[Katalogeintrag Nr.] 25. Das Newe Testament Deutzsch (sog. Dezembertestament)

von Elmar Mittler

(Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Druckfassung in: Die Macht des Wortes: Reformation und Medienwandel / herausgegeben von Annika Stello und Udo Wennemuth. – Regensburg: Schnell & Steiner, 2016, S. 80-81.

„Die Macht des Wortes. Reformation und Medienwandel“ ist eine Ausstellung der Badischen Landesbibliothek und der Evangelischen Landeskirche in Baden in der Badischen Landesbibliothek vom 23.11. 2016 bis zum 25.2.2017.

Die dramatischen Umstände, unter denen der als „Junker Jörg“ verkleidete, seit dem Wormser Reichstag in Reichsacht stehende Martin Luther das Neue Testament von Dezember 1521 bis Anfang März 1522 auf der Wartburg übersetzte, sind allgemein bekannt. Nach der Durchsicht des Textes mit dem Wittenberger Professorenkollegen Melanchthon begann im Mai 1522 bei Melchior Lotter d.J. die Drucklegung. Rechtzeitig zur Leipziger Herbstmesse lag das sog. Septembertestament vor. Es kam im richtigen Moment, denn der Hunger nach der „guten Botschaft“ (dem eu–angeIion) war durch Luthers standhafte Berufung auf die Schrift als Maßstab für seine religiösen Überzeugungen stark gestiegen, an denen eine wachsende Zahl von Menschen Anteil nahm. Mit dem Vorliegen des deutschen Textes konnten über die lesefähigen Laien, die nur rund 5 % der Bevölkerung ausmachten, durch mündliche Weitergabe auch viele Leseunkundige erreicht werden. In seiner Programmschrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ hatte Luther 1520 den Gedanken des allgemeinen Priestertums aller Christen ausgeführt, durch das sich auch der einfache Mann (ebenso wie jede Frau) ermutigt fühlen konnten, die Bibel in die Hand zu nehmen und sich – wie Luther – auch gegen Missstände in der Kirche zu wenden. Im September 1522 waren dafür die Voraussetzungen gegeben – und das in einer Sprache, die den am Latein klebenden Stil früherer Übersetzungen überwand und den Wortsinn verständlich machte.

Nur Das Newe Testament Deutzsch und der Druckort Wittenberg stehen auf dem Titelblatt. Luther als Übersetzer erscheint an keiner Stelle: Es sollte „ohne fremden Namen ausgehen“. Dabei dürfte er bis in die Details der Gestaltung die Fäden für die Ausgabe in der Hand gehalten haben. Das gilt auch für die Illustrationen Lukas Cranachs d. Ä., mit denen die antipäpstliche Bildpropaganda fortgesetzt wurde, die im Passional Christi und Antichristi schon 1521 einen Höhepunkt erreicht hatte. Für Luther, der wie viele glaubte, dass die Endzeit nahe sei, war der Papst jener von Paulus (2 Thess 2) vorausgesagte Widersacher, der sich in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott. In der Apokalypse wird der „weltliche Bapst“ zu dem Tier, das aus der Tiefe aufsteigt und die zwei Zeugen vernichtet (Offb 11): Im Septembertestament ist es mit der Tiara des Papstes gekrönt; das Reich Babels wird in Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche mit dem des Antichristen gleichgesetzt; auch die Babylonische Hure, der die Herrscher der Welt verfallen sind, trägt die Papstkrone (Offb 17).

Nach Auslieferung der Erstauflage von ca. 3.000 Exemplaren hatte es massive Proteste insbesondere gegen die Illustrationen Cranachs gegeben. Herzog Georg der Bärtige von Sachsen verbot den Verkauf in seinem Territorium und suchte die schon verbreiteten Exemplare aufzukaufen, um sie zu vernichten. In dem mit Korrekturen versehenen Dezembertestament verwandelte man daraufhin die Tiara auf den Holzschnitten in einfache Kronen; indirekte Hinweise aber wie die Darstellung Roms, das beim Fall der Stadt Babylon in Abwandlung der Darstellung in der Weltchronik Sebastian Münsters deutlich zu erkennen ist, blieben. In den späteren Ausgaben der Bibel wurde wieder auf die schärferen Versionen zurückgegriffen: Die massive Gegnerschaft zum Papsttum blieb ein wesentliches Element der lutherischen Reformation.

Literatur

  • Heimo Reinitzer: Biblia deutsch. Luthers Bibelübersetzung und ihre Tradition. Wolfenbüttel, Hamburg 1983 (= Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek Bd. 40).
  • Henning Wendland: „Martin Luther: seine Buchdrucker und Verleger“, in: Herbert G. Göpfert / Peter Vosodek: (Hg.) Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im konvessionellen Zeitalter. Wiesbaden 1985, S. 11-36. (=Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens Bd. 11).
  • Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels. 2. Aufl., München 1999 (=Beck’sche Reihe 1304)