09. November 2020 | Blog | Christine Rühling

Briefe aus der Fürstin Feder (3): (Un-)Sitten in Hiddesen

„Dann soll in Hiddesen eine höchst verwerfliche Dirne Luise Ribbentropp sein, die gestern das dritte uneheliche Kind taufen ließ und zum Kirchenbuch angab, bei der Obermühle von einem Unbekannten überfallen zu sein – man wünschte, daß dieses Weibsbild nicht der gesetzlichen Strafe entzogen werde“.

In Hiddesen zog die Unzucht ein, davon berichtet Fürstin Pauline zur Lippe (1769-1820) ihrem Vertrauten Friedrich Simon Leopold Petri (1774-1850). Die Fürstin zeigt sich überaus besorgt über die „Schändlichkeiten“, die ihr zu Ohren gekommen sind: Etwa der Fall der Frau des Boten Brax, die ihren Mann betrogen und einen Papiermachergesellen in ihr Haus gelockt haben soll; sie habe mit ihm „solche viehische Schändlichkeit verübt, dass die Kinder zusahen und es auf der Straße ausriefen.“ Empört bricht Pauline ab – „ist die Hälfte dessen wahr, was erzählt wird und womit ich meine Feder nicht besudeln mag, so müsste das ihrem Mann alles verkaufende Weib zur Haft kommen.“

In Lippe ist es mit der Moral nicht weit her, davon ist die Fürstin überzeugt. Besorgt bemüht sie die Statistik, um ihre These über den Einzelfall hinausgehend zu belegen: „Überhaupt nimmt in den nahen Dörfern um Detmold die Unsittlichkeit so abscheulich zu, dass in den letzten 3/4 Jahren von 139 Kindern 20 unehelich geboren sind, also das 7te Kind der Sünde angehört.“ In einer bemerkenswerten Wendung macht Pauline ihre Verwaltungsträger mit verantwortlich: „Das ist vorzügliche Folge des Beamten, der alles Gute zerknickt, und wir sind mit der Verantwortung schuldig, wenn die Greul fortdauern.“ Na, wenn das kein Arbeitsauftrag ist.

Vgl. zu diesem bemerkenswerten Brief: Slg 74 Nr. 1,31: →hier.

Pauline geht den hier beschriebenen Fällen höchst persönlich nach und zeigt auch eine Person an, die „bettele, trüglich borge und schändliche Liederlichkeit“ treibe: Slg 74 Nr. 1,32: →hier.

Es finden sich somit in den Briefen an Petri einige Beispiele, die verdeutlichen, wie entschieden die Fürstin ihre Amtsträger anhält, für Ordnung zu sorgen. Zu nennen sei noch der Fall der Tanzmeisterfamilie, die bettelnd durch die Gasthöfe gezogen sei. Paulines Urteil ist eindeutig: „daß die Musikantenfamilie weg muss“: Slg 74 Nr. 1,29: →hier.

Auch hier zeigt sich, wie überaus informiert Pauline über die Unsitten ihrer Landeskinder wacht. Wenn Sie weitere Einblicke in Paulines Regierungsführung haben möchten, finden Sie Paulines Briefe an Petri →hier.


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