„Da ich nur nach Mutterpflicht und Regentin Gewissen handele, das Meine weder suche noch schone, so rechne ich auf Gottes Beistand und fürchte nur das Gesundheitserliegen, nicht das Sinken des Mutes.“
(Zitat: →hier)
Mit diesen knappen Sätzen fasst Pauline zur Lippe (1769-1820) am 14. August 1819 die Motivation ihres Regierungshandelns zusammen: Als Vormundschaftsregentin bewahrt sie das kleine Fürstentum Lippe für ihren Sohn Leopold II. und fühlt sich verpflichtet, ihm ein geordnetes Staatswesen zu hinterlassen. Die von Pauline verwendeten Wörter sagen viel über ihr Rollenverständnis aus: „Pflicht“, „Gewissen“, „Gottes Beistand“, „Mut“. Pauline versieht ihre Rolle als Regentin mit Gewissenhaftigkeit und hohem Arbeitsethos, aber auch mit einem großen Selbstbewusstsein, das nicht nur Ausdruck ihres durchsetzungsstarken Charakters ist, sondern auch in ihrem adeligen Selbstverständnis gründet. Ihr Vertrauen auf „Gottes Beistand“ ist Ausdruck ihres frommen Glaubens: die Erfüllung der aufgegebenen Pflichten ohne eigene Vorteilsnahme und nach bestem Gewissen werden durch Gottes Hilfe belohnt. Die Furcht vor dem „Gesundheitserliegen“ erweist sich im Jahr 1819 schon fast als prophetisch: Pauline stirb im Dezember 1820 an einer Lungenentzündung. Kurz zuvor hat sie die Regierungsgeschäfte an ihren Sohn Leopold übergeben.
Das oben genannte Zitat stammt aus einem Brief Paulines an ihren Vertrauten, den Lippischen Regierungspräsidenten Friedrich Simon Leopold Petri (1774-1850). Anlässlich des Pauline-Jubiläumsjahres haben wir über 100 Briefe der Fürstin an Petri in unseren Digitalen Sammlungen veröffentlicht. Paulines Briefe sind in Kurrentschrift verfasst und nicht immer einfach zu entziffern. Deshalb haben wir sie mit Transkriptionen versehen, die Sie sich zusammen mit dem Digitalisat anzeigen lassen können. Die Herstellung der Abschriften wurde durch eine Vorlage erleichtert, die im Landesarchiv NRW Abt. OWL liegt und uns von den dortigen Kollegen zur Verfügung gestellt wurde. Dafür an dieser Stelle vielen Dank!
Zu den Briefen: →hier.
Wer war Friedrich Simon Leopold Petri?
Der spätere Lippische Regierungspräsident wurde am 2. Oktober 1774 in Lemgo geboren und stammt aus einer alteingesessenen Familie, deren Mitglieder über mehrere Generationen in der Lippischen Landes- und Kommunalverwaltung tätig waren. Nach einem Studium der Rechte in Göttingen war er von 1797 bis 1805 als Syndikus in Lage und ab 1805 als Stadtrichter von Lemgo tätig. Unter Pauline diente er ab 1810 als Kanzleirat und Regierungsassessor und ab 1814 als Regierungsrat. Die Briefe Paulines an Petri sind im Nachlass der Familie Petri überliefert, der im Landesarchiv NRW Abt. OWL (Signatur D 72 Petri, Familie) und in der Lippischen Landesbibliothek (Signatur: Slg 74) aufbewahrt wird. Die Briefe Paulines befinden sich seit Mitte der 1950er Jahre in der Bibliothek und waren zuvor in Besitz der Familie Petri. Sie umspannen den Zeitraum 1802 bis 1820, wobei der überwiegende Teil nach 1814 verfasst wurde. Die Briefe geben einen Einblick in die (Arbeits-)Beziehung zwischen der Fürstin und ihrem leitenden Beamten. Auf den ersten Blick erscheint das Bild ein wenig einseitig, sind doch hauptsächlich Briefe aus Paulines Feder überliefert. Schreiben Petris finden sich nur vereinzelt und immer dann, wenn Pauline diese kommentierend an den Absender zurückschickte. Dennoch: Aufgrund der verhandelten Themen, des Tons und der von Petri vorgebrachten Anliegen entsteht bei der Lektüre das Bild einer fruchtbaren Arbeitsbeziehung und eines Vertrauensverhältnisses, das auf beiden Seiten durch Sympathie und Respekt bestimmt war. Pauline überschrieb ihre Briefe – geschult in zeitgenössischer Verwaltungskunde – P. M. (pro memoria), im Bewusstsein, dass diese als „quasi“ Aktenstücke „zur Erinnerung“ aufzubewahren seien. Eine Forderung, die nicht nur Friedrich Simon Leopold Petri, sondern auch seine Nachfahren befolgten.
Briefe aus der Fürstin Feder: Eine neue Blog-Reihe zum Paulinejahr
Die Briefe Paulines sind auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär: Sie handeln zumeist von Vorgängen in der lippischen Verwaltung, von tagespolitischen Fragen, die von den Briefpartnern geklärt werden mussten. Nicht immer sind die Inhalte ohne weitere Kontexte verständlich. Dennoch: Eine Lektüre lohnt sich. Die Briefe geben einen Einblick, wie weit Pauline in das Regierungshandeln involviert war, vermitteln das Bild einer Herrscherin, die nicht nur die großen Linien lippischer Politik bestimmte, sondern bis ins kleinste Detail über die Vorgänge in ihrem Fürstentum informiert war – ein durchaus typisches Beispiel absolutistischer „Vielregiererei“. Darüber hinaus lassen sich Themenkreise benennen, die sich durch den Briefwechsel ziehen. Sie können als Anhaltspunkte für das Regierungsverständnis und typische (Charakter-)Eigenschaften der Regentin dienen. Manche Äußerungen regen in ihrer unverblümten Direktheit vielleicht auch nur zum Schmunzeln an.
In den kommenden Wochen werde ich in einer Reihe von Blog-Beiträgen einzelne Briefe, interessante Themen und Kuriosa vorstellen, die eine Einführung in das Brief-Korpus geben und zur Lektüre einladen sollen. Die im Blog genannten Zitate werden dabei zur besseren Lesbarkeit der modernen Orthographie und Zeichensetzung angepasst. Der Blog startet ungefähr zur selben Zeit wie die im Lippischen Landesmuseum gezeigten Ausstellung zu Pauline zur Lippe (Beginn: 31.10.2020; Infos: →hier)
Besuchen Sie doch das Museum und erfahren Sie mehr über die Fürstin und ihre Zeit!
(Die Angaben zu Friedrich Simon Leopold Petri habe ich entnommen: Ralf Schumacher: Findbuch D 72 Petri, Familie / Nachlass Familie Petri, in: Landesarchiv NRW Abt. OWL, →hier)