LZ-Serie: 400 Jahre – 400 Bücher

Die Ausstellung „400 Jahre, 400 Bücher“ ist derzeit in der Lippischen Landesbibliothek zu sehen. Am Sonntag, 24. August, lädt die Landesbibliothek zum Sommerfest. Gefeiert wird auf dem Gelände an der Hornschen Straße von 11 – 17 Uhr. Bis zum Sommerfest erscheint jede Woche ein Beitrag.

LZ-Serie 1: Tipps von einem Kenner der Kriegskunst

Im Dreißigjährigen Krieg dürften Soldaten nach dem Lehrbuch von Wallhausen exerziert haben

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 159 vom 12./13.7.2014

Man weiß wenig über Johann Jacobi von Wallhausen, den Autor der „Kriegskunst zu Fuß“, die 1615 in Oppenheim erschien. Das Titelblatt des Drucks verrät immerhin, dass er zu diesem Zeitpunkt „der löblichen Statt Dantzig bestellten Obristen Wachtmeister und Hauptmann“ ist, also als Soldat über praktische Erfahrung in der „Kriegskunst“ verfügt.

Im Bestand der Landesbibliothek findet sich auch eine „Kriegskunst zu Pferd“ desselben Autors, die 1616 im gleichen Verlag erschien. Die parallelen Titel und die rasche Folge der Veröffentlichung lässt vermuten, dass beide Werke Teil einer umfassenderen Darstellung der Kriegskunst sind; tatsächlich erschien 1617 noch eine „Archiley-Kriegskunst“, die sich auf den Umgang mit Fernfeuerwaffen bezog (lateinisch „arcus“ = Bogen). Auch Wallhausens Darstellung der antiken römischen „Kriegskunst“ – ebenfalls 1617 – findet sich im Bestand.

Die „Kriegskunst zu Fuß“ hat in ihrem systematischen Aufbau Handbuchcharakter. Dabei richtet sie sich nicht nur an den einfachen Soldaten, sondern auch an den exerzierenden Offizier. So beschreibt das Werk neben der Handhabung der unterschiedlichen Handwaffen auch die Ordnung verschiedener Schlachtformationen kleinerer und größerer Gruppen sowie deren „Quartierung und Lager“. Das Titelblatt verspricht gar „newe Invention“ (=Neuerfindung) in diesem Zusammenhang.

Der Formationsteil ist durch detaillierte Schematafeln ergänzt, die für den heutigen Betrachter in ihrer strengen Geometrie zum Teil graphische Qualität haben. Einen Vorgeschmack darauf gibt die perspektivische Ansicht einer Kreuzformation in der Vignette unterhalb des Inhaltsverzeichnisses auf dem Titelkupfer: So können sich Pikeniere gegen Reiterangriffe schützen.

Die „Kriegskunst zu Fuß“ wurde rasch ins französische und holländische, später auch ins russische übersetzt. Im dreißigjährigen Krieg werden Soldaten nach dem Wallhausen exerziert haben, eine neue deutsche Ausgabe erschien 1630. Die Landesbibliothek hat im ersten Jahrhundert ihres Bestehens Bestandszuwachs aus verschiedenen Quellen gehabt. Der militärische Inhalt schließt allerdings bestimmte Vorbesitzer aus – so stammt sie sicher nicht aus dem Nachlass des Theologen Pezel!


LZ-Serie 2: Von weiblichen „Wärme-Vampiren“

Ein „Aufklärungsbuch“ für mittelalterliche Mönche

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 165 vom 19./20. Juli 2014, S. 18.

Titelkupfer von De secretis mulierum. Signatur: 18.08.379.

Von den „Geheimnissen der Frauen“ handelt dieses dem Kirchenvater Albertus Magnus zugeschriebene Werk. Der echte Verfasser ist unbekannt. Ursprünglich ist es Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden und war gedacht als Handreichung für (mittelalterliche) Mönche, um diese in den „Geheimnissen“ der menschlichen Sexualität zu unterrichten. Denn ein Beichtvater muss ja Bescheid wissen über das ihm Vorgetragene. Der Buchtitel beschränkt die Aufmerksamkeit auf den weiblichen Teil der Sexualität – das macht den heutigen Leser misstrauisch, weil die Zielgruppe das Werk unter dem Gesichtspunkt der Sündhaftigkeit liest. Und das Misstrauen ist berechtigt. Die Darstellung beschränkt sich nämlich nicht auf das Geschehen des Geschlechtsakts, sondern erklärt, warum es zu diesem kommt: Männer, erfährt man, sind von Natur aus warm, Frauen von Natur aus kalt. Daher streben Frauen danach, an der Wärme der Männer teilzuhaben. Und das erreichen sie durch den Geschlechtsakt! Dabei entziehen Frauen den Männern ihre Körperwärme. Das bedeutet für den Mann den Verlust an Lebenskraft, während die Frau Kraft hinzugewinnt.

Diese krude Theorie des Wärmevampirismus erklärt – in Übereinstimmung mit der mittelalterlichen Deutung der Sündenfallgeschichte, die ja auch den Frauen den aktiven Part zuschreibt –, warum Frauen überhaupt nach dem (sündigen) Geschlechtsakt streben; zugleich gibt sie dem Leser ein starkes nichttheologisches Motiv, insbesondere Männer davor zu warnen. – Die Landesbibliothek besitzt das Werk in zwei Ausgaben, beide aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Man fragt sich unweigerlich, wieviel Schaden „De secretis mulierum“ auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter angerichtet hat – und warum es über 300 Jahre nach seiner Entstehung immer noch so stark nachgefragt war, dass es neu aufgelegt und gedruckt wurde!

LZ-Serie 3: Japan-Beschreibung aus Lemgo geht um die Welt

Engelbert Kaempfer und seine „Histoire (…) du Japon“

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 171 vom 26./27.7.2014, S. 25.

Die zweifarbig gedruckte Titelseite der 1729 erschienenen französischen Ausgabe von Engelbert Kaempfers Beschreibung Japans. Signatur: K 980.4°

Engelbert Kaempfer (1651-1716), der große Lemgoer Reisende, ist eine der spannendsten Figuren in der lippischen Wissenschaftsgeschichte. Von seiner zehnjährigen Reise als Gesandter und Arzt, unter anderem nach Persien und Japan, brachte er eine Fülle von Beobachtungen mit. Zu Lebzeiten erschien allerdings nur 1712 bei der Meyerschen Hofbuchdruckerei in seiner Heimatstadt Lemgo das umfangreiche Werk der „Exotischen Köstlichkeiten“. Das ist, wie der Titel vermuten lässt, ein Potpourri unterschiedlichster Inhalte: die systematische Betrachtung der staatliche Verfassung Persiens steht neben medizinischen Abhandlungen oder Bemerkungen zur Dattelpalme und zur japanischen Flora.

Nach Kaempfers Tod 1716 wurde sein Nachlass von Sir Hans Sloane gekauft, einem irischen Arzt, Naturwissenschaftler und Sammler, der 1727 Nachfolger Isaac Newtons als Präsident der Royal Society wurde. Sloane sorgte für die Veröffentlichung der Kaempferschen Manuskripte zur japanischen Geschichte, Kultur und Landeskunde als History of Japan 1727 – natürlich in englischer Übersetzung. Dass zwei Jahre später bereits die hier vorgestellte französische Ausgabe erscheint, 1733 eine niederländische, zeigt deutlich, wie rasch Kaempfers Japanbeschreibung in der gelehrten Welt akzeptiert wurde. Die französische Ausgabe erfährt noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen.
Doch erst 50 Jahre nach der englischen Erstveröffentlichung kommt es auch zu einer deutschsprachigen Ausgabe. Herausgegeben wird sie, auf der Grundlage von deutschen Manuskriptfassungen, von dem preußischen Diplomaten Christan Conrad Wilhelm von Dohm. Der stammte nicht nur aus Lemgo, sondern war auch mit einer Tochter des Leiters der Meyerschen Hofbuchdruckerei verheiratet; selbstverständlich erscheint darum die deutsche Ausgabe 1777/79 dort.

Durch die internationale Veröffentlichungsgeschichte erfahren Kaempfers Darstellungen und Beschreibungen Japans weite Verbreitung; die „Geschichte Japans“ ist in ihrer Wirkung für das europäische Japanbild des 18. und 19. Jahrhunderts kaum zu überschätzen.

LZ-Serie 4: Leser-Service anno 1840

Lehrbuch aus dem 19. Jahrhundert: Bibliotheksnutzer haben Pflichten, aber auch Rechte

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 177 vom 2./3.8.2014, S. 26.

Titelblatt der „Bibliothekonomie“ von Léopold-Auguste Constantin, 1840.
Signatur: Bc 23.

Im 19. Jahrhundert nimmt die „Bibliothekswissenschaft“ als Fachdisziplin, die sich mit allen Aspekten der Bibliotheksverwaltung beschäftigt, einen ungeheuren Aufschwung. Das ist der Not geschuldet, auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu müssen. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend. Zum einen erfährt die Buchproduktion gegen 1850 ihre eigene industrielle Revolution. Mit der Erfindung des auf Holz basierenden Papiers (Patent 1844) steht auf einmal viel mehr bedruckbares Material zur Verfügung. Dem korrespondiert die Entwicklung des Rotationsdrucks (1843), der die Druckgeschwindigkeit vervielfacht. In der Folge vervielfacht sich die Buchproduktion; die Druckerzeugnisse werden zudem billiger. Der Bestand der Bibliotheken wächst deutlich – der der Landesbibliothek etwa zwischen 1800 und 1900 um gut 500 Prozent.

Doch das Bibliothekswesen ist vorbereitet. Denn schon zu Beginn des Jahrhunderts sorgte die Säkularisierung für ein ungeheures Bestandswachstum. Der Bestand der Königlichen Bibliothek in München etwa verzehnfachte (!) sich innerhalb weniger Jahre durch die Übernahme der Klosterbibliotheken in Bayern nach 1803. Um als Bibliothek diese Massen zu bewältigen, brauchte man eindeutige Katalogisierungsregeln und eine straffe Betriebsorganisation. Die Folge ist eine deutliche Professionalisierung des Berufsstandes, die sich in zunehmender Fachkommunikation niederschlägt. Ab 1838 erscheint „Serapeum“, die erste deutsche bibliothekarische Fachzeitschrift. Lehrbücher der „Bibliothekswissenschaft“ erscheinen auf deutsch seit den 1820er Jahren, zum Teil in Übersetzung aus den europäischen Nachbarländern.

Das ausgestellte Stück, Constantins „Bibliothekonomie“, ist eine solche Übersetzung aus dem französischen. Im Unterschied zu seinen deutschen Pendants von Autoren wie Martin Schrettinger oder Friedrich August Ebert hat das Werk einen eminent praktischen Charakter und erschloss sich damit seine eigene Leserschaft; schon zwei Jahre später erschien die zweite, überarbeitete Auflage. Besonders bemerkenswert ist, dass Constantin empfiehlt, eine Bibliothek möge in ihrer Benutzungsordnung nicht nur die Pflichten, sondern auch die Rechte der Benutzer festhalten – ein kundenorientierter Ansatz, dem Bibliotheken wie die Landesbibliothek sich auch heute noch verpflichtet fühlen.

LZ-Serie 5: Agitierende Gedichte für eine Welt, die „von Taten dröhnt“

Für die Landesbibliothek ist das 19. Jahrhundert ohne den Dichter Ferdinand Freiligrath undenkbar

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 183 vom 9./10.8.2014, S. 20.

Detmold war ihm zu klein: Dichter Ferdinand Freiligrath. Das Bild entstand um 1840.
Signatur: FrS B 5.

Für die Landesbibliothek mit ihrer Freiligrath-Sammlung ist das 19. Jahrhundert nicht ohne den in Detmold 1810 geborenen Dichter Ferdinand Freiligrath zu denken. 1838 wurde Freiligrath mit seinem ersten, bei Cotta in Stuttgart erschienenen Lyrikband „Gedichte“ berühmt, ein Riesenerfolg: rund 50 Auflagen erlebte das Werk bis zum Ende des Jahrhunderts. Im gleichen Jahr bot man Freiligrath die freie Direktorenstelle der Landesbibliothek an – vergeblich; Detmold war ihm zu klein.

In den 1840er Jahren weckte die Erfahrung von Zensur sein politisches Bewusstsein, das sich dann auch in politisierenden Gedichten aussprach. Sein „Glaubensbekenntnis“ erschien 1844. Seit Sommer 1846 im freiwilligen Exil in London, versetzten ihn die Nachrichten von den revolutionären Ereignissen im Februar und März 1848 in größte Erregung, die sich in seinen erhaltenen Briefen aus jener Zeit nachfühlen und -lesen lässt. Er schreibt in schneller Folge agitierende Gedichte zur Veröffentlichung in der Deutschen Londoner Zeitung und als Einzeldrucke für den Export als Flugblatt nach Deutschland, obwohl, wie er meint, die Literatur hinter den Ereignissen zurückbleibt: „Wer möchte schon Lieder hören, wenn die Welt von Taten dröhnt“, so schreibt er an den Redakteur Jacob Lucas Schabelitz.

„Schwarz-Roth-Gold“ ist eines dieser Gedichte, geschrieben am 17. März, veröffentlicht am 24. März, in der Ausstellung zu sehen in der Broschürenform des Exports. Freiligrath ruft darin unverblümt zum bewaffneten Freiheitskampf auf. Der Titel des Gedichts verdankt sich dem eingängigen Refrain „Pulver ist schwarz, / Blut ist rot, / Golden flackert die Flamme!“. Heute die deutsche Nationalflagge, hatte die Trikolore Schwarz-Rot-Gold durch ihre Verwendung beim Hambacher Fest 1832 eine revolutionäre Bedeutung erhalten. Sie stand für die Forderung nach nationaler Einheit unter einer demokratisch legitimierten Regierung, gegen die deutsche Kleinstaaterei.

Freiligrath kehrte übrigens im Mai 1848 nach Deutschland zurück, begierig, an den Ereignissen mitzuwirken, nur um als steckbrieflich Gesuchter 1851 wieder nach London fliehen zu müssen.

LZ-Serie 6: Kinder zur Härte erziehen

Ein Ratgeber für Eltern aus dem Jahr 1935

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) in: LZ Nr. 189 vom 16./17.8.2014, S. 20.

Signatur: Mm 30.

Johanna Haarers Erziehungsratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ ist, wie Erscheinungsdatum und die Betonung des „deutschen“ im Titel argwöhnen lassen, ein von der nationalsozialistischen Ideologie geprägtes Buch. Haarer (1900-1988) war promovierte Ärztin, in Österreich geboren, aber in Deutschland tätig. 1939 veröffentlichte sie das Kinderbuch „Mutter, erzähl von Adolf Hitler!“, das die Landesbibliothek ebenfalls besitzt. Dort heißt es im Vorwort: „Wir müssen [die Kinder] bekannt machen mit der harten und oft bitteren Wirklichkeit dieser Welt“. Wie man Kinder zur Härte erzieht und zu „gemeinschaftsfähigen Lebensgewohnheiten“, erläutert auch der Ratgeber. Im Unterschied zu dem, was das Umschlagbild suggeriert, entsprechen Zärtlichkeit und Zuwendung nicht diesem Ziel. Beispielsweise empfiehlt Haarer, Babys von Anfang an an einen Vier-Stunden-Stillrhythmus zu gewöhnen und sie zwischendurch schreien zu lassen. Wenn man Babys auf den Arm nimmt, möge man sie so weit weg halten, dass ihre Augen nicht auf das mütterliche Gesicht fokussieren können. Damit würde die Bindung an die Mutter schwächer und die spätere Einbindung in die Gemeinschaft stärker.

Haarer (siehe Wikipedia-Artikel) ist vielleicht ein typisches Beispiel der Nachkriegsaufarbeitung der NS-Vergangenheit: Die Autorin bekam zwar nach dem Ende des Dritten Reichs keine Zulassung als Ärztin mehr, arbeitete aber in Gesundheitsämtern im öffentlichen Dienst bis zu ihrer Pensionierung 1965. Ihr Ratgeber, der 1943 schon eine Auflagenhöhe von 500.000 Exemplaren erreicht hatte, erschien 1949 erneut, leicht bereinigt. Erkennbar ist das auch am neuen Titel, in dem das Adjektiv „deutsch“ fehlt: „Die Mutter und ihr erstes Kind“. Die Erziehungsgrundsätze blieben allerdings die gleichen, beispielsweise die Empfehlung zum Intervallstillen. Noch 1987 erschien eine „völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage – insgesamt wurden über 1,2 Mio Exemplare gedruckt. Inzwischen ist – glücklicherweise! – das auch an der Druckgeschichte dieses Werks sichtbare Fortwirken nationalsozialistischer Erziehungsgrundsätze über das Ende des Dritten Reiches hinaus selbst Gegenstand der wissenschaftlichen Aufarbeitung geworden.

LZ-Serie 7: Medienwandel

von Joachim Eberhardt

Druckfassung (redigiert) nicht erschienen.

Medienwandel: Buch, VHS-Video, Kassette, Mikrofiche, CD-ROM …

1992 warnte der Kommunikationswissenschaftler Neil Postman in der Wochenzeitung Die Zeit: „Wir informieren uns zu Tode“, die neuen Technologien hätten eine „Informationsschwemme“ gebracht. Das erstaunliche an dieser Diagnose ist aus meiner heutigen Sicht, dass Postman sie formulierte, bevor überhaupt noch das Internet als Medium etabliert war. Email steckte in den Kinderschuhen. Erst 1995 kamen Webbrowser mit graphischen Oberflächen auf den Markt, die die Navigation im Web komfortabel machten. 1995 war auch das Jahr, in dem Microsoft mit der Veröffentlichung von Windows 95 – erinnern Sie sich an die Werbespots? – die meisten PC-Benutzer von der Eingabe kryptischer Befehle in schwarze Fenster befreite; fortan genügte ein Mausklick. Seitdem sind die Computer kleiner, leistungsfähiger, komfortabler und vernetzter geworden; das Internet ist das Universalmedium der Gegenwart und bildet mittlerweile die Grundlage der meisten technischen Kommunikations- und Informationsprozesse. Heute kann man sich über Anwendungen wie Twitter oder Whatsapp im Sekundentakt Neuigkeiten mitteilen lassen. Postmans Kulturkritik scheint heute viel treffender – oder anders: so schlimm kann es 1992 doch gar nicht gewesen sein?

Anfang der 90er Jahre schlugen sich die Bibliotheken mit Speichertechniken herum, die heute ebenfalls obsolet erscheinen. Mikrofilm und Mikrofiche, Magnetton- und Videobänder, Datasette und Diskette, das gehört zum Glück großenteils der Vergangenheit an. Hier hat die Digitalisierung Bibliotheksbenutzern und Bibliothekaren gleichermaßen einen großartigen Fortschritt in der Ordnung und Verwaltung der Informationen gebracht. Nicht nur der Online-Bibliothekskatalog ist dem Zettelkatalog in allen Bereichen überlegen, auch der online verfügbare digitale Text ist schneller erreicht und ausgewertet als das physische Buch.

Braucht man überhaupt noch Bibliotheken, wenn alles online ist? Natürlich bewahrt die Landesbibliothek die historischen Schätze der kulturellen Überlieferung, das ist ihre Speicher- oder Archivfunktion. Darüberhinaus aber ist sie ein Postmansches Paradies: Hier wird die Informationsvielfalt der Welt strukturiert zugänglich. Darum informiert die Bibliothek gerade nicht „zu Tode“, sondern belebt und beflügelt, nicht zuletzt dank Rat und Tat kompetenter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.