VIII. „Das Haus ist still, das Glas ist leer“

Rückkehr nach Deutschland 1868-1876

Im April 1867 erfolgt in der „Gartenlaube“ ein Aufruf zur Stiftung einer Nationaldotation für den Dichter im Exil.

Die Sammlung erbringt dank einer breiten Unterstützung eine Ehrengabe von fast 60.000 Talern. Familie Freiligrath tritt im Juni 1868 die Heimreise an. Nach Besuch seiner alten Wirkungsstätten Düsseldorf, Köln, Unkel, Rolandseck, St. Goar und Assmannshausen lässt Freiligrath sich in Cannstatt und Stuttgart nieder. Ab 1868 arbeitet er weiter an Übersetzungen und gibt Anthologien deutscher und englischer Literatur heraus. Eigene Dichtungen bleiben die Ausnahme. Neben Gelegenheitsgedichten entstehen Gedichte zur Reichsgründung (Hurra Germania).

Eine erste offizielle Ausgabe seiner Gesammelten Dichtungen in sechs Bänden erscheint 1871 bei Göschen in Stuttgart.

Seine letzten Jahre verbringt Freiligrath in Cannstatt, wo er am 18. März 1876 stirbt.

163
Ferdinand Freiligrath, Photographie, aufgenommen von EDUARD SCHULZ, Barmen, 1869
FrS B 79

164
Emil Rittershaus, Holzstich von Adolf Neumann, Leipzig, Keil, 1870
FrS B 144

165
Ferdinand Freiligrath, Porträt mit faksimilierter Unterschrift gezeichnet von EDUARD SCHULZ, 1867
FrS B 20

Die Freiligrath-Dotation

Als zu Beginn des Jahres 1865 die Londoner Filiale der „General Bank of Switzerland“ geschlossen wurde, stand der gealterte Freiligrath erneut vor einer ungesicherten Zukunft. Er lehnte es ab, von der am 29. September 1866 erlassenen Amnestie Gebrauch zu machen. Da sprangen Barmer und rheinische Freunde sowie begeisterte Deutsche in England und Amerika ein und starteten eine Initiative zur Sicherung seines Lebensabends verbunden mit seiner Rückkehr nach Deutschland. Bereits 1849 hatte Hoffmann von Fallersleben in Bingen eine Nationalschenkung für Freiligrath vorbereitet; diese ließ sich damals noch nicht verwirklichen.

Fast zwei Jahrzehnte später setzten Dr. Juch als Haupt des Londoner Comités und Johann Classen-Kappelmann, der dem rheinischen Hauptcomité in Köln vorstand, den Gedanken in die Tat um. Freiligrath erklärte sich bereit, „ein Nationalgeschenk zur Sicherstellung seiner alten Tage dankend annehmen“ zu wollen. Den Durchbruch erlebte das Vorhaben durch den emotionsgeladenen Aufruf in der vielgelesenen „Gartenlaube“ (1867, Nr. 17, S. 272) mit dem Titel „Auch eine Dotation“, der sich an „alle Deutsche(n) im Vaterland und in der Ferne“ richtete. Zahlreiche Zeitungen des In- und Auslandes druckten den Aufruf ab. Unter der Federführung des Schriftstellers und Kaufmanns Emil Rittershaus hatten sich sieben Freunde des Dichters aus Barmen, zumeist Kaufleute, zu einem zentralen Comité zusammengefunden, das die deutschlandweiten und internationalen Aktivitäten für ein Nationalgeschenk koordinierte.  Als am 30. Januar 1869 Kassensturz gemacht wurde, ergab die öffentliche Abrechnung in der Elberfelder und Rheinischen Zeitung, daß „die Freiligrath-Spende die stattliche Summe von 58.631 Thalern erreicht“ hatte; nach damaliger Kaufkraft dürfte sich die Summe heute auf rund 1 Million Euro belaufen.

Nach mehreren heimlichen Besuchen im Rheinland und in Barmen, bei denen er seitens der Behörden trotz nicht aufgehobener steckbrieflicher Suche, unbehelligt blieb, kehrte Freiligrath am 24. Juni 1868 wieder nach Deutschland zurück.

