Das Paradies der Erde …

Serie: Aus der Bildersammlung der Lippischen Landesbibliothek (3)

von Joachim Eberhardt

Druckfassung in: Heimatland Lippe 113 (2020) 8, 190-191.

Das LWL-Freilichtmuseum in Detmold hat seiner Sonderausstellung in diesem Jahr den Titel „Erzähl mir was vom Pferd“ gegeben – obwohl es sich um eine Fotoausstellung über Pferde handelt. Daher werde ich jetzt einfach der Aufforderung folgen und meinerseits vom Pferd erzählen – indem ich historische Bilder präsentiere.

Natürlich kann man in Lippe nicht vom Pferd erzählen, ohne an das Senner Gestüt zu erinnern. Immerhin gilt die Rasse, jedenfalls ihren Fans, als die älteste deutsche Pferderasse; wilde Pferde im Heidegebiet der Senne werden erstmals 1160 urkundlich erwähnt. Wie der Hochgräflich Lippische „Hauptman und Stallmeister“ J. G. Prizelius 1771 in seiner „Beschreibung des so bekanten Senner Gestütes in der Grafschaft Lippe“ schreibt, sei ein Gestüt „im funfzehenten Jahrhundert schon in gutem Rufe gewesen“, und vor dem dreißigjährigen Krieg soll der Bestand an „tragbaren Stuten“ immerhin 200 Stück betragen haben. 1680 wurde das Gestüt von Graf Simon Heinrich nach Lopshorn verlegt, als dort das Jagdschloss gebaut wurde. Aber erst dem Jagdliebhaber Fürst Woldemar war 1875 die Jagd wichtiger, so dass er die meisten Zuchtstuten verkaufte. 1935 lösten dann die Nazis den Verband lippischer Pferdezüchter auf, der sich seit 1919 um die Zucht gekümmert hatte. 1945 wurde auch das Jagdschloss zerstört. – Welch privates Engagement nötig war, um die „extrem gefährdete“ Rasse der Senner Pferde bis heute zu erhalten, schildert Karl-Ludwig Lackners Webseite www.senner.de; das LWL-Freilichtmuseum beteiligt sich seit 2001 mit zwei Mutterstuten an ihrer Erhaltung.

Kenner*innen der lippischen Bildwelt wird kaum überraschen, dass das älteste Bild ein Kupferstich von Elias von Lennep ist, den dieser als Teil einer Serie von Ortsansichten im Auftrag des Grafen Hermann Adolph zur Lippe anfertigte. Er zeigt das Gestüt Lopshorn um 1660 mit zwei Reitern auf kleinen, gedrungenen Pferden (Bild 1), die nicht wirklich wie echte Senner aussehen. Prizelius’ Veröffentlichungen – er schrieb noch einiges mehr, nachdem er Lippe 1774 verlassen hatte – sind in ihren Abbildungen nicht an Genauigkeit interessiert, weder an der Anatomie der Pferde noch an derjenigen der Reiter, wie Bild 2 zeigt. Erst das 19. Jahrhundert bringt zuverlässige Darstellungen. Der Natur- und Tiermaler Gustav Quentell (1816-1896), den Vera Scheef 1996 in dieser Zeitschrift vorstellte, fand in den Senner Pferden reiches Motivmaterial, die er zum Beispiel für seine Mappe „Lebens-Stadien eines Pferdes“ verwendete: Die Senner Stute (Bild 3) ist am fürstlichen Brandzeichen zu erkennen; im Hintergrund grüßt das Hermannsdenkmal über die Heidelandschaft.

In der Graphischen Sammlung der Landesbibliothek finden sich darüber hinaus eine ganze Reihe von Porträts einzelner, namentlich genannter Pferde, die in der Signaturengruppe SG (= Senner Gestüt) zusammengefasst sind. Der Hengst Parfait (Bild 4), Beschäler von 169 Stuten, steht in einer Phantasielandschaft, während der Fuchs-Hengst Delawar, der auf dem Gestüt geboren ist, auch dort 1857 (Bild 5) fotografiert wurde. Eine Postkarte der Sammlung Mellies (Bild 6), die 1921 beschrieben wurde, zeigt den in Lopshorn gezogenen Wallach Germane, gerühmt als „vielfachen Sieger in Jagdspringen und Eignungsprüfungen“; der fesche Reiter ist Leutnant Prinz Ernst zur Lippe.

Meine Lieblings-Pferdebilder in unserer Sammlung zeigen allerdings keinen Senner, sondern sind Übungs-Zeichnungen, die Ernst von Bandel in seiner Studienzeit in München anfertigte. Bandel war nämlich, wie Leonardo da Vinci, überzeugt, dass man nur gut von außen zeigen könne (Bild 7), was man auch von innen kenne, und so enthalten seine Skizzen auch anatomische Studien, die wörtlich unter die Haut gehen, wie dieses Bild (Bild 8).