Weltvermesser. Das Goldene Zeitalter der Kartographie
Die Katalogeinträge für die Leihgaben der Landesbibliothek
(Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Weserrenaissance-Museums.)
Druckfassung: Weltvermesser. Das Goldene Zeitalter der Kartographie. Hg. von Michael Bischoff, Vera Lüpkes, Rolf Schönlau. Dresden: Sandstein, 2015.
392 S., zahlr. Ill., 30 x 24 cm
ISBN/EAN: 9783954981809
48 € (Buchhandel), 25 € (in der Ausstellung)
14 NOVA TOTIUS TERRARUM ORBIS GEOGRAPHICA AC HYDROGRAPHICA TABULA (Weltkarte)
in: Novus Atlas, Das ist Weltbeschreibung, Bd. 1.
1606 schuf Willem Jansz. Blaeu die vorliegende Weltkarte. Das von Josua van den Ende gestochene Blatt hatte großen Erfolg und wurde schon bald, mit anderen Bildern versehen, von Kollegen nachgeahmt: Pieter van den Keere gab 1611 Nova totius terrarum orbis heraus und Johannes Janssonius 1626 Nova totius terrarum orbis geographica ac hydrographica tabula. Weltkarten waren die Prinzipalstücke der Atlanten. Noch haftete ihnen etwas vom Glanz der ptolemäischen Kosmographien an. Der Antwerpener Theologe und Geograph Petrus Plancius umrankte 1594 eine Weltkarte mit allegorischen Bildern der Vier Kontinente. Blaeu ließ sich davon inspirieren, er umgab die Erde mit den Vier Elementen, den Vier Jahreszeiten, den Sieben Planeten und den Sieben Weltwundern. Die Figuren folgten druckgraphischen Vorlagen von Maarten van Heemskerck, Hendrick Goltzius und Marten de Vos. Blaeus Bildmarginalien waren mehr als ein gefälliger Schmuck. Sie bekräftigten die aristotelische Lehre der Vier Elemente und die kosmographischen Planetenallegorien des 15. Jahrhunderts, die angesichts der anwachsenden naturwissenschaftlichen und geographischen Entdeckungen nach 1600 zweifelhaft erschienen.
Bedeutende Denker wie René Descartes wandten sich gegen die statische, mythologische Deutung der Welt. Blaeus ikonographisches Rahmenwerk konservierte dagegen das vorcartesianische Denken. Das entsprach den Bedürfnissen der durch den Erkenntnisfortschritt irritierten Mehrheit der zeitgenösssichen Bevölkerung, und es erklärt die außerordentliche Beliebtheit der Karte. 1630 verwendete Blaeu die Weltkarte für den Atlantis appendix. 1635 erschien sie dann in dem hier in einer späteren Auflage ausgestellten Theatrum orbis terrarum sive atlas novus. Weltkarte und Atlas trugen ihrem Verleger viel Ruhm ein.
HB = PD Dr. Heiner Borggrefe (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
15 NOVA TOTIUS TERRARUM ORBIS GEOGRAPHICA AC HYDROGRAPHICA TABULA (Weltkarte)
Nr. 15. K 98.2°
in: Atlas, das ist Abbildung der gantzen Welt
1604 kauften Cornelis Claesz. und Jodocus I Hondius die Druckplatten von Gerhard Mercators Weltatlas. Hondius ergänzte sie durch eigene Karten und gab das Werk 1606 unter Mercators und dem eigenen Namen heraus. Nach dem Tod des Vaters edierten Jodocus II und Henricus Hondius den Atlas wiederholt. Die Ausgabe von 1630 enthielt erstmals die vorliegende Weltkarte, die ihre Konkurrenz zu Blaeus Weltkarte von 1606 nicht verbergen kann (Kat. 14). Die Grundlage bildete die Weltkarte des Engländers John Speed von 1626. Angeregt durch Blaeu hatte Speed seiner Karte die Vier Elemente sowie Darstellungen der Sonnen- und Mondfinsternis sowie einer Himmelssphäre und ein Schema der Planetenbahnen hinzugefügt. Weiterhin ordnete er den Planetengottheiten kosmologische Eigenschaften nach der antiken Elementenlehre, wie heiß, kalt, trocken und feucht zu. Bildnisse von Francis Drake, Ferdinand Magellan, Oliver van der Nort und Thomas Cavendish ergänzten den Bildschmuck. Hondius übernahm die Karte, fügte ihr neue Bilder der Vier Elemente bei. Die vier Bildnisse ersetzte er hingegen durch Konterfeis von Julius Cäsar, Claudius Ptolemäus, Gerhard Mercator und das seines Vaters Jodocus I Hondius. Die beiden letzteren entstanden nach dem Doppelbildnis, das dem Mercator-Hondius-Atlas ab 1613 beigefügt wurde (Kat. 72). Dass neben Ptolemäus ein Herrscher wie Julius Cäsar erscheint, dürfte sich auf dessen in verschiedenen Quellen überliefertes Projekt beziehen, die damals bekannte Welt zu vermessen (Harley, Woodward 1987, 205f). Das darüber hinaus in Cäsar zum Ausdruck kommende Bekenntnis zum europäischen Kaisertum als Weltherrschaft wird bekräftigt durch Europa, die, als Kaiserin thronend, die Huldigung der drei anderen Kontinente empfängt.
HB = PD Dr. Heiner Borggrefe (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
20 Dritte Buch Americae, Darinn Brasilia
Nr. 20. K 1143.4°-3
aufgeschlagen: Kampf zwischen Europäern und indigenen Einwohnern Südamerikas mit Kannibalismusszene
Der aus Nordhessen stammende Hans Staden (um 1525–1576) reiste 1548 als Landsknecht in portugiesischen Diensten nach Brasilien. 1550 war er Kommandant der kleinen Festung Santo Amaro nahe São Vicente. Bei einem Festlandaufenthalt wurde Staden von den dort siedelnden Tupinambá-Indianern gefangengenommen. In den folgenden neun Monaten wurde er Augenzeuge der kannibalischen Praktiken dieses Volkes. Es gelang Staden, seine eigene rituelle Tötung immer wieder hinauszuzögern, indem er seine Zugehörigkeit zu den Portugiesen, den Feinden der Tupinambá, leugnete und sich als Wunderheiler ausgab. Seine Rettung erfolgte durch einen französischen Kapitän, der ihn freikaufte. Zurück in Europa, veröffentlichte er seine Erlebnisse mit der Hilfe des Marburger Gelehrten Johann Dryander unter dem Titel Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden, Nacketen, Grimmigen Menschfresser Leuthen in der Newenwelt America gelegen (Marburg 1557). Der drastisch beschriebene Kannibalismus prägte das frühe Bild der Europäer von der Neuen Welt (vgl. Kat. 134). 1593 nahm Theodor de Bry den Text in seine Amerika-Reiseberichte auf und ersetzte die ursprünglichen, eher unbeholfenen Holzschnitte durch kunstvolle Kupferstiche, die durch die realistischen Kannibalismus-Szenen schockieren.
Der aufgeschlagene Stich zeigt die Belagerung einer portugiesischen Palisadenfestung nahe der Hafenstadt Marin durch die Tupinambá. Im Vordergrund ist zu sehen, wie zwei portugiesische Boote auf dem Weg zur Insel Tammaraka von den Tupinambá mit Pfeilen beschossen und mit gefällten Bäumen bei der Fahrt behindert werden. Das Bild kombiniert perspektivische Landschaftsansicht und kartographische Darstellung, um möglichst viele Details der einen Monat andauernden Belagerung zu schildern: neben den Kampfszenen etwa die beiden Lager der Indianer, deren Verstecke in Erdlöchern oder das Grillen von Fischen und menschlichen Gliedmaßen.
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
22 AMERICA (Amerika)
Nr. 22. K 84.2°
in: Mercator-Hondius-Atlas
Nord- und Südamerika, im Süden durch die Magellanstraße vom riesigen Südkontinent Terra australis getrennt, liegen bei Hondius inmitten einer reizvoll ausgestalteten Meereslandschaft. Hier schwimmen Seeungeheuer und verkehren verschiedenste Wasserfahrzeuge. Neben europäischen Segelschiffen sind ein japanischer Zweimaster, ein Kanu der Patagonier und ein Einbaum nordamerikanischer Indianer zu sehen und durch Beischriften erklärt. In einer breiten Rollwerkkartusche unten links wird ein Trinkgelage brasilianischer Ureinwohner sowie die Herstellung des landesüblichen alkoholischen Getränks aus der Maniokwurzel geschildert. Die Szene geht auf einen Kupferstich Theodor de Brys für Hans Stadens Reisebericht zurück (Frankfurt 1593, 75, Kat. 20). Die Amerikakarte wurde für die vorliegende Erstausgabe des Mercator-Hondius-Atlasses geschaffen, in der sie zusammen mit Michael Mercators Karte von Nord- und Südamerika (Kat. 21) erschien.
KS = Katja Schoene M.A. (Berlin)
32 LA VILLE DE NAGASAKI (Nagasaki)
Nr. 32. K 1884.2°, 65.
Der Stadtplan von Nagasaki zeigt links die Stadt selbst, daran anschließend, durch eine Brücke verbunden, das fächerförmige Inselchen Dejima von etwa 200 m Länge, darüber die chinesische Niederlassung, sowie die Hafenbucht von Nagasaki. Im unteren Teil sind japanische Münzen in Originalgröße abgebildet: drei Gold-, zwei Silber- und zwei chinesische Kupfermünzen, die damals in Japan in Umlauf waren.
Dejima wurde 1634 vor der Stadt aufgeschüttet, diente einige Jahre als portugiesische Niederlassung und war ab 1641 der Ort der Faktorei der Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC). Nicht erkennbar ist in der Darstellung, dass um das Straßenkreuz einige Dutzend Gebäude standen, Wohn- und Lagerhäuser usw. Bewohnt wurde Dejima ganzjährig von etwa zehn Holländern und vielen Japanern, darunter Dolmetscher u.a. Die Bewegungsfreiheit der Holländer war strikt auf die Insel beschränkt – der dort für zwei Jahre lebende Arzt Kaempfer »eingesperret« (Kaempfer 2001) –, mit Ausnahme der jährlichen Huldigungsreisen an den Hof des Shogun in Jedo (Tokyo).
Kaempfer besaß zwei große japanische Holzschnittkarten von Nagasaki, von denen er eine Kopie mit Übersetzungen der Texte anfertigte (alle drei noch in der British Library vorhanden). Nach dieser Kopie zeichnete Scheuchzer unter Hinzufügung der Münzen eine verkleinerte Vorlage für einen Kupferstich, der dann 1727 als Tafel XIX in der History of Japan erschien, ebenso 1729 in den französischen und holländischen und den späteren Ausgaben. Neu gezeichnet erschien sie dann wie hier um 1740 in einem Atlas der Brüder Ottens, Amsterdam.
LW = Dr. Lothar Weiß (Engelbert-Kaempfer-Gesellschaft Lemgo)
33 CARTE De la Route par Terre depuis FARRA jusqu’à JEDO (Landweg von Hara nach Jedo)
Nr. 33. K 1884.2°, 72.
Die Wegekarte ist die letzte von neun, die Kaempfers Hofreise von Nagasaki zur Hauptstadt Jedo (Tokyo) wiedergeben. Sie zeigt den letzten Teil der Reise, erstreckt sich über etwas mehr als 100 km Luftlinie, von der Tokaido-Station 14 bis zur ersten und enthält mehr als 70 Ortsangaben. Kaempfer legte diesen Weg 1691 und 1692 insgesamt viermal zurück, nach seinem Tagebuch das erste Mal auf vier Tagesetappen vom 28. bis 31. März 1691.
Die vielen detaillierten Angaben erhielt er wohl von dem jungen Japaner Imamura Gen’emon, der ihn begleitete und dem er auch sonst viel Unterstützung zu verdanken hat. Vermutlich hat Kaempfer ergänzende Informationen aus den japanischen Reisehandbüchern entnommen, die heute in seinem Nachlass in der British Library aufbewahrt werden. Aber er hat auch »zu steter Peilung der wege, berge und Ufere, verborgentlich gebraucht, einen grosen Compas« (Kaempfer 2001), wobei er vorgab Pflanzen zu zeichnen, um keinen Argwohn bei diesem verbotenen Tun zu erregen.
Eine eigenhändige große Vorstufe Kaempfers zu dieser Wegekarte ist in der British Library noch vorhanden. Scheuchzer nahm sie als Vorlage für seine Zeichnung, die er 1727 in London als Tafel XXIX in der Erstausgabe von Kaempfers Japan-Werk History of Japan drucken ließ. Sie wurde auch in die französischen und holländischen Übersetzungen von 1729 aufgenommen (ebenso in alle späteren). Neu gezeichnet wurde sie um 1740 für einen Atlas der Brüder Ottens, aus dem das vorliegende Blatt stammt.
LW = Dr. Lothar Weiß (Engelbert-Kaempfer-Gesellschaft Lemgo)
35 CHINAE, olim Sinarum regionis, nova descriptio (China)
in: Der Dritte Zusatz deß Theatri Oder Schawbuchs deß Erdbodems
Abraham Ortelius nach Ludovicus Georgius │ Antwerpen: Christoph Plantin │ 1584 │ Buchdruck und kolorierter Kupferstich │ 37,2 x 48,2 cm, 2° │ Lit. Van den Broecke 2011, Ort164; Van der Krogt 2003, Nr. 8410:31.
Detmold, Lippische Landesbibliothek, Sign.: K 81.2° (aus der Bibliothek Graf Simons VI. zur Lippe)
Die Karte erschien als erste jemals gedruckte Atlaskarte von China in der ersten Ausgabe des dritten lateinischen Additamentum von 1584. Im selben Jahr wurde sie der lateinischen Ausgabe des Theatrum orbis terrarum von 1584 beigefügt und bis 1641 nachgedruckt. Sie basiert auf einer Manuskriptkarte, die der Jesuit Luiz de Barbuda (Ludovicus Georgius) während seines Aufenthalts in China anfertigte und Ortelius sandte. Bemerkenswert sind die Darstellungen der Großen Mauer, von Segelwagen (in Europa erst nach 1600 erfunden) und dem großen See (unten Mitte) mit der Beschreibung einer verheerenden Flut von 1557, bei der sieben Städte und viele Dörfer überschwemmt wurden und bis auf einen Jungen, der auf einen Baum kletterte, alle Menschen ertranken.
Der Text auf der Rückseite enthält eine akribische Beschreibung von Bräuchen, Land und Leuten sowie der Sprache samt vier chinesischen Schriftzeichen, die Ortelius aus dem 1577 in Sevilla veröffentlichten Discorso de la navigation des spanischen Jesuiten Bernardino Escalante hatte. Ortelius, der flüssig Spanisch lesen konnte, entnahm dem Buch zahlreiche Informationen, etwa über Kormorane mit einem Ring um den Hals, die den gefangenen Fisch wieder ausstoßen, über reiche Männer, die in den Vororten Konkubinen halten, oder über die Schrift, die im ganzen Land gelesen werden kann, aber in den einzelnen Regionen verschieden ausgesprochen wird. Antonio Pigafetta, ebenfalls Informationsquelle von Ortelius, berichtete von durchsichtigem Porzellan, für das die Rohmasse 80–100 Jahre vergraben und als Kostbarkeit über Generationen vererbt wird.
Bis zum Erscheinen von Hondius’ erster Chinakarte 1606 war die von Ortelius bei weitem die beste. Der erste China-Atlas des Joan Blaeu von 1655 mit 17 Karten eröffnete eine neue Phase der kartographischen Repräsentation von China und Japan in Europa.
MvdB = Dr. Marcel van den Broecke (Cartographica Neerlandica Bilthoven)
38 MARE ARABICUM ET INDICUM (Indischer Ozean)
Nr. 38. K 971.4°.
in: Jan Huygen van Linschoten, Itinerario. Voyage ofte Schipvaert
Der aus Haarlem stammende Jan Huygen van Linschoten (1563–1611) weilte 1581–87 in Portugiesisch-Indien, wo er als Sekretär des Erzbischofs von Goa, Frei Vicente da Fonseca, arbeitete. Die Erfahrungen seiner insgesamt von 1579 bis 1592 dauernden Indienreise veröffentlichte er nach seiner Rückkehr in die Niederlande in mehreren Büchern, darunter der vorliegende Reisebericht. Linschotens Landeskunde umfasst ethnographische Beobachtungen, aber auch geographische, botanische und zoologische Beschreibungen. Unter den zahlreichen Illustrationen befinden sich auch Karten, wie die aufgeschlagene, die den Indischen Ozean zeigt. Diese beruhen u.a. auf Informationen aus portugiesischen Seekarten, zu denen Linschoten aufgrund seiner Stellung in Goa Zugang hatte.
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
82 ASTRONOMIAE INSTAURATAE MECHANICA
Nr. 82. Nl 70.
aufgeschlagen: QUADRANS MURALIS SIVE TICHONICUS (Mauerquadrant)
83 STELLARUM OCTAVI ORBIS INERRANTIUM ACCURATA RESTITUTIO (Sternkatalog)
Nr. 83. Mscr 21.2°
aufgeschlagen: fol. 6r und 7v
Der dänische Astronom Tycho Brahe (1546–1601) stellt in seiner Astronomiae instauratae mechanica die von ihm benutzten und verbesserten astronomischen Instrumente (Sextanten, Armillarsphären, Quadranten, Himmelsglobus u.a.) sowie die unter seiner Regie auf der Sundinsel Hven errichteten Sternwarten Uraniborg und Stjerneborg vor (Essay Hamel, Abb. 3). Aufgrund der reichen Ausstattung mit Holzschnitten und Kupferstichen zählt das Werk zu den schönsten je erschienenen astronomischen Büchern. Brahe ließ es in Wandsbek drucken, wo er sich 1598 aufhielt, nachdem er in Dänemark mit dem Regierungsantritt Christians IV. in Ungnade gefallen war. Das vorliegende aufwendig kolorierte und goldgehöhte Exemplar ist mit einer handschriftlichen Widmung des Autors an den lippischen Grafen Simon VI. versehen. Nur wenige solcher signierter Exemplare für fürstliche Empfänger sind bekannt, darunter jene für Moritz von Oranien, den Erzbischof von Köln Ernst von Bayern, die Herzöge Ulrich zu Mecklenburg und Heinrich Julius zu Braunschweig-Lüneburg, den Dogen von Venedig Marino Grimani und den Großherzog der Toskana Ferdinando I. de Medici.
Brahe hat das Buch in der Regel zusammen mit einer Abschrift seines Sternkatalogs verschickt, so auch an Simon VI. Dieser enthält die Positionen von 1004 Sternen, die von Hven aus ermittelt wurden. Die in roter und brauner Tinte sauber ausgeführte Papierhandschrift entspricht im Layout den anderen bekannten Exemplaren. Die Buchverschickung ist wohl als eine Art Imagekampagne zu verstehen, mit der Brahe auf eine Anstellung am Prager Hof zielte, um dort einen angemessenen Ersatz für die in Dänemark verloren gegangenen exzellenten Arbeitsbedingungen zu finden. Beide Werke beginnen mit einer Widmung an Rudolf II. Die meisten Empfänger verfügten über beste Beziehungen zum Kaiserhof. Aus diesem Grund zählte wohl auch Reichshofrat Simon VI. zu diesem illustren Kreis. Brahes Strategie ging auf: Im Sommer 1599 wurde er auf Empfehlung des Herzogs von Mecklenburg und des Kölner Erzbischofs nach Prag berufen.
MB Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
84 URANOMETRIA
Nr. 84. Nl 92.2°
aufgeschlagen: Kassiopeia
Die Uranometria des Rechtsanwaltes und Astronomen Johannes Bayer schrieb Geschichte. Es war der erste Himmelsatlas, dessen Sternörter auf dem genauen Sternkatalog Tycho Brahes beruhten (Kat. 83) und dessen Bilder mit höchster künstlerischer Meisterschaft angefertigt und in Kupfer gestochen wurden. Schon lange vor Bayer wurden Bilder des gestirnten Himmels gezeichnet, sowohl auf Globen als auch auf Karten. Doch in der Regel war dies nur schmückendes Beiwerk, mit Sternen, die dem wirklichen Himmel gar nicht entsprachen, oder in einem Maßstab, der eine genaue Verzeichnung der Sterne nicht erlaubte (Kat. 80, 81). Dagegen bot Bayer eine ganz neue Qualität. Er stellte jedes Sternbild auf einem großformatigen Kartenblatt von jeweils ca. 27 x 35,5 cm vor. Jeder Stern wurde aufs Genaueste nach seinen astronomischen Koordinaten eingezeichnet. Die Skalen der Koordinaten, der ekliptikalen Länge und Breite, verlaufen am Rand der Karten sowie die für die ekliptiknahen Sternbilder, ergänzend für 10° nördlich und südlich der Ekliptik, zur genauen Bestimmung der Örter der Planeten. Die Sternbildzeichnungen des Augsburger Kupferstechers Alexander Mair stehen für sich als bedeutende Kunstwerke und sind ein Höhepunkt der wissenschaftlichen Buchillustration.
Bayers Himmelsatlas ist nicht nur das erste Werk der meisterhaften Verbindung zwischen Wissenschaft und Kunst, sondern auch schon deren Höhepunkt. Legte Bayer großen Wert auf eine ansprechende künstlerische Darstellung des gestirnten Himmels, so bleibt doch die wissenschaftliche Zielsetzung seines Werkes im Vordergrund. Diese Symbiose wird in folgenden Himmelsatlanten nie wieder erreicht. Schon die zweite Auflage des Bayerschen Atlas (Augsburg 1661) zeigt die Wende: Auf den originalen Kupferplatten werden die Sternbildzeichnungen nachgestochen, sie sind nun stark betont, während die Sterne zu verblassen beginnen. Noch weiter in den Vordergrund drängen sich die Sternbildzeichnungen im Himmelsatlas Firmamentum Sobiescianum, sive uranographia von Johannes Hevelius (Danzig 1690), der die bei Bayer strahlenden Sterne durch einen schwarzen Kreisring geradezu erdrückt, während die Zeichnungen ihre barocke Pracht entfalten. Bald darauf ging die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung. Je mehr Sterne katalogisiert und bildlich darzustellen waren, um so störender wurden die Bilder des Himmels, die nach und nach ganz verschwanden, bis Himmelskarten nur noch aus einem Gewimmel kleiner schwarzer Punkte bestanden und künstlerische Aspekte keinen Platz mehr fanden.
JH = Dr. Jürgen Hamel (Archenhold-Sternwarte Berlin)
103 Kunst des Feldtmessens oder Geometria
Nr. 103. Mscr 45.
aufgeschlagen: Gebrauch von Messruten
1591 erschien in Görlitz das Werk Geometria. Kunst des Feldmessens des in Schlesien und Sachsen wirkenden Breslauer Rechenmeisters Matthias Nefe. Auf dem Titelblatt bezeichnet er sich als »verordneter Landmesser« der Kaiser Maximilian II. und Rudolf II., der habsburgischen Landesherren in Schlesien. Ebenfalls auf dem Titel empfiehlt er sein Handbuch »Allen Potentaten, Geistliches und weltliches standes, vom obersten Gradt, biß auff den untersten, Ja allen denen, welche Landtgüter haben«. Behandelt wird die Vermessung mit Ellen, Ruten und Ketten, ebenso verschiedene Berechnungsmethoden bis hin zur Trigonometrie und Ermittlung von Flächeninhalten.
Die vorliegende Handschrift entstand nach dem Görlitzer Druck, enthält jedoch zusätzlich eine Widmung an Gräfin Margareta von Diepholz, geborene von Hoya und Bruchhausen (1527–1596). Weitere Abschriften befinden sich in der Bibliothek Alvensleben auf Schloss Hundisburg (Alv. Na 22, dieses Exemplar vom selben Schreiber), in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Cod. Guelf. 87 Extrav. und Cod. Aug. 44.4 2°, auch diese beiden wohl von gleicher Hand) und in der Lüneburger Ratsbücherei (Ms. Miscell. D 2° 14).
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
135 THEATRUM ORBIS TERRARUM
aufgeschlagen: TYPUS ORBIS TERRARUM (Weltkarte)
Abraham Ortelius │ Antwerpen: Christoph Plantin │ 1570 (1579) │ Buchdruck und kolorierter Kupferstich │ 2°, 33,7 x 49,3 cm │ Lit. Van den Broecke 2011, Ort1; Van der Krogt 2003, Nr. 0001:31A; Shirley 1993, Nr. 122; AKat. München 1992, Nr. 99.
Detmold, Lippische Landesbibliothek, K 80.2° (aus der Bibliothek Graf Simons VI. zur Lippe)
Die erste Weltkarte überhaupt, die in einem Atlas auftaucht, basiert auf einer großen Anzahl von Quellen, die Ortelius größtenteils in seinem Catalogus auctorum, dem Verzeichnis der Kartographen, aber auch im Text auf der Kartenrückseite nennt. Neben Gerhard Mercator gehören dazu Jacopo Gastaldi aus Venedig, Diego Gutiérrez’ Portolankarte des Atlantik, Petrus ab Aggere aus Mecheln, Peter Apian aus Ingolstadt, Sebastiano Caboto aus Venedig, Laurentius Fries sowie Gemma Frisius und Lodovico Guicciardini, beide aus Antwerpen. Die Karte war sehr einflussreich und erschien in zahlreichen Atlanten von Ortelius’ späteren Konkurrenten, die daran kaum Änderungen vornahmen.
Wie sehr sich Ortelius an Mercator orientiert, vor allem an dessen Weltkarte in 18 Blättern von 1569, zeigt sich am Küstenverlauf Chiles, der nach dem Vorbild Mercators dargestellt ist und nicht wie auf Ortelius’ eigener Weltkarte in 8 Blättern von 1564. Ortelius traute Mercators Geographie offenbar mehr als der eigenen. Der Fehler im Küstenverlauf wurde von Ortelius erst 1588 bei der Überarbeitung seiner zweiten Weltkarte korrigiert. Man beachte auch das Fehlen Australiens und die Darstellung eines riesigen Südkontinents, der natürlich noch nicht entdeckt war, dessen Existenz aber aus Gründen des Gleichgewichts der Erde auch von Mercator angenommen worden war.
MvdB = Dr. Marcel van den Broecke (Cartographica Neerlandica Bilthoven)
141 EUROPAE […] DESCRIPTIO
aufgeschlagen: HOLLANDIA (Niederlande)
Matthias Quad │ Köln: Jan Bussemacher │ 1594 │ Buchdruck und kolorierter Kupferstich │ 4°, 18 x 27 cm │ Lit. Hildenbrand 1892.
Detmold, Lippische Landesbibliothek, K 82.4° (aus der Bibliothek Graf Simons VI. zur Lippe)
Der in Deventer geborene Matthias Quad (1557–1609/13) wirkte 1587–1604 als Kupferstecher und Autor in Köln. Ab 1589 stach er zusammen mit Heinrich Nagel die Druckplatten zu einem Taschenatlas von Europa, der 1592 bei Bussemacher unter dem Titel Europae totius orbis terrarum partis praestantissimae, universalis et particularis descriptio (Allgemeine und spezielle Beschreibung Europas, des vortrefflichsten Teiles des gesamten Erdkreises) erschien. Er beruht weitestgehend auf Verkleinerungen der Karten in Abraham Ortelius’ Atlas Theatrum orbis terrarum (Kat. 135). Der vorliegenden Ausgabe mit ihren 50 Karten waren erstmals von Quad verfasste Texte beigegeben. Unter dem Titel Geographisch Handtbuch wurde das Werk im Jahr 1600 zum Weltatlas erweitert.
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
142 ATLAS MINOR
Nr. 142. K 86.
aufgeschlagen: TYPUS ORBIS TERRARUM (Weltkarte)
1604 hatten der Amsterdamer Verleger Cornelis Claesz. und der Kartenstecher Jodocus I Hondius aus Mercators Nachlass dessen Kartendruckplatten ersteigert und 1606 mit diesen Karten sowie 37 neuen den sog. Mercator-Hondius-Atlas (Kat. 22) herausgebracht. Nach dem Vorbild älterer preiswerterer Taschenatlanten wie z.B. Spieghel der werelt (Antwerpen 1577) oder Caert-thresoor (Middelburgh 1598) schuf Hondius 1607 eine verkleinerte Ausgabe des Folioatlasses. Die 152 Karten dieses Atlas minor und der Text entsprechen weitgehend der großen Vorlage. In den folgenden Jahren erschienen eine Ausgabe mit französischen und die vorliegende mit deutschen Rückseitentexten.
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
144 NOVUS ATLAS, Das ist Weltbeschreibung, Bd. 2
aufgeschlagen: ASIA noviter delineata (Asien)
Joan und Willem Jansz. Blaeu │ Amsterdam: Joan Blaeu │ 1630 (1647) │ Buchdruck und kolorierter Kupferstich │ 2°, 42 x 56 cm │ Lit. Koller 2014; Van der Krogt 2000, Nr. 8000:2.
Detmold, Lippische Landesbibliothek, K 92.2°-2
Bei dem ausgestellten Atlas aus dem Verlagshaus Blaeu handelt es sich um den zweiten Teil einer deutschen Ausgabe des Atlas novus, der ab 1645 in vier Teilen vorlag. Beginnend mit Willem Jansz. Blaeus einteiligem Atlantis appendix (1630) entwickelte sich das Kartenwerk unter seinem Sohn Joan bis zum zwölfteiligen Atlas maior (1662). Anlass für die ständigen Erweiterungen war die Konkurrenz mit Henricus Hondius und Johannes Janssonius. Die Blaeus lieferten sich mit deren Unternehmen einen regelrechten verlegerischen Schlagabtausch um den umfangreichsten Atlas.
Asien ist von einem breiten Schmuckrahmen umgeben. Dieser zeigt in kleinen Einzelbildern oben ausgewählte Städte (Kandy, Kalkutta, Goa, Damaskus, Jerusalem, Ormus, Bantam, Aden, Macao) sowie links und rechts Figurenpaare in typischen Landestrachten. Segelschiffe und die bizarren Meereswesen oder der Löwe in Afrika verbinden auch im Kartenbild Geographie und dekoratives Beiwerk.
Die Karte erschien erstmals 1630 im Atlantis appendix. Sie verzeichnet mit der malaysischen Halbinsel, Indonesien, Ceylon, Kanton und Japan die für die Niederlande wirtschaftlich interessantesten Gebiete. Ende des 16. Jahrhunderts war eine erste Expedition nach Java gereist, 1602 wurde die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) gegründet, ab 1619 entwickelte sich Batavia (heute: Jakarta) zum wichtigsten Stützpunkt des niederländischen Asienhandels.
KS Katja Schoene M.A. (Berlin)
145 Sammelatlas mit Karten verschiedener Verleger
aufgeschlagen: handschriftliches Register und Titelblatt
Der Atlas ist ein typisches Beispiel für ein individuell zusammengestelltes und dann zu einem Buchbinder gegebenes Kartenwerk (sog. Atlas factice). Er enthält Blätter verschiedener Kartographen und Verleger, darunter Gerard Valk, Alexis Hubert Jaillot, Johann Baptist Homann, Justus Danckerts, Pieter Schenck d.Ä., Nicolas de Fer, Nicolaas Visscher, Frederick de Wit und Carel Allard. Fast durchweg handelt es sich um aktuelle Karten aus der Zeit um 1700, darunter als eine der jüngsten die Homannkarte der Sonnenfinsternis von 1706 (vgl. Kat. 92). Der Sammlung ist der Kupfertitel des um 1700 in Amsterdam erschienenen Atlasses Nova totius geographica telluris projectio von Gerard Valk vorgeschaltet, ebenso ein handgeschriebenes Register, das alle 81 enthaltenen Karten auflistet. Ein handschriftlicher Vermerk in Französisch auf dem Titelblatt dokumentiert, dass der Verkäufer des Sammelatlasses 1709 in Leiden 30 Florin erhalten hat.
MB = Dr. Michael Bischoff (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
163 DIE GRAFFSCHAFFT LIPPE IN IHREN RICHTIGEN GRENTZEN (Grafschaft Lippe)
164 CARTE DU COMTÉ DE LIPPE (Grafschaft Lippe)
165 CARTE GÉOGRAPHIQUE DU COMTÉ DE LIPPE (Grafschaft Lippe)
Detmold, Lippische Landesbibliothek, 02-LK 2.2°, 02-LK 3.2° und 02-LK 4.2°
Die drei Karten der Grafschaft Lippe im fast gleichen Format und mit nahezu identischem Kartenbild entstanden im Zeitraum von etwa vier Jahren. Die Manuskriptkarte aus der Zeit um 1758 mit dem Titel: Die Graffschaft Lippe in ihren richtigen Grentzen, Eintheilung der Aemter und Vogteyen, Städten, Dörfern, Flüssen, Wäldern, angrentzenden Nachbarn diente der im Pariser Verlag Jaillot gedruckten Karte von 1761 als Vorlage. Diese ist durchgehend französisch beschriftet und führt die einzelnen Verwaltungsbezirke namentlich auf: »de Barntrupt, de Blomberg, de Brack, de Detmold, de Falckenberg, d᾿Heiden, de Horn, d᾿Oldenbourg, d᾿Orlinghausen, de Lage, de Schotmar, de Schwalenberg, de Sternberg, de Varenholtz«. Die 1762 in Augsburg im Verlag Lotter erschienene Karte ist ein Nachstich des Pariser Exemplars.
Die Geschichte der ersten gedruckten Karte Lippes beginnt mit den Katastervermessungen der Grafschaft seit 1751, bei denen man aus Zeit- und Sparsamkeitsgründen von der Anfertigung von Flurkarten absah. Als Landvermesser war Johann Rudolf Heimburg von 1751 bis 1757 und wohl wieder von 1769 bis mindestens 1771 in lippischen Diensten. Sein Antrag von 1757 auf die Herstellung einer Karte der Grafschaft für eine Gesamtsumme von 94 Talern und 16 Groschen (Detmold, Landesarchiv NRW, L 101 A I Nr. 100) wurde vermutlich abgelehnt. 1758 fertigte er privat eine Manuskriptkarte, die nur zum Teil auf genauer Vermessung beruhte. Im Siebenjährigen Krieg, in dem Lippe bis auf ein größeres Scharmützel zwischen den französischen und den alliierten Truppen 1761 bei Horn Durchgangsgebiet für die militärischen Operationen war, entwendete der französische Ingenieur E. Alphonse Blanmont de Thierville Heimburgs Manuskriptkarte aus dem lippischen Regierungsarchiv und veröffentlichte sie 1761 unter eigenem Namen. Zusammen mit dem Augsburger Nachstich diente diese Karte Wilhelm Gottlieb Levin von Donop 1785 und Carl Dietrich Niehausen 1786 als Grundlage ihrer verbesserten Karten der Grafschaft Lippe.
RS = Rolf Schönlau M.A. (Weserrenaissance-Museum Schloss Brake)
195 Buch der Croniken (Weltchronik)
aufgeschlagen: NUREMBERGA/Nurmberg (Nürnberg)
Hartmann Schedel│ Nürnberg: Anton Koberger │ 1493 │ Buchdruck und Holzschnitt │ 2°, 34,5 x 50 cm │ Lit. Niehr 2014, 14f; Füssel 2001, 649f; GW, Nr. M40796.
Detmold, Lippische Landesbibliothek, 02-G 117.2° (aus der Bibliothek Graf Simons VI. zur Lippe)
Die in einer deutschen und einer lateinischen Ausgabe erschienene Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel gehört zu den aufwendigsten gedruckten Büchern des ausgehenden Mittelalters. Besonders populär sind die zahlreichen Städtebilder, die teils fiktiv, teils porträthaft sind. Die aufgeschlagene doppelseitige Ansicht von Nürnberg wird als einzige im Buch ohne weiteren Text abgebildet. Allein die gewählte Größe der Darstellung lässt erkennen, welche Wichtigkeit der Reichsstadt beigemessen wurde. Die von Michael Wolgemut gezeichnete Ansicht ist wirklichkeitsgetreu und zeigt zugleich ein Idealbild der spätmittelalterlichen Stadt um 1500, die sich durch einen doppelten Mauerring als wehrhaft zeigt. In einer Fülle von wohlgeordneten Patrizierhäusern erhebt sich die Kaiserburg oberhalb der Stadt. Geprägt wird das Gesamtbild durch die repräsentativen Kirch- und Stadttürme, welche aus dem Häusermeer hervorragen und die Burg flankieren sowie den Holzschnitt zu den Seiten hin begrenzen. Im Vordergrund ist der Weg zum Frauentor zu sehen, eine Galgengruppe als Andeutung der städtischen Gerichtsbarkeit und die Pegnitz, an der sich eine Papiermühle befindet. Das Ensemble mit dem über der Stadt thronenden Burgberg wird in nachfolgender Zeit immer mehr zur Chiffre für Nürnberg-Ansichten. Die Darstellung aus der Schedelschen Weltchronik findet schon früh viele Nachahmer, so dass bereits 1502 eine erste, verkleinerte Kopie in den Quattuor libri amorum des Conrad Celtis auftaucht.
AM = Alina Menkhoff (Universität Osnabrück)
196 COSMOGRAPHIAE universalis
Nr. 196. K 1.4°
aufgeschlagen: Civitas Augustana olim Vindelica (Augsburg)
Sebastian Münsters Ansicht von Augsburg bietet ein neuartiges Bild der Stadt. Senkrecht von oben blickend, ergibt sich der Eindruck eines heute gebräuchlichen Stadtplans. Einzelne Bauwerke sind hingegen räumlich dargestellt, als würde man sie von Osten aus sehen. Den unteren Teil nimmt die Jakober-Vorstadt ein. Bezeichnend für Münsters Plan ist neben der neuen Perspektive auch der Verzicht auf die vollständige Wiedergabe der Bebauung. Eingeschlossen in dem wehrhaften Mauerring werden lediglich die repräsentativen Bauten gezeigt, quasi als Essenz dessen, was Stadt bedeutet. Die Zahl der ausgewählten Objekte beläuft sich auf 59, wobei diese vier unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden können: Stadtbefestigung, kirchliche Gebäude, kommunale Bauten und solche der gesellschaftlichen Oberschicht. Sie alle sind Ausdruck des Selbstverständnisses der Reichsstadt. Münsters Plan war so innovativ, dass er später (1563) als Basis für den Stadtplan Augsburgs von Hans Rogel diente. Dieser übernahm die Ansicht von Osten, zeichnete aber die gesamte Bebauung ein. Rogels Holzschnitt wurde wegweisend für die Darstellung Augsburgs in den nachfolgenden Jahrhunderten, so dass sie in vergleichbarer Form unter anderem im Städtebuch von Braun und Hogenberg und in Matthäus Merians Topographie auftaucht.
AM = Alina Menkhoff (Universität Osnabrück)
197 CIVITATES ORBIS TERRARUM, Bd. 2
Nr. 197. K 79.2° Bd. 2, Nr. 54.
aufgeschlagen: HIEROSOLYMA URBS SANCTA (Jerusalem)
»So spricht der Herr: Das ist Jerusalem, das ich mitten unter die Völker gesetzt habe und ringsherum Länder.« Mit diesem Satz in Latein aus Hesekiel 5.5, welcher das christliche Selbstverständnis von Jerusalem als Nabel der Welt ausdrückt, ist die Ansicht im Städtebuch von Georg Braun und Frans Hogenberg überschrieben. Vom Ölberg aus gesehen, bietet sich der Blick auf die Heilige Stadt, die sich hinter dem Kidron-Tal erhebt. Die einzelnen Gebäude sind in eine Festungsmauer mit mehreren Stadttoren einbeschrieben. Markant ist, wie bei Jerusalem-Ansichten üblich, der Felsendom, der auch als Templum Salomonis bezeichnet wird. Schräg dahinter befindet sich die Grabeskirche. Die Eingangsfassade – und damit die typische Ansicht – zeigt zum Betrachter, was nicht den realen Gegebenheiten entspricht. Die Vedute wurde im 17. und 18. Jahrhundert vielfach kopiert.
Bei früheren Jerusalem-Ansichten lassen sich einzelne Motive finden, die übernommen wurden – beispielweise aus Erhard Reuwichs Illustrationen zu Breydenbachs Peregrinatio in terram sanctam (Kat. 194). Die Gesamtkomposition basiert jedoch vermutlich auf einer Darstellung im Pilgerbericht des tschechischen Adligen Ulrich Prefat von Wilkanau. Wilkanau, der 1546 ins Heilige Land reiste, illustrierte seinen Bericht (Prag 1563) mit einer Zeichnung des venezianischen Künstlers Domenico dalle Greche, der sein Reisegefährte war. Bei einem Vergleich der beiden Abbildungen wird eine deutliche Übereinstimmung, nicht nur in einzelnen Gebäuden, sondern auch in der Komposition, erkennbar.
AM = Alina Menkhoff (Universität Osnabrück)
198 CIVITATES ORBIS TERRARUM, Bd. 3
Nr. 198. K 79.2°, Bd. 3, Nr. 52.
aufgeschlagen: TIBURTUM vulgo TIVOLI
Tivoli, auf einem Hochplateau über der Schlucht des Aniene gelegen, ist von Nordwesten zu sehen. Die Stadt in der Nähe von Rom ist seit jeher ein sommerliches Ausflugsziel, auch wegen der zum Teil noch erhaltenen antiken Bauwerke, wie dem Tempel der tiburtinischen Sibylle. Die Silhouette der Stadt prägt der Dom San Lorenzo, dessen Turm aus der Dächerlandschaft herausragt. Auf der linken Seite ist die Festung Rocca Pia aus dem 15. Jahrhundert zu sehen. Tivolis außergewöhnliche Lage wird in diesem Stich nach einer Zeichnung von Georg Hoefnagel besonders betont, da die eigentliche Stadtansicht nur einen geringen Teil des Bildes einnimmt und das Augenmerk vor allem auf der Aniene-Schlucht liegt. Bemerkenswert sind die Wanderer auf der linken Seite. Ein ortskundiger Führer macht zwei vornehm gekleidete Herren auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Bei den beiden handelt sich um Abraham Ortelius und Georg Hoefnagel, die Tivoli 1578 besuchten. In einer Insertvedute werden die berühmten Wasserfälle des Aniene gezeigt, auf die Hoefnagel verweist.
AM = Alina Menkhoff (Universität Osnabrück)
203 TOPOGRAPHIA WESTPHALIAE
Nr. 203. K 91.4°.
aufgeschlagen: Düsseldorff (Düsseldorf)
Detmold, Lippische Landesbibliothek, K 91.4°
Von Westen über den Rhein schauend, bietet sich der Blick auf Düsseldorf. Die Stadtsilhouette ist geprägt von vielen Turmspitzen, die sich weit über die Dächer der umliegenden Häuser erheben. Zwei von ihnen sind durch Nummerierung und die Legende im unteren Teil des Bildes zu identifizieren, nämlich links außen die Kreuzherrenkirche (Creutzbrüder) und rechts daneben St. Andreas (Iesuiter Kirch). Zwischen den beiden Gotteshäusern findet sich eine dritte Kirche, die durch ihre steil emporragende Turmhaube den Höhepunkt der Ansicht bildet. Es ist St. Lambertus, die älteste Kirche in Düsseldorf. Besonders betont wird die Lage am Rhein, der einen Großteil der unteren Bildhälfte einnimmt. Zum Fluss hin wird die Stadt durch Wehranlagen abgeschirmt, nur mittig ist ein Teil freigelassen. Dort befindet sich der Hafen – auf der rechten Seite, wo vor der Kaimauer viele Schiffe liegen, mit einem Kran zum Be- und Entladen. Dominant sind die beiden Schriftbänder, die parallel zu den Horizontalen der Vedute flattern. Allerdings geben sie nicht viele Informationen preis, lediglich den Namen der Stadt sowie die beiden erwähnten Angabe zu den Kirchen. Rechts oben befindet sich ein leerer Wappenschild.
AM = Alina Menkhoff (Universität Osnabrück)