Der Landesverband Lippe: Geschichte – Aufgaben – Ziele

von Detlev Hellfaier und Rainer Springhorn

Druckfassung als Broschüre. Herausgegeben vom Landesverband Lippe. – Text: Detlev Hellfaier, Rainer Springhorn. – Fotos. Rüdiger W. Friessem, Udo Keulertz. – Detmold 1984. – Druck: W. Rihn, Blomberg. 10 S.

Der Landesverband Lippe ist als bedeutender Wirtschafts- und Strukturfaktor, als sicherer Garant regionaler Kulturarbeit und legitimer Wahrer lippischer Tradition, wie sich diese in der fast 800jährigen Geschichte manifestiert, heute in Lippe nicht mehr wegzudenken.

Die Entwicklung des lippischen Territoriums begann im 12. Jahrhundert. Vom Beginn des 14. Jahrhunderts bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts nahm es im wesentlichen seine heutige Gestalt an. Die namengebenden Edelherren zur Lippe führten seit 1528 den Grafentitel, die regierende Detmolder Linie wurde 1789 in den Fürstenstand erhoben. Als Folge der Novemberrevolution 1918 verzichtete der regierende Fürst Leopold IV. zur Lippe auf den Thron. Durch den Domanialvertrag vom 31.10.1919 ging das fürstliche Grund- und Kapitalvermögen auf den Freistaat Lippe über; dem fürstlichen Haus verblieben neben dem Residenzschloß Detmold eine Reihe von weiteren Immobilien und Kapitalien.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte am 21.1.1947 die Eingliederung Lippes in das Land Nordrhein-Westfalen. Grundlage dafür bildeten die vom Landespräsidenten Heinrich Drake ausgearbeiteten „Punktationen“ vom 4./5.12.1946. Mit der Eingliederung endete die politische Selbständigkeit Lippes, die das Land als einziges altwestfälisches Gebiet bis in das 20. Jahrhundert hinein behauptet hatte. Am 5.11.1948 beschloß der Düsseldorfer Landtag das „Gesetz über die Vereinigung des Landes Lippe mit dem Land Nordrhein-Westfalen“ und das „Gesetz über den Landesverband Lippe“, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Detmold (von 1985 an im Schloß Brake bei Lemgo) zur Verwaltung des Lippe belassenen Sondervermögens aus dem ehemaligen Domanialbesitz. Diese „Lippegesetze“ traten am 12.10.1949 in Kraft.

Die seit 1932 bestehenden Kreise Detmold und Lemgo wurden durch die regionale Neugliederung 1973 zum Kreis Lippe zusammengefaßt. Der Kreis Lippe ist identisch mit dem Wirkungsbereich des Landesverbandes Lippe. Das Kreisgebiet umfaßt 1246,6 qkm Fläche bei einer Einwohnerzahl von rd. 326.000 (Stand 1983).

Aufgabe des Landesverbandes Lippe ist es, außer der Deckung seiner eigenen Verwaltungskosten und der Bildung der erforderlichen Rücklagen, die kulturellen Belange und die Wohlfahrt der Bewohner im Bereich des ehemaligen Landes Lippe im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zu fördern. Das beschlußfassende politische Organ des Landesverbandes ist die Verbandsversammlung. Sie setzt sich aus zehn vom Kreistag des Kreises Lippe nach Parteienproporz gewählten Abgeordneten zusammen. Die Verbandsversammlung wählt den Verbandsvorsteher, der zugleich ihr Vorsitzender ist. Der Landesverband Lippe gliedert sich in:

  • Haupt- und Finanzabteilung
  • Bauabteilung
  • Domanenabteilung
  • Forstabteilung
  • Lippische Landesbibliothek
  • Lippisches Landesmuseum
  • Institut für Lippische Landeskunde mit Kulturreferat
  • Staatsbäder Meinberg und Salzuflen