166
Auch eine Dotation. An alle Deutsche im Vaterland und in der Ferne. [Mit einem Gedicht von] Emil Rittershaus. – Barmen, im April 1867. [Unterzeichnet von:] F. A. Boelling, Ludwig Elbers, Ernst von Eynern, Reinhard Neuhaus, Emil Rittershaus, Eduard Schink, Karl Siebel. – In: Die Gartenlaube : illustrirtes Familienblatt. – 1867, Nr. 17, S. 272
V 35.4°-1867

Nr. 167: FrS B 22

167
Ferdinand Freiligrath und Emil Rittershaus bei der ersten Flasche Wein nach Freiligraths Rückkehr nach Deutschland, Photographie, 1867
FrS B 22

Auf der Rückseite eigenhändige Widmung von Emil Rittershaus an die Loge zur Rose am Teutoburger Walde zu Detmold vom 7. Juni 1867. – Im Zuge des Aufrufs zur Dotation in der „Gartenlaube“ hielt sich Freiligrath im Frühsommer kurzzeitig – von den Behörden unbehelligt – bei seinen Freunden in Barmen auf. Bei dieser Gelegenheit entstand die vorliegende Photographie.

168
Akten des Central-Comités der National-Dotation für den Dichter Ferdinand Freiligrath, Barmen. Heft I IV.
FrS 222, II, Bl. 263r.
Sammlung von Aufrufen, Spendenlisten, Quittungen, Drucksachen, Zeitungsartikeln und Briefen von verschiedenen Absendern aus der Zeit von und an die Mitglieder des Central-Comités: Friedrich August Boelling, Ludwig Elbers, Ernst von Eynern, Emil Rittershaus, Eduard Schink und Carl Siebel.

169
Karl Schlickum, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an Emil Rittershaus, dat. Blumfield, Saginaw-County, Michigan, 20. April 1867. – 1 Bl., 2 S.
FrS 222, II, Bl. 263

Der Maler Karl Schlickum (1808-1869) hatte die Illustrationen zu „Das malerische und romantische Westphalen“ geschaffen und sich mit Freiligrath in Unkel niedergelassen. Später wanderte er in die Vereinigten Staaten aus.
Schlickum bittet „inliegenden Brief gefälligst Freiligrath übersenden zu wollen. Mein Briefwechsel mit Freiligrath ist seit einigen Jahren unterbrochen gewesen und so glaubte ihn noch immer als Manager of the Bank of Switzerland in einer wenigstens materiell günstigen Lage, bis mich Ihr schönes Gedicht und der Barmer Aufruf in hiesigen Blättern eines Andern belehrten, ich habe aber von da an auch nicht daran gezweifelt, daß der Erfolg ein solcher sein würde, der seine alten Tage sorgenfrei machen, auch als Demonstration gegen die Politik der Zündnadelgewehre und der Säbel ist es keine üble Demonstration …“ Er berichtet weiter, dass die Deutschen in Amerika hofften, 10.000 Dollar sammeln zu können und bringt sich Emil Rittershaus als Zeichner des „romantischen Westphalens“ in Erinnerung.

170
Verzeichniß der für die Freiligrath-Dotation beigetragen habenden Städte, alphabetisch geordnet. – Akten des Central-Comités der National-Dotation für den Dichter Ferdinand Freiligrath, Barmen. Heft I IV.
FrS 222, IV, Bl. 208r
Die Stadt Detmold ist mit 527 Talern aufgeführt und liegt damit etwa gleichauf mit Amsterdam, Bielefeld, Braunschweig, Krefeld, Mannheim, München und Stettin. Die größte Spende einer einzelnen Stadt kam aus New York mit 4.072 Talern, gefolgt von London mit gut 3.530 Talern.

171
12 preußische und lippische Taler
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums Detmold

172
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Kaufmann LUDWIG ELBERS und den Kaufmann und Schriftsteller EMIL RITTERSHAUS in Barmen, dat. London, 21. Juni 1867. – 2 Bl., 3 S.
FrS 11c

Freiligrath bedankt sich bei den Barmer Freunden für ihre Arbeit im Barmer Central-Comité, besonders aber für den takvollen und würdevollen Umgang im Zusammenhang der zu regelnden finanziellen Angelegenheiten. Er schließt den Brief mit großem Dank:

„Es ist in dieser Woche wieder so viel Gutes u. Theilnehmendes an mich herangetreten (Rolandseck – Berliner Feier etc.), daß ich noch ganz bestürzt u. bewildert bin. Ich bin tief ergriffen u. gerührt,   mehr als ich sagen kann. Ich muß mich fassen u. sammeln, ehe ich danken kann! Lieber Gott, welch ein herrlich Ding ist es doch, so viele, so liebe, so treue Freunde zu haben! Womit habe ich schlechter Kerl das Alles nur verdient?…“

173
Stuttgart, Marktplatz, Stahlstich, gezeichnet von H. SCHÖNFELD, gestochen von C. GERSTNER, um 1850/60
FrS B 138

174
Cannstatt, Gesamtansicht von Südosten, Stahlstich, gezeichnet von L. MAIER, gestochen von S. LACEY, um 1850
FrS B 137

175
Ferdinand Freiligrath, Photographie von [FRIEDRICH] BRANDSEPH, Stuttgart, mit eigenhändiger Widmung an RICHARD WEHN, 1875
FrS B 25

176
Rippoldsau, vom Kniebis kommend, Lithographie, J. VELTEN, um 1850
FrS B 107

177
Ferdinand Freiligraths Arbeitszimmer in Cannstatt, Holzstich nach einer Skizze von ROBERT STIELER, 1875
FrS B 133

Der Landschafts- und Architekturmaler Robert Stieler (1847-1908) aus Stuttgart hatte Freiligraths Arbeitszimmer in seiner letzten Wohnung in Cannstatt, Neckartalstraße 73 (früher: Stuttgarter Straße 16), skizziert. Der Holzstich wurde in der Zeitschrift „Über Land und Meer“. Stuttgart, 1875/76, Nr. 35, S. 692, publiziert.

178
Hallberger’s Illustrated Magazine conducted by FERDINAND FREILIGRATH. – Vol. 1-2 (1875-1876)
FA 20.1875.4°

Aufgeschlagen Jg. 2 (1876), S. 245: CORNING, JAMES LEONARD, Obituary – Ferdinand Freiligrath.

Nachdem Freiligraths Versuch 1841/42 in Darmstadt eine Zeitschrift „Britannia“, die englische Kultur, Lebensart und Literatur in Deutschland vermitteln sollte, herauszubringen, gescheitert war, gelang es ihm 1875 mit Unterstützung des Stuttgarter Verlegers Eduard Hallberger (1822-1880), eine ähnlich ausgerichtete Zeitschrift ins Leben zu rufen. Nicht zuletzt aufgrund des frühen Todes Freiligraths wurde das Erscheinen des „Magazine’s“ mit dem Jahrgang 6 (1880) eingestellt.

179
HENRY WADSWORTH LONGFELLOW, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an Prof. Otto Schanzenbach in Cannstatt, dat. Cambridge, Mass., May 5, 1876. – 1 Dbl., 2 S. [mit] frankiertem Umschlag.
FrS 428

„… I have had this morning the melancholy pleasure of receiving your letter, with the striking photograph of our dear Freiligrath after death …“

Der amerikanische Schriftsteller Longfellow (1807-1882), den Freiligraths Übersetzungen im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht hatten, bedauert zutiefst den Tod des Dichters, mit dem er seit 1842 freundschaftlich verbunden war. An den Kosten für ein geplantes Grabdenkmal möchte er sich gern beteiligen.

180
Ferdinand Freiligrath, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an die Fa. Thorn & Baumann in Stuttgart, dat. Cannstatt, 26. Januar 1876. – 1 Dbl., 1 S.
FrS 403
Freiligrath bestätigt den Empfang von einem Dutzend Flaschen spanischen Weines. – Letztes datiertes Lebenszeugnis Freiligraths im Besitz der Lippischen Landesbibliothek vor seinem Tode am 18. März 1876.

181
Poems from the German of FERDINAND FREILIGRATH, ed. by his daughter [KÄTHE FREILIGRATH-KROEKER]. – Leipzig: Tauchnitz, 1869. – XVIII, 241 S. (Collection of German Authors ; 13)
FA 25.1869
Auf der Rückseite des Vortitels eigenhändige Widmung an seinen Freund , den Schriftsteller Adolf Strodtmann, 15. Oct. 1869.

182
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiges Brieffragment an den Schriftsteller Ignaz Hub in Würzburg, dat. Stuttgart, 20. Oktober 1871. – 1 Dbl., 4 S.
FrS 24

Freiligrath bedauert, dass die Herausgabe der ihm gewidmeten „Dichtergaben“ (1868) für Ignaz Hub, mit dem er von 1836-1838 das „Rheinische Odeon“ redaktionell bereut hatte, und für den verstorbenen Christian Schad mit soviel Unannehmlichkeiten seitens des Verlegers verbunden ist. Er gibt Ratschläge, wie am besten verfahren werden soll.

183
Deutsche Dichter-Gaben : Album für Ferdinand Freiligrath ; eine Sammlung bisher ungedruckter Gedichte der namhaftesten deutschen Dichter. – Hrsg. von CHRISTIAN SCHAD und IGNAZ HUB. – Leipzig: Duncker & Humblot, 1868. – XXXV, 435 S.
FA 96.1868
Enthält Gedichte von 102 Dichtern des deutschen Sprachgebietes, darunter Moritz Carriere, Felix Dahn, Karl Elze, Emanuel Geibel, Georg Herwegh, Gottfried Kinkel, Wolfgang Müller von Königswinter, Gustav Pfarrius, Theodor Storm, Albert Träger u. a.

184
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an den Druckereibesitzer Wilhelm Klingenberg in Detmold, dat. Cannstatt, 17. Juli 1875. – 1 Dbl., 4 S.
FrS 27

Freiligrath übersendet das zugesagte Gedicht „Lang, lang, ist’s her“ für das Album „Das Hermanns-Denkmal und der Teutoburger Wald“: „Die Dörenschlucht wird freilich nur beiläufig darin erwähnt; es ließ sich das aber, wie das Poem einmal angelegt war, nicht wohl anders machen.“

185
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändige Visitenkarte an Carl Weerth in Detmold, dat. Klosters, Graubünden, 10. August 1875. – 1 Bl., 2 S.
FrS 268

186
FERDINAND FREILIGRATH, eigenhändiger Brief mit Unterschrift an Levin Schücking in Sassenberg, dat. Bad Rippoldsau, 7. Juli 1868. – 1 Dbl., 1 Bl., 6 S.
FrS 387

„Hier säßen wir denn im Schwarzwald! Die Tannen rauschen, die Wässerlein rieseln u. rippeln, u. Alles ist herrlich u. schön, wenn auch etwas langweilig. – Die Frage ist nur: wohin jetzt? Nach Cannstatt, Stuttgart oder an den Bodensee? …“

Dankt Schücking für die Teilnahme am Begrüßungsfest in Köln vor einigen Tagen und versichert, dass er seinen Werdegang und seine Publikationen auch von London aus stets intensiv verfolgt habe.

187
FERDINAND FREILIGRATH, Fragment einer eigenhändigen Niederschrift seines Gedichtes „Februar 1870“ (verfasst für den Basar zum Besten des Berliner Asylvereins für Obdachlose). – 1 Bl., 2 S.
FrS 164

Das Manuskript bricht inmitten der 10. Strophe ab. – Auf der Rückseite beglaubigt Ida Freiligrath im Jahre 1884 die Echtheit des Autographs ihres verstorbenen Mannes.

Das Gedicht erschien in 300 handsignierten Exemplaren im Verlag Duncker in Berlin.

188
FERDINAND FREILIGRATH: Gesammelte Dichtungen. – Bd. 1-6 [in 3 Bdn.] – Stuttgart: Göschen, 1870.
FA 1.1870
Gesamtausgabe letzter Hand Freiligraths. Trotz einiger Widerstände und des drohenden Deutsch-französischen Krieges konnte Freiligrath bei Ferdinand Weibert, dem Inhaber des Göschen-Verlages, günstige Konditionen aushandeln. Die erste Auflage war bald vergriffen, so dass schon im darauf folgenden Jahr ein 2. Abdruck erfolgen konnte. Nach seinem Tode veranlasste Ida Freiligrath eine neue [=3.] sehr vermehrte und vervollständigte Auflage. Die „Gesammelten Dichtungen“ erlebten bis 1898 insgesamt sechs Auflagen.

189
Grabdenkmal Ferdinand Freiligraths, Gedenkblattentwurf, Pinsel und Feder auf Papier, gezeichnet von WALTER SCHUCHARDT, 1879
FrS B 105
Das Grabdenkmal Freiligraths auf dem Uffkirchhof in Cannstatt wurde 1877-79 auf Veranlassung eines eigens gegründeten „Comitées zur Errichtung eines Freiligrath-Grabdenkmals“ von dem Bildhauer Adolf (von) Donndorf (1835-1916), seit 1876 an der Kunstakademie Stuttgart, geschaffen. Das Gedenkblatt entstand vermutlich im Zusammenhang mit der feierlichen Enthüllung des Grabdenkmals, wurde allerdings nicht veröffentlicht.

Nr. 189 – FrS B 105