Verborgene

Schätze

Historische Bildquellen

Verborgene Schätze

Serie: Lippische Landesbibliothek stellt historische Bildquellen vor

von Joachim Eberhardt

Druckfassung in: Heimatland Lippe 113 (2020) 3, 56-58.

Bild 1. Das Bild wurde 2016 nach dem Bau der Musikbibliothek und des Zwischentraktes zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit aufgenommen. Foto: Landesverband Lippe, Jürgen Ihle.

Welche Farbe hatte eigentlich die Fassade des Hauses früher, in dem sich die Landesbibliothek heute befindet: das Haus Ebert, das Prinzenpalais in der Hornschen Straße 41? – Mit solchen Fragen muss sich ein historisch informierter Denkmalschutz beschäftigen, wenn Bund und Land unvermutet die Schatulle für eine Renovierung öffnen. Als das im Herbst 2016 geschah – nicht zuletzt dank der Hartnäckigkeit des damaligen lippischen MdB Caius Caesar und der Bauabteilung des Landesverbandes Lippe –, ergab sich die Möglichkeit, unserem Baudenkmal neuen Glanz zu verleihen. Es sollte aber natürlich ein angemessener, wohlüberlegter Glanz sein. (Bild 1, ein für die Öffentlichkeitsarbeit aufgenommenes Foto von Jürgen Ihle, zeigt die Landesbibliothek 2016.)

Zwei Wege bieten sich an, um den Rahmen des Angemessenen kennenzulernen. Untersucht man die Fassade an ausgesuchten Stellen, kann man Farbschicht um Farbschicht freilegen und so Aufschluss über ihre zeitliche Folge erhalten. Oder man wirft direkt mithilfe historischer Bildquellen einen Blick in die Vergangenheit. Idealerweise lässt sich beides miteinander kombinieren.

Der Erfolg der letzteren Methode hängt klarerweise von der Qualität der Quellen ab. Immerhin sind wir dafür schon an der richtigen Stelle! Denn die Lippische Landesbibliothek besitzt eine umfangreiche Sammlung alter Bilder, Graphiken und Fotos, die – unter anderem – Lippes Landschaften und Bauten zeigen. Und ein prominentes Gebäude wie die Landesbibliothek ist auf einigen Fotos zu finden. Dummerweise unterliegen gerade die vermeintlich exaktesten Informationen der Fotografie jener Beschränkung der späten technischen Entwicklung. Während Wikipedia informiert, dass die Farbfotografie als Verfahren in den 1930er Jahren erfunden wurde, verrät schon der Blick in das private Fotoalbum, dass noch in den 70er Jahren überwiegend schwarzweiß fotografiert wurde. Ein Foto von 1976 (Bild 2) zeigt die Landesbibliothek im Winter; das Aquarell (Bild 3) stammt aus dem August 1961. Schon zwischen diesen beiden gibt es zwei für die historische Betrachtung bemerkenswerte Unterschiede. Zwar wirkt die Farbgebung des Gebäudes im Hell-Dunkel-Kontrast auch auf dem Foto ähnlich dem heutigen Zustand, dafür fehlt auf dem Aquarell die Treppenanlage vor dem Säulenportal (und wer genau hinsieht, erkennt außerdem, dass der älteste Magazinanbau der Bibliothek links hinter dem alten Gebäude noch nicht begonnen wurde). Gab es 1961 keine Treppe? Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich hat zu Recht betont, dass auch realistisch anmutende künstlerische Bildquellen nicht immer vertrauenswürdig sind, aber ein Vergleich mit einem Foto (Bild 4) aus der gleichen Zeit, aufgenommen bei Erdarbeiten an der Hornschen Straße Anfang der 60er Jahre, bestätigt die Beobachtung. Auffällig sind dort zudem jene den Zuweg markierenden Pfosten und das direkt an der Straße stehende Gebäude Hornsche Str. 39 (das um 1860 gebaut und 1969 abgerissen wurde).

Detlev Hellfaier hat in mehreren Veröffentlichungen die Geschichte des Gebäudes nachgezeichnet. Eindrucksvoll erzählte er in dieser Zeitschrift (2005, Heft 11) vom Brand des Gebäudes am 22.11.1921. Den Zustand vorher zeigt ein Foto aus dem Bibliotheksarchiv (Bild 5), das – nach dem bislang Gesehenen – wieder mit der Treppe vor dem Portal überrascht. Die vor dem Brand flacherere Neigung des Walmdachs mit den Geländer auf dem First entspricht der frühesten bekannten Ansicht des damaligen „Hauses Ebert“, einer um 1860 entstandenen Lithographie (Bild 6), die ich für die Wiedergabe hier etwas aufgehellt habe. Auf der Lithographie zeigt die Fassade keine Farbkontraste, als wäre das Haus einfarbig gewesen. Das ist aber sicher nicht der Fall, wie der Kunsthistoriker Christoph Hellbrüge anlässlich der Restaurierung 2016 gutachterlich ermittelt hat. Ohnehin erkennt auch das Laienauge, dass die Fassade eine Mischung aus Putzflächen und steinernen Strukturelementen ist. Hellbrügge stellt fest, dass dieser Kontrast über die rund 175 Jahre der Geschichte des Gebäudes stets farblich betont worden ist. Doch welche Farbe dem Putz zwischendurch gegeben wurde, überrascht durchaus. Während um 1845, also zur Zeit der Erbauung, ein „heller Kalkschlamm“ die Fassade zierte, wurden die Flächen über Anstriche von 1858, 1886 und 1923 immer dunkler und – grüner. Die Farbgebung nach dem Brand 1923 nennt Hellbrügge „olivgrün“. Die helle Farbe der ersten Bilder oben wurde erst später aufgebracht!

Zum Glück spielten bei der Renovierung dann auch noch andere Erwägungen eine Rolle, als nur die, einen möglichen früheren Farbton aufzunehmen. Denn mit dem Magazinanbau 2012/13 und dem Neubau der Musikbibliothek 2014/15 wurden zwei Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet, die nicht nur mit dem historischen Palais ein Ensemble bilden, sondern auch in ihrer Farbgestaltung auf dessen Anmutung zum Bauzeitpunkt Rücksicht nahmen, wie das Foto von 2016 eindrucksvoll belegt (Bild 1). Ganz folgerichtig nahm nun umgekehrt der Neuanstrich mit einem hellen sandfarbenen Putz auf diese Farben Bezug, nicht ohne die dunkleren Strukturelemente aus Naturstein optisch zu betonen – ganz wie es auch der früheren Übung entsprach.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sammelt die Lippische Landesbibliothek historische Bildquellen. Deren Kernbestand sind heute a) eine geographisch geordnete Sammlung von Zeichnungen, Aquarellen und Graphiken von Orts- und Gebäudeansichten aus Lippe, b) eine rund 20.000 Einheiten umfassende Fotosammlung von Gebäuden, Straßenzügen, Ereignissen, c) eine Sammlung von Plakaten. Viele Bilder sind bereits über die Datenbank „Regiodok“ auf den Seiten der Landesbibliothek im Netz zu finden!