Veranstalter: Forum Vormärz Forschung e.V. und Grabbe-Gesellschaft e.V. in Verbindung mit der Lippischen Landesbibliothek Detmold
Ein halbes Jahr vor seinem frühen Tod am 30. Juli 1856 schrieb Weerth: “ … meine ganze Natur ist Anti-Philister, und in den Jahren, wo gewöhnlich Schriftsteller erlöschen, werde ich erst die Bühne besteigen, und, ich weiß es, mit Erfolg.“ Diese Selbstgewissheit des vergessenen und verkannten Vormärzpoeten kann als Prognose für die um ein Jahrhundert verzögerte Rezeption seiner überlieferten Werke gelesen werden; sie steht zugleich im Widerspruch zu jener Funktionskrise, die aus der Verknüpfung seiner literarischen Produktion mit dem Demokratieprojekt von 1848 resultierte: 1851 sah Weerth wereder „Zweck“ noch „Ziel“ für seine satirisch-humoristische Schreibweise – angesichts veränderter politischer Rahmenbedingungen und seines Publikums aus Philistern und „vaterländischen Fratzen“: „Meine Tätigkeit ging entschieden mit der ‚Neuen Rheinischen Zeitung‘ zugrunde“, schrieb er an Marx.
Ist die satirische Schreibweise, die Weerth in verschiedenen Genres (Lyrik, Prosaskizzen, Roman, Reisebericht, Korrespondenz) – parallel zu neuen Formen der politisch-sozialen Faktographie – entwickelt und praktiziert, gebunden an eine besondere politische Konstellation, an spezifische Möglichkeiten medialer Vermittlung und an eine durch diese Faktoren bestimmte gesellschaftliche Gruppenbildung und Mentalität? Analysen seiner Lyrik, seiner „Humoristischen Skizzen“ und seines „Schnapphahnski“-Romans sollen u.a. den Stellenwert dieser Determinanten genauer bestimmen.
Sind Heine und Weerth Repräsentanten der um die politische Dimension erweiterten, von Schiller als zeitgemäß definierten „idealistisch-utopischen“ Satiretradition oder doch Solitäre, die gesellschaftliche Negation und soziale Utopie in ihren Schriften zur operativen Einheit bringen und zugleich aufheben, indem sie im Schreibakt (durch Ironie, Humor etc.) individuelle Freiheit gegenüber der Geschichte, im Hegel’schen Sinn, behaupten? Ein Rückblick auf Satiretheorien soll dominante Positionen beschreiben und zum Vergleich anbieten.
Wie lassen sich gegenüber diesen Erben von Juvenal plus Horaz die Positionen zeitgenössischer Autoren bestimmen? Mit Börne, Glassbrenner, Grabbe, Heine, Nestroy, Prutz und Saphir werden – auch regional unterschiedlich gebundene – Autoren, ihre satirischen Werke und Schreibweisen exemplarisch beleuchtet. Ihr Stellenwert in der bisherigen Literaturgeschichtsschreibung soll – im Vorfeld der Einzelvorträge – in einem Überblicksvortrag zu Satiren und Satirikern der Restaurationsperiode dargestellt werden; hier wäre auch zu thematisieren, welche Rolle jüdische Satiriker im deutschen Vormärz und März spielten und ob Satirikerinnen einen (noch unbekannten) Abteil daran hatten.
In welchem Maße bestimmen neue Meiden (Politische Journale, Satirische Blätter, Flugblätter, Affiches etc.) und die Verknüpfung von Text und Karikatur die Attraktivität und Wirksamkeit der Satire im Vormärz und politisch korrekter Humorproduktion im Nachmärz? An einigen Autoren soll dieser Politik- und Mentalitätswechsel näher untersucht werden.
Programm
Freitag, 16.6.2006 | |
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14 Uhr | Begrüßung |
14.30 Uhr | Norbert Eke (Paderborn): Politische Dramaturgien des Komischen. Satire und Ironie im Drama |
Kaffeepause | |
15.45 Uhr | Claude Conter (Luxemburg, L): Formen der Personalsatire im Umfeld von Herrmann Fürst von Pückler-Muskau |
16.45 Uhr | Inge Rippman (Basel, CH): Wahlverwandtschaften oder Standesgeist? Der andere Lichnowsky (Miszelle) |
Kaffeepause | |
17.15 Uhr | Inge Rippman (Basel, CH):Börnes „Heringssalat“. Eine Abrechnung |
Pause | |
18.30 Uhr | Eröffnung der Weerth-Ausstellung der Lippischen Landesbibliothek zum 150. Todestag „Hätt ich Siebenmeilenstiefel, da wüßte ich, was ich täte!“ Ein Leben auf Reisen |
19.30 Uhr | „… in sehr honetter Begleitung“. Karin Füllner singt Weerth- und Heine-Vertonungen, am Klavier begleitet von Helmut Götzinger |
Sonnabend, 17.6.2006 | |
9.30 Uhr | Olaf Briese (Berlin): Der Ritter. Spuren eines literarischen Auslaufmodells |
10.30 Uhr | Raphael Hörmann (Glasgow, IRL): „Ja, vorüber war die große kölnische Domfarce“. Die bourgeoise Revolution als „lumpige Farce“ und die proletarische Revolution als „große Tragödie“ bei Weerth, Marx und Büchner |
Kaffeepause | |
11.45 Uhr | Fritz Wahrenburg (Paderborn): Schnapphahnski vs. Piepmeyer. Satire als Text und Karikatur bei Georg Weerth und Johann Hermann Detmold |
Mittagspause | |
14.30 Uhr | Bernd Füllner (Düsseldorf): Blödsinn deutscher Zeitungen. Weerths satirische Textkritiken in der Neuen Rheinischen Zeitung |
15.30 Uhr | François Melis (Berlin): „ich […] möchte […] im wilden Bacchantentanz Bavay und Flamenthum vergessen“. Humor, Satire und Ironie bei Weerth in seinen Zeitungsartikeln im Revolutionsjahr 1848 |
Kaffeepause | |
16.45 Uhr | Michael Perraudin (Sheffield, GB): Der Satiriker als Elegiker. Zu Weerths Blumenfest der englischen Arbeiter’ |
17.45 Uhr | Führung durch die Weerth-Ausstellung der Lippischen Landesbibliothek (Julia Freifrau Hiller von Gaertringen) |
Pause | |
19.30 Uhr | „Was soll ich Ihnen erzählen?“ Eine unterhaltsame Zeitreise mit dem Musikalisch-Literarischen Quartett und Dr. Peter Schütze (Aula der Schule am Wall) |
Sonntag, 18.6.2006 | |
10.15 Uhr | Florian Vaßen (Hannover): „Rötlich strahlt der Morgen…“. Karikatur und Satire in Georg Weerths Szenen und Portraits ‚aus dem deutschen Handelsleben’ |
11.15 Uhr | Michael Vogt (Bielefeld): Biblische Keuschheit im satirischen Gegenlicht. Georg Weerth Gedicht Herr Joseph und Frau Potiphar |
Kaffeepause | |
12.30 Uhr | Abschlussdiskussion |