Der wirksame Einsatz der Erträge des früheren Landesvermögens hat bis zum heutigen Tage Zentrale Bedeutung für die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung des lippischen Raumes. Folgende Schwerpunkte sind zu nennen:

  • Schaffung von Startvoraussetzungen für die einheimische Landbevölkerung wie auch für bäuerliche Aussiedler der ehemaligen deutschen Ostgebiete für eigenständige landwirtschaftliche Produktion in den 1950er Jahren.
  • Bereitstellung von durch Kauf oder Tausch erworbenen Flächen zum Zwecke der Umsetzung oder Ansiedlung neuer Industrie- und Gewerbebetriebe.
  • Bau und Einrichtung moderner Kliniken und Kurgastzentren in den Staatsbädern Meinberg und Salzuflen, um sich zeitgemäßen Anforderungen anzupassen.
  • Arbeitsmarktpolitische Bedeutung des Landesverbandes Lippe mit einer Gesamtbeschäftigtenzahl von rd. 1000 Mitarbeitern.
  • Ferner Beteiligungen an folgenden Unternehmen: Westfälische Ferngas AG, Wirtschaftsförderungsgesellschaft Lippe mbH, Weserfreizeitzentrum Kalletal-Varenholz GmbH, Erholungszentrum Schieder GmbH, Hotel- und Gaststätten-Betriebsgesellschaft Landesverband Lippe mbH, Bäder-Marketing GmbH, Zentralwäscherei Lippe GmbH

Der Landesverband Lippe verwaltet, verpachtet und vermietet Domänen, Pachthofe und Streugrundstücke in einer Gesamtgröße von 3.224 ha, Schlösser, Wohn- und sonstige Gebäude, die Studentenwohnheime in Lemgo und Detmold, das Kieswerk Varenholz sowie ca. 2.700 Erbbaurechte. Durch eine aktive Grundstückspolitik ist gewährleistet, den Grundbesitz in seiner Substanz zu erhalten. Der gesetzlich verankerte Auftrag des Landesverbandes Lippe kann so in vollem Umfang erfüllt werden.

Auch der Forstbereich – Fachabteilung mit drei Forstämtern und 18 Förstereien – ist für den Landesverband Lippe und damit für die gesamte lippische Region von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Neben den forstlichen Betriebsflächen von über 19.000 ha Wald werden Liegenschaften, Steinbrüche, Kies-, Sand- und Mergelgruben, mehrere Waldhotels und Ausflugsgaststätten sowie Jagden und Fischereien bewirtschaftet.

Der ungewöhnlich hohe, bodengemäße Laubholzanteil von 66% bringt den Anspruch deutlich zum Ausdruck, forstwirtschaftliche und ökologische Gesichtspunkte voll in Einklang zu bringen. Fragen des Landschafts- und Naturschutzes nehmen einen hohen Stellenwert ein. Der Landesverband Lippe ist bemüht, in Zusammenarbeit mit verschiedenen Landesämtern und Hochschulinstituten Lösungsmöglichkeiten für anstehende Probleme zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang ist z. B. für die Erholungslandschaft Lippe die naturnahe Verjüngung des bodenständigen Laubwaldes von zentraler Bedeutung. Drei Naturschutzgebiete von über 300 ha werden vom Landesverband Lippe unmittelbar betreut. Kostenintensive Maßnahmen sowohl zur Erhaltung von Flora und Fauna als auch zur Lenkung der hohen Zahl Erholungssuchender werden hier erbracht.

Der Landesverband Lippe ist ein wichtiger Faktor lippischer Kulturpolitik. Auf der Grundlage des Verbandsgesetzes von 1948 und der Landschaftsverbandsordnung des Jahres 1953 gehen von ihm wesentliche kulturpolitische Impulse und Akzentsetzungen aus. Für die Durchführung der allgemeinen Kulturarbeit wurde im Jahre 1971 ein Kulturreferat bei der Verbandsleitung eingerichtet. Die praktische Kulturarbeit dokumentiert sich deutlich sichtbar in seinen drei Kulturinstituten:

der Lippischen Landesbibliothek, der Regionalbibliothek für Ostwestfalen-Lippe und mit 350.000 Bänden zweitgrößten hochschulfreien wissenschaftlichen Universalbibliothek Nordrhein-Westfalens. Die Bibliothek dient der Literatur- und Informationsversorgung der Region, sammelt, archiviert, erschließt und stellt das in Lippe erschienene und auf die Region bezogene gedruckte und ungedruckte Schrifttum aller Wissensgebiete bereit. Von überregionaler, z. T. internationaler Bedeutung sind die Sondersammlungen Grabbe-Archiv, Freiligrath-Sammlung, Georg-Weerth-Archiv, Bandel- Sammlung, Musik-Abteilung mit Lortzing-Archiv, Sozial- und zeitgeschichtliche Sammlung.
dem Lippischen Landesmuseum, dem größten Regionalmuseum Ostwestfalen-Lippes mit Sammlungsschwerpunkten in der Naturkunde, Ur- und Frühgeschichte sowie ostwestfälisch-lippischer Volkskunde. Überregionaler Rang kommt der Sammlung altperuanischer Kunst zu. Zahlreiche Sonderausstellungen zu Kunst, Archäologie, Natur- und Landeskunde stellen das Wirken des Museums der Öffentlichkeit in lebendigem Wechsel dar.
dem Institut für Lippische Landeskunde, verbunden mit dem Kulturreferat des Landesverbandes Lippe. Es initiiert und fördert kulturelle Entwicklungen und Vereinigungen. Durch die Herausgabe von Schriftenreihen und die Durchführung von Ausstellungen und Veranstaltungen zur Kunst- und Kulturgeschichte wie auch durch die Anlage von Dokumentationen zum lippischen Volksleben setzt es Schwerpunkte regionaler praktischer Kulturarbeit.

Der Landesverband Lippe stellt dem Trägerverein „Landestheater Detmold“ Grundstück und Gebäude des Theaters kostenlos zur Verfügung. Er schafft damit die Grundlage für die erfolgreiche Arbeit der über die Grenzen Lippes hinaus bekannten Dreisparten-Bühne.

Dem Image Lippes als eine vielbesuchte Ausflugs-, Kur- und Erholungslandschaft, wie sie in Nordrhein-Westfalen in ihrer Vielgestalt kaum erreicht wird, dient der Landesverband Lippe in vielfältiger Weise: Die beiden verbandseigenen Staatsbäder Meinberg und Salzuflen sind überregional anerkannte Prophylaxe- und Therapiezentren für zahlreiche Erkrankungen (chronische Arthritiden, Neuralgien, Allergien, Herz-Kreislauf-, Gefäß-, Nerven- und Frauenleiden sowie Erkrankung der Atemwege). Sie entsprechen in hervorragender Weise dem modernsten Stand balneologischer Erkenntnisse. Ein umfangreiches Betreuungs- und Unterhaltungsangebot begleitet für die Dauer der Kur die medizinischen Maßnahmen.

Der Erholungswert der lippischen Wälder wird durch mannigfaltige Einrichtungen gefördert. Der Landesverband Lippe unterhält stilvolle Wald- und Ausflugsgaststätten in besonders reizvoller Lage. Eine Reihe modern eingerichteter Hotels garantieren gepflegte Gastlichkeit und bieten auch dem anspruchsvollen Gast hohen Komfort. Wassersportfreunde und Angler, aber auch Camping-Urlauber finden im Weserfreizeitzentrum Kalletal-Varenholz und im Erholungszentrum Schieder am Emmer-Stausee reichhaltige Freizeit- und Fitneßangebote. Attraktive Ausflugsziele sind das Hermannsdenkmal und die Externsteine. Traditionell nimmt der Landesverband Lippe durch