Die Sammlungen der Lippischen Landesbibliothek
von Joachim Eberhardt
Druckfassung in: Heimatland Lippe (2024) 5, S. 10-11.
Natürlich verpflichtet der Name: „lippisch“ ist die Landesbibliothek nicht nur, weil sie für Lipperinnen und Lipper da ist, sondern auch, weil Lippe im Kern ihres Sammelns steht. Nach ihrer Gründung 1614 war die Bibliothek rund 200 Jahre im Gebäude der Lateinschule (des Gymnasiums) in Detmold beheimatet und wurde, abgesehen von Lehrern und Schülern, kaum öffentlich genutzt. Fürstin Pauline sorgte dann für einen Modernisierungsschub: für neue Räumlichkeiten, einen verlässlichen Etat, regelmäßige Öffnungszeiten und einen neuen Bibliothekskatalog. Damit war die Bibliothek rechtzeitig vorbereitet: denn zur Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs allgemein im zersplitterten Deutschen Reich das Interesse an der Geschichte, auch in Lippe. Nachdem die Hoffnung auf eine nationale Identität und deutsche Einheit in der fehlgeschlagenen Märzrevolution enttäuscht war, bot es sich an, sich seiner Identität historisch zu versichern.
In Lippe taten das Bürger, Freizeithistoriker, wenn man so will. Bibliotheksdirektor Otto Preuß (1816-1892), hauptamtlich Jurist im Landesdienst, war einer von ihnen. Er schrieb nach London, um vom lippischen Dichter Freiligrath eigenhändige Zeugnisse zu erhalten und begann damit das Lippische Literaturarchiv; er beauftragte Künstler mit der Darstellung von „baulichen Alterthümern des lippischen Landes“ und begann damit die Heimatbildsammlung. Preuß’ Nachfolger als Bibliothekar wurde der Philologe und Historiker Ernst Anemüller (1859-1943), im Hauptamt Lehrer am Leopoldinum. Er kam mit seinem Kollegen Otto Weerth auf die Idee, dass es sinnvoll sein könnte, systematisch alles zu verzeichnen, was über Lippe veröffentlicht worden war. Das würde allen helfen, die sich mit Lippe beschäftigen wollen. Weil Weerth Naturwissenschaftler war, nahmen die beiden nicht nur Geschichte, sondern auch Geographie, Flora und Fauna, Kultur, Wirtschaft usw. auf. Damit wurden sie die Väter der Regionalbibliographie, die die heute Landesbibliothek natürlich als Datenbank im Web bereitstellt, und des heutigen umfassenden lippischen Sammelprofils.
Es überrascht daher in der Rückschau, dass der Landesverband Lippe in den 1950er Jahren statt der Bibliothek Wilhelm Hansen aus dem Landesmuseum damit beauftragte, eine gedruckte Landesbibliographie zu erstellen. Immerhin reicherte er sie „mit Hinweisen auf die Bestände der Landesbibliothek“ an. Das Werk erschien 1957. Die Bibliothek nahm den Faden auf und veröffentlichte seit 1967 jährlich eine Liste ihrer Neuerwerbungen über Lippe. Sowohl der Lippische Heimatbund als auch der Naturwissenschaftliche und Historische Verein für das Land Lippe drängten jedoch auf eine gründlichere und vollständigere Fortsetzung. Dafür stimmten die Voraussetzungen, nachdem Ernst Fleischhack 1979 zum Leiter einer in der Bibliothek neu geschaffenen „Lippe-Abteilung“ berufen wurde. Drei Jahre später konnte er den zweiten Band vorlegen. Weitere vier Jahre später gab er ein „Lippisches Autorenlexikon“ heraus. Das war ein weiterer Schritt zur Ausweitung, weil es die Auflistung von Literatur ergänzte um Information über Personen. Es wurde die Keimzelle des heutigen LippeLex-Projekts.
Schon Otto Preuß hatte ja der Bibliothek mitgegeben, sich in ihrem Sammeln nicht auf Gedrucktes zu beschränken. Zu den Zeichnungen und Aquarellen seine Heimatbildsammlungen kamen im zwanzigsten Jahrhundert mindestens 1.000 Plakate und über 20.000 historische Fotos aus Lippe hinzu. Die großen Jubiläumsfeiern um die Varusschlacht 1909 und das Hermannsdenkmal 1925 regten zur Einrichtung einer Bandel-Sammlung an, die in den 1930er Jahren aufgebaut wurde. Neben grafischen Arbeiten Bandels erwarb die Bibliothek auch Briefe und Lebenszeugnisse; ähnliche Sammlungen entstanden um den 1826-1833 am Detmolder Hoftheater beschäftigten Komponisten Gustav Albert Lortzing sowie die in Detmold geborenen Dichter Christian Dietrich Grabbe, Ferdinand Freiligrath und Georg Weerth. Bibliotheksdirektor Karl Alexander Hellfaier fasste das 1975 unter dem Etikett „große landeskundliche Sondersammlungen“ zusammen. Natürlich ist das Sammeln nie zu Ende. Jedes Jahr erscheint neue Literatur; und oft bieten sich Gelegenheiten, die „Sondersammlungen“ zu ergänzen. Manchmal wenden sich Besitzer:innen interessanter Stücke direkt an die Bibliothek. Geschenk und Verkauf sind gleichermaßen willkommen. Zu den jüngsten spannenden Neuerwerbungen zählen eine unbekannte handschriftliche Fassung von Julius Rodenbergs Gedicht „Das Schloss in Detmold“ und 44 Briefe von Fürstin Pauline und ihren Söhnen an den Lehrer Simon Ernst Moritz Krücke und seine Frau Marie Elisabeth. Nachzulesen im Weblog der Bibliothek, mit Links auf die entsprechenden Digitalisate. Zahlreiche Partner tragen dazu bei, dass die Bibliothek bei der Digitalisierung von Material über Lippe Vorreiter ist.