4 Englische Textilindustrie

Teil 4: „auf dem interessantesten Boden der Gegenwart“
Im Zentrum der englischen Textilindustrie 1843-1846

Im Dezember 1843 zog Weerth nach Bradford in Yorkshire, wo er eine Stellung als Korrespondent bei Ph. Passavant & Co. angenommen hatte. Die Firma war die Filiale eines Kammgarn- und Wollunternehmens mit Hauptsitz in Manchester. Sein zweieinhalbjähriger Aufenthalt im nordenglischen Industriebezirk prägte Weerth ganz entscheidend.

67
Von Köln nach London

Mitgetheilt von G. W.
Aus: Kölnische Zeitung Nr. 301-303 vom 28.-30.10.1843
A 459 W

Ende September 1843 reiste Weerth von Köln aus für 14 Tage nach London, um seine Stellensuche in England voranzutreiben. Sein Bericht über diese Reise erschien Ende Oktober in drei Folgen im Feuilleton der Kölnischen Zeitung.

68
Georg Weerth: Die Armen in der Senne

In: Deutsches Bürgerbuch für 1845
Hrsg. von Hermann Püttmann
Darmstadt: Leske, 1844
Z 1845

(Neuerwerbung 2006 aus Mitteln der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Lippischen Landesbibliothek Detmold e.V.)

Das „Deutsche Bürgerbuch“ erschien im Dezember 1844 bei dem Darmstädter Verleger Leske und wurde am 27. Mai 1845 in Preußen durch Gerichtsurteil verboten. Der Elberfelder Frühsozialist Hermann Püttmann hat hier Arbeiten von 15 Autoren zusammengestellt, die in den folgenden Jahren zu Vertretern widersprüchlicher politischer Gruppierungen wurden.

Der Band enthält den Erstdruck von Weerths Text „Die Armen in der Senne“. Der Text entstand kurz vor seiner Abreise aus Deutschland Ende 1843. Er erzählt die Geschichte eines armen, kinderreichen und hungerleidenden Senne-Bauern, der in der Not den kranken, alten Vater erfrieren lässt, seine morsche Hütte anzündet und fortan mit der Familie bettelnd durch das Land zieht. Dem Bonner Freund Alexander Kaufmann schrieb Weerth im Dezember 1843: „Wir denken gewöhnlich, in Paris und London wäre nur das Elend zu Hause; ich versichere Dir, in unserm Land sieht es ebenso schlimm aus. Den Leuten, welche jetzt Dorfgeschichten schreiben, möchte ich raten, einmal die Senne zu besuchen; da gibt es viel herrlichen Stoff! Leider Gottes!“

69
Die Armen in der Senne

Gelesen von Tillmann Böttcher.
1 CD. – [Detmold]: Michael Acker, 1998
KA 549 Nr 17
Audio-Station

70
Der Tower in London

Stahlstich
Hildburghausen: Bibliographisches Institut, o.J.
B 8/7 W

71
Die Börse in London

Stahlstich
Hildburghausen: Bibliographisches Institut, o.J.
B 8/8 W

„London ist doch die Welt“, notierte Weerth im Januar 1844. Die moderne Großstadt mit 2 Millionen Einwohnern faszinierte ihn immer wieder aufs neue.

72
Die Engländer

Kolorierte Kreide-Bleistiftzeichnung von Henry Ritter
auf grauem Papier
Graphische Sammlung, Mappe 12

„Ich sage, die Menschen, die Engländer, mit spitzen Nasen und noch spitzern Frackröcken, gefallen mir weniger.“ Anfangs konnte Weerth dem spröden Nationalcharakter der Engländer wenig abgewinnen. Der Kanadier Henry Ritter (1816-1853), der seit 1836 an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte, reiste 1840 nach England und skizzierte diese wartenden Reisenden an einer englischen Dampfschiff-Station.

73
Neues vollständiges Wörterbuch der Englischen und der Deutschen Sprache

Von Jacob Heinrich Kaltschmidt
Leipzig: Tauchnitz, [1837]
Ph 2262i

Im Kontor der Firma Ph. Passavant & Co. wurde nur Deutsch gesprochen, so dass Weerth im Englischen kaum Fortschritte machte. Ab Sommer 1844 nahm er bei John L. MacMichan, privaten Unterricht: „Es ist wirklich gut, daß ich den Mann gefunden habe, denn sonst würde ich wenig Englisch hier lernen.“ Der Verfasser dieses Wörterbuchs, Jacob Heinrich Kaltschmidt, trat auch mit einem französisch-deutschen, einem deutschen etymologischen Wörterbuch und einem deutschen Fremdwörterbuch hervor und bestimmte zwischen 1835 und 1870 den deutschen Wörterbuch-Markt.

Nr. 75

Vom Ausmaß der Industrialisierung dort hatte Weerth zuvor keine Vorstellung gehabt. In Bradford schufteten zehntausende Arbeiter in Spinnereien und Eisengießereien. Die in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts rapide gewachsene Bevölkerung hatte die Landstadt in einen der schlimmsten Slums des viktorianischen England verwandelt. Nicht nur die katastrophalen Wohnverhältnisse, auch die extreme Luftverschmutzung und die infolge fehlender Wasserversorgung und Kanalisation fatale Hygienesituation verursachten Verelendung und hohe Sterblichkeit. Auch Weerth litt an chronischer Bronchitis.

74
Lancashire, Yorkshire

Aus: Atlas von Europa nebst den Kolonien
14. Lieferung: Das britische Reich
Leipzig: Göschen, 1830
K 2788.4°-7

Kaum zu finden sind Bradford und Manchester auf dieser Karte von 1830. Der Atlas vermerkt über Bradford noch: „2459 Häuser, 13.064 Einwohner. An einem Seitenflusse des Aire. Wirkereien von Bombazets und Plains. Fertigung von mancherlei Eisenwaaren, Kratzen und ledernen Dosen. Eisen- und Kanonengießerei.“ 1841 hatte die Stadt 73210 Einwohner und 67 Textilfabriken.

75
„die traurigste aller englischen Fabrikstädte“:
Bradford, Arbeiterviertel Saltaire
Stahlstich von William M. Lizars nach einer Zeichnung von Henry Warren
Glasgow, Edinburgh, London: Mackenzie, o.J.
B 17 W (Neuerwerbung 2006)

„Bradford liegt in der Grafschaft Yorkshire, hat 60.000 Einwohner, ist mit schmutzigen Straßen versehen, am Berge gelegen, und alle Häuser sind schwarz von Kohlendampf, denn dieser wogt beständig durch die Straßen. Wohin man blickt: rauchende Schornsteine, Eisenhütten usw.! – Von dem Gipfel des Berges, wo die Häuser aufhören, blickt man in ein schönes Tal – leider aber auch voll von Rauch, Nebel, Dampf und Fabriken. Es ist schrecklich, sage ich Dir … „. (Brief an die Mutter, 21.12.1843)

76
Manchester

Stahlstich nach einer Zeichnung von C. Reiss
Hildburghausen: Bibliographisches Institut, o.J.
B 8/6W

Von Bradford aus kam Weerth gelegentlich nach Manchester, wo der Hauptsitz der Firma Passavant lag. Er plante 1844, von Bradford nach Manchester überzusiedeln, „wo die Welt doch erfreulicher ist als hier.“

77
Über Wollhandel und Wollmanufaktur
in Großbritannien von frühester bis auf gegenwärtige Zeit
Nach amtlichen Urkunden von Cäsar Moreau. Aus dem Englischen
Berlin: Rücker, 1829
Wz 13-24 Beil.

Von 868 v. Chr. bis zum Jahr 1828 reichen die hier vorgelegten Annalen zum britischen Wollhandel. Auf den letzten Seiten finden sich aktuelle Zahlen zum Im- und Export von Wolle, Garn und Stoffen.

78
Handbuch für Kaufleute
oder Übersicht der wichtigsten Gegenstände des Handels und Manufakturwesens, der Schifffahrt und der Bankgeschäfte …
Nach dem Englischen des … J. R. Mac Culloch … bearbeitet von C. F. E. Richter
3 Bde. – Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1834-1837
TB 232

Das Handbuch erschien 1834-1837 als Übersetzung des „Dictionary of commerce“ des schottischen Nationalökonomen John Ramsay MacCulloch (1789-1864). Der Schwerpunkt liegt auf dem Handel und Manufakturwesen Großbritanniens. Gleichwohl erachtete der Übersetzer die Kenntnis des Werkes als unverzichtbar für Kaufleute aller Länder, da die britische Wirtschaft für alle anderen Volkswirtschaften ein „glänzendes Muster und Vorbild“ sei.

79
Reisen in England und Wales

von Johann Georg Kohl
3 Bände. – Dresden und Leipzig: Arnoldi, 1844
K 691

Johann Georg Kohl (1808-1878) war einer der fleißigsten deutschen Reiseschriftsteller seiner Zeit. In den Jahren 1836-1858 bereiste er fast alle europäischen Länder und einen Teil Nordamerikas. Als Ertrag dieser Reisen publizierte er anschließend zumeist mehrbändige Werke.

Kohl interessierte sich vor allem für die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in England: etwa für die Metallindustrie in Birmingham, die Porzellanmanufakturen in Staffordshire, die Kohlegruben in Newcastle, die Textilindustrie in Leeds, die Docks von Liverpool und die Baumwollspinnereien in Manchester; er berichtete von Kirchen, Schulen und Museen, aber auch von Gefängnissen, Krankenhäusern, Obdachlosenheimen und Irrenhäusern, von sozialen Unruhen und von „strikes“. Seine Schilderungen aus der Frühzeit der Industrialisierung Englands sind eine erstrangige sozialgeschichtliche Quelle und geben vielfältig Aufschluss über die Lage der „working classes“.
Im Kapitel über Manchester schildert Kohl detailliert auch die Arbeit in den „warehouses“, den global agierenden Handelsniederlassungen. Noch mehr Platz räumt er allerdings der Lage der Fabrikarbeiter ein, beschreibt die Kluft zwischen den Reichen und Armen, den Kapitalisten und den Proletariern in Manchester und die Verhältnisse der „white slavery“.

80
A Christmas Carol in Prose.
Being a Ghost Story of Christmas
The Chimes. A Goblin Story of some Bells that rang an old Year out and a new Year in
by Charles Dickens
Leipzig: Tauchnitz, 1843 und 1845
F 1038rb

Im Winter 1844/1845 las Weerth die sozialkritischen Weihnachtsgeschichten von Charles Dickens (1812-1870). Er empfahl seiner Mutter die Lektüre der deutschen Übersetzung.

Im Frühjahr 1844 traf Weerth in Manchester mit Friedrich Engels zusammen, der dort als kaufmännischer Angestellter einer Baumwollspinnerei tätig war. Die beiden jungen Textilkaufleute freundeten sich rasch an und reisten gemeinsam in Nordengland. Engels hatte großen Einfluss auf Weerth, dem er in der Erkenntnis ökonomischer und sozialer Zusammenhänge weit voraus war; er arbeitete zu dieser Zeit gerade an einem Buch über die Lage der arbeitenden Klasse in England. Auf seine Veranlassung hin beschäftigte sich auch Weerth mit der Philosophie Ludwig Feuerbachs, den Schriften der englischen Nationalökonomen Smith, Malthus, Ricardo und McCulloch und den Theorien der englischen Sozialisten.

81
Friedrich Engels (1820-1895)

Aus: Gustav Mayer: Friedrich Engels. Eine Biographie. – Haag: Nijhoff, 1934
Lg 972

Weerth beschreibt Engels „als einen himmlisch guten Menschen, der einen ungewöhnlichen Verstand und Scharfsinn besitzt und Tag und Nacht mit den ungeheuersten Anstrengungen für das Wohl der arbeitenden Klassen kämpft.“

82
Die Lage der arbeitenden Klasse in England

von Friedrich Engels
2., durchgesehene Auflage. – Stuttgart: Dietz, 1892
St 6039

Engels sammelte das Material zu diesem Buch 1843-1844 in Manchester. Die Erstausgabe erschien 1845 in Leipzig. Dargestellt werden die kapitalistischen Arbeitsverhältnisse und die Lage des englischen Industrieproletariats. Berichtet wird auch über Bradford, das „an einem kleinen, pechschwarzen, stinkenden Flusse liegt“.

85
Thomas Robert Malthus: Versuch über die Bedingung und die Folgen der Volksvermehrung

Aus dem Englischen von F. H. Hegewisch
2 Bde. – Altona: Hammerich, 1807
St 8143 (aus der Regierungsbibliothek Minden)

Mehrfach übte Weerth Kritik an der umstrittenen Bevölkerungstheorie des britischen Sozialphilosophen Malthus (1766-1834). Dieser betrachtete die sozialen Missstände seiner Zeit in erster Linie als Folge von Überbevölkerung. Sein 1798 erschienener „Essay on the Principle of Population“ stellte die Theorie auf, dass das Bevölkerungswachstum grundsätzlich stärker sei als das wirtschaftliche Wachstum und somit zwangsläufig zu Verarmung und Verelendung eines Landes führe, sofern es nicht durch Krankheiten, Krieg oder bevölkerungspolitische Maßnahmen begrenzt werde. Das Elend der Arbeiterschaft sah er als unvermeidlich an. Er schlug vor, Sozialleistungen komplett einzustellen, und statt dessen das Lebensniveau der Unterschichten durch Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle sicher zu stellen.

86
David Ricardo: Die Grundsätze der politischen Ökonomie oder der Staatswirtschaft und der Besteuerung

Aus dem Englischen … übersetzt von Christian August Schmidt
Weimar: Verlag des Privilegierten Landes-Industrie-Comptoirs, 1821
St 440a

In seinen 1817 erschienenen „Principles of Political Economy and Taxation“ entwickelte der Ökonom David Ricardo (1772-1823) eine viel diskutierte Theorie des Außenhandels.

87
John Ramsay MacCulloch: Grundsätze der politischen Ökonomie
nebst kurzer Darstellung des Ursprungs und Fortschrittes dieser Wissenschaft
Aus dem Englischen übersetzt von Georg Michael von Weber
Stuttgart: Hallberger, 1831
St 427

„The Principles of political Economy“ des schottischen Nationalökonomen John Ramsay MacCulloch (1789-1864) erschien zuerst 1825 und folgt weitgehend den Theorien Ricardos.

Nr. 81

Eigentlich hatte ein deutscher Kaufmann in Bradford keinen Kontakt zur Arbeiterschaft. Weerth nutzte jedoch seine Freundschaft zu dem Arzt John L. MacMichan, der in den Arbeitervierteln praktizierte, um die sozialen Missstände näher kennen zu lernen. An seine Mutter schrieb er: „Man muß sich in England mit dem armen Volke abgegeben haben, um zu wissen, was es für Unglück auf der Welt gibt. Es kann einen Bär zum Weinen bringen, ein Schaf zum Tiger machen.“ Er lieferte mehrfach Berichte über die empörenden Zustände an deutsche Zeitschriften. So erschien unter anderem seine Reportage „Der Gesundheitszustand der Arbeiter in Bradford“ 1845 im „Gesellschaftsspiegel“ und sein Bericht „Proletarier in England“ zur gleichen Zeit in den „Rheinischen Jahrbüchern“.

„Ich mache in allerlei Erkenntnisse und Fortschritte“, meldete Weerth der Mutter im Frühjahr 1845, „ich lebe ganz der Politik und dem Sozialismus“. In kurzer Zeit entwickelte er sich zum scharfen Kritiker der kapitalistischen Verhältnisse. Auch mit den Führern der englischen Arbeiterschaft unterhielt Weerth nun Kontakte, besuchte die politischen Versammlungen der Arbeiter. Er nahm Partei für den radikalen Flügel der Chartisten, die die aktuellen Missstände mit Gewalt beseitigen wollte, und war überzeugt, England sei das Terrain, „auf dem die nächste Revolution wächst“.

88
Georg Weerth:
Englische Reisen
Mit Illustrationen von George Cruikshank und John Leech
Hrsg. von Bruno Kaiser
Berlin: Ruetten & Loening, 1954
WA 8.1954

1847 redigierte Weerth seine bis dahin erschienenen Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge über England und stellte sie zu einer Buchveröffentlichung zusammen, die zu seinen Lebzeiten jedoch nicht erschien.

89
Georg Weerth: Englische Reisen

Illustriert von Gerhard Kurt Müller.
Leipzig: Institut für Buchgestaltung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, 1962
KA 547 Nr 22

90
Georg Weerth: Der arme Tom

Eigenhändiges Manuskript des Gedichts
A 46 W

Das Gedicht gehört zu Weerths um 1845 entstandenen sozialkritischen Gedichten. Es entwirft das Bild des Todes als Befreier der sozial Unterdrückten. Zu Lebzeiten Weerths blieb es ungedruckt.

91
Georg Weerth:
Der Gesundheitszustand der Arbeiter in Bradford, Yorkshire, England
In: Gesellschaftsspiegel. Organ zur Vertretung der besitzlosen Volksklassen
Hrsg. von M. Hess
Bd. 1. – Elberfeld: Bädeker, 1846. – S. 163-167
Reprint: F 67.1971

Der „Gesellschaftsspiegel“ war die berühmteste Zeitschrift des deutschen Frühsozialismus. Er ist noch vor dem Kommunistischen Manifest erschienen –­ mit Beiträgen von Friedrich Engels, Karl Marx sowie Weerths „Liedern aus Lancashire“, dem „Gebet eines Irländers“ und seinen Reportagen „Der Gesundheitszustand der Arbeiter in Bradford“, „Das Blumen-Fest der englischen Arbeiter“ und „Die Wohlthaten des Herzogs von Marlborough“. Der Herausgeber Hess musste wegen starker Repressalien bereits ab dem dritten Heft 1845 nach Brüssel emigrieren und von dort die Redaktion führen. Gedruckt wurde die Zeitschrift bei dem kommunistischen Drucker Julius Bädeker in einer Auflage von 600 Exemplaren.

92
Georg Weerth:
Die Wohlthaten des Herzogs von Marlborough
Aus: Gesellschaftsspiegel. Hrsg. von Moses Hess
Jg. 1 (1845), Nachrichten und Notizen, S. 17-19
A 458 W

Der Artikel verspottet die „heuchlerische Wohltätigkeitsschwärmerei“ der englischen Aristokratie; er greift die Zeitungsmeldung auf, der Herzog von Marlborough habe 200 Hirsche und Rehe aus seinem Besitz erschießen und das Wild an die armen Leute der Umgebung verteilen lassen. Zugleich empört er sich über das Preisausschreiben eines Leipziger Gewerbe-Vereins, der 100 Dukaten für die beste schriftliche Lösung der Frage ausgesetzt hatte, wo in Deutschland „sich vorzugsweise Hilfsbedürftige unter den arbeitenden Klassen“ befänden und welches die geeigneten Mittel seien, „ihrer Not sicher und dauernd abzuhelfen“.

93
Georg Weerth: Das Blumenfest der englischen Arbeiter

In: Die gesellschaftlichen Zustände der civilisirten Welt
Hrsg. von M. Hess
Bd. 1. – Elberfeld und Iserlohn: Bädeker, 1846. – S. 180-187
Z 1846b-1

Neuerwerbung 2006 aus Mitteln der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Lippischen Landesbibliothek Detmold e.V.)

Trotz politischer Verfolgung gelang es, den 1845/1846 in 12 Heften erschienenen „Gesellschaftsspiegel“ nochmals aufzulegen. Dieser Nachdruck von 1846, der an keiner anderen Bibliothek nachgewiesen ist, konnte jetzt für die Lippische Landesbibliothek Detmold erworben werden.

Weerths Artikel erklärt die Blumenzucht als Freizeitbeschäftigung der englischen Industriearbeiter zum „Beweis, daß der Arbeiter neben seiner politischen Entwicklung noch einen Schatz von warmer Liebe für die Natur in seinem Herzen bewahrt hat, eine Liebe, welche die Quelle aller Poesie ist und ihn einst in den Stand setzen wird, eine frische Literatur, eine neue, gewaltige Kunst durch die Welt zu führen.“

94
Moses Hess (1812-1875)

Aus: Moses Hess: Ausgewählte Schriften. – Köln: Melzer, 1962
A 812e.1.2

Moses Hess redigierte mit dem „Gesellschaftsspiegel“ 1845/46 das Zentralorgan der damaligen sozialistischen Bewegung, an dem neben Marx und Engels auch Weerth beteiligt war.

Während seines Englandaufenthalts schrieb Weerth eine Vielzahl von kritischen Gedichten und Reportagen, die sein politisches und soziales Interesse widerspiegeln. Seine Gedichte, die das Elend der englischen Arbeiter beschreiben, einen revolutionären Umsturz und eine grundlegende Neuordnung der Besitzverhältnisse voraussagen, begründeten seinen Ruf als „erster und bedeutendster Dichter des Proletariats“ – ein Attribut, das ihm Friedrich Engels posthum verlieh. Sie erschienen zum Teil in den Zeitschriften und Anthologien seines Freundes Hermann Püttmann: dem „Deutschen Bürgerbuch“, dem „Album“ und den „Rheinischen Jahrbüchern“. Die Kölnische Zeitung druckte 1844-1846 Weerths Feuilletons „Englische Reisen“, die er später als Buch herausgeben wollte. Eingebettet in eine anekdotenhafte Beschreibung von Land und Leuten informieren sie die deutschen Leser über die sozialen und politischen Verhältnisse in Großbritannien.

95
Georg Weerth: Proletarier in England

In: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform
Hrsg. von Hermann Püttmann
Jg. 1.1845. – Darmstadt: Leske, 1845. – S. 309-326
Reprint: F 67.1970

Weerths Freund Püttmann musste 1844 die Feuilleton-Redaktion der Kölnischen Zeitung aufgeben. Er fand neue Beschäftigung als Herausgeber der „Rheinischen Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform“. Im ersten Jahrgang der neuen Zeitschrift erschienen Weerths Gedichte „Erst achtzehn Jahr“, „Freund Lenz“, „Ein Festlied“, „Vernunft und Wahnsinn“ und „Der alte Wirt in Lancashire“. Im Aufsatz über die „Proletarier in England“ berichtet er von seinen Erkundungen in den Slums von Bradford als Begleiter des Arztes John L. MacMichan.

96
Georg Weerth: Joseph Rayner Stephens, Prediger zu Staleybridge, und die Bewegung der englischen Arbeiter im Jahre 1839

In: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform
Hrsg. von Hermann Püttmann
Jg. 2.1846. – [Konstanz]: Belle-Vue, 1846. – S. 94-129
Reprint: F 67.1970

Die Regierung des Großherzogtums Hessen verklagte den Verleger Leske nach Erscheinen des ersten Jahrgangs von Püttmanns Jahrbuch wegen Hochverrat und Verspottung der Religion Sie verbot 1845 im voraus das Erscheinen eines zweiten Jahrgangs bei Strafe von 500 Gulden. Püttmann ließ den zweiten Band in der „Verlags- und Sortimentsbuchhandlung zu Belle-Vue bei Konstanz“ erscheinen, die seit 1843 von der Schweiz aus operierte. Der Belle-Vue-Verlag war einer der bedeutendsten politischen Exilverlage im Vormärz.

In seinem Beitrag rechnet Weerth mit der Bevölkerungstheorie von Thomas Robert Malthus ab. Er beschreibt den Methodistenprediger Joseph Rayner Stephens (1805-1879), der als fanatischer Revolutionär im Fabrikbezirk Lancashire agitierte und 1839 die Massenproteste der Arbeiter gegen das neue Armengesetz anführte.

97
Georg Weerth: Die Industrie

In: Deutsches Bürgerbuch für 1845. Hrsg. von Hermann Püttmann
Reprint. – Köln: Leske, 1975. – S. 346-348
F 67.1975

„Die Industrie ist Göttin unsren Tagen!“ Weerths Gedicht feiert die Industrialisierung als Grundlage des menschlichen Fortschritts, beklagt aber zugleich ihre sozialen Folgen. Vorausgesagt wird deren revolutionäre Beendigung:

Es führt die Not nur zu gewisserm Sieg! Und wer sie schmieden lernte, Schwert und Ketten, Kann mit dem Schwert aus Ketten sich erretten!

98
Georg Weerth: Der alte Wirt in Lancashire

In: Album. Originalpoesien von George Weerth …
und dem Herausgeber Hermann Püttmann
Borna: Reiche, 1847. – S. 132f.
B 64.1847b

Die 1847 von Püttmann herausgegebene Lyrik-Anthologie enthält 12 Gedichte Weerths, darunter auch seine berühmtesten „Lieder aus Lancashire“.

99
Socialistisches Liederbuch

Hrsg. von H[ermann] Püttmann
2. Auflage. – Kassel: Raabé, 1851
B 64.1851

Eine zweite Auflage des von Püttmann herausgegebenen Albums erschien 1851 in Kassel.

100
Georg Weerth: Cunningham

Aus: Kölnische Zeitung Nr. 309-311 vom 5.-7.11.1847
Slg 41 Nr 19

In diesem Feuilleton schildert Weerth seine Begegnung mit dem irischen Adligen George Cunningham in Lüttich. Der junge Mann, der einem bürgerlichen Beruf nachging und recht vernünftige Ansichten zur sozialen Frage vertrat, beeindruckte Weerth. Er entwirft die Utopie einer nachrevolutionären Gesellschaft, in der sich die Aristokratie als „Klasse der guten Sitten und der Intelligenz“ mit dem Proletariat in zu einer „Klasse intelligenter, begeisterter Leute“ vereint.

Weiter mit Teil 5: „Heutzutage das interessanteste Thema der Welt“
Als Handelsreisender in Brüssel 1846-1848