint, die Partitur müsse früher geschrieben sein, und fragte daher an, was wir über ihre Herkunft wissen. Die Antwort ist: nicht viel, denn die Besitzstempel des Fürstlichen Hoftheaters können erst nach dessen Gründung 1825 aufgebracht worden sein; andere Provenienzspuren gibt es nicht. Zwei Aufführungen der Bearbeitung „Der Zauberspiegel“ sind durch das Hoftheaterprojekt für April 1828 nachgewiesen.

John Wilson identifizierte daraufhin mithilfe des Wasserzeichens (siehe Foto) die Papiersorte als eine von zwei möglichen, die allerdings beide in Bonn in den Jahren 1789-1792 gebraucht wurden, und erkannte auch die Schreiberhand als eine von denen, die in Simrocks Kopistenbetrieb um 1790 gearbeitet haben. Er kam also zu dem Schluss, die Partitur sei vor 1794 in Bonn hergestellt worden. Wie kam sie dann nach Detmold? Wilson bietet zwei Theorien an: Die Partitur könnte vom Detmolder Hof bereits so früh gekauft worden sein, oder sie könnte einen nicht eingetragenen Vorbesitzer gehabt haben, z.B. aus der Bonner kurfürstlichen Sammlung stammen. Dort soll es ein Exemplar gegeben haben, dass aber nicht mehr im Bestand ist.

Mir scheinen beide Möglichkeiten kaum wahrscheinlich. Gegen die zweite spricht vor allem, dass es keine weiteren Provenienzspuren gibt und keine überzeugende Geschichte, wie das Stück dann ans Hoftheater nach Detmold gekommen sein sollte. Gegen die erste spricht, dass vor der Gründung des Hoftheaters niemand in Detmold war, der Interesse daran gehabt haben könnte, einen Bestand von Spielmaterialien aufzubauen.

Es ist denkbar, dass der Prinzipal der Truppe bei der Einrichtung nach dem Bau des Hoftheatergebäudes 1825, also August Pichler, etwas mitbrachte an Besitz; ich habe bei Hans Georg Peters (Vom Hoftheater zum Landestheater: die Detmolder Bühne von 1825 bis 1969, S. 26) gelesen, dass er  bei seiner Festanstellung seinen „Fundus“ dem Theater zur Verfügung zu stellen hatte. Über Pichler selbst lese ich bei Peters, S. 18-19, dass er in Wien 1771 geboren wurde, Buchdrucker lernte, von Kotzebue entdeckt „den Weg zum Theater fand“ und „nach Streifzügen durch Österreich und Süddeutschland“ um „um die Jahrhundertwende“ drei Jahre als Hofbuchdrucker in Bayreuth zuzubringen. Danach habe er die Theaterleitung in Bayreuth und in Bamberg übernommen. „1810 kommt er mit einer eigenen Truppe zum erstenmal auch nach Norddeutschland“. Ob es realistisch ist anzunehmen, dass Pichler das Aufführungsmaterial nach Detmold mitbrachte, kann ich nicht beurteilen.


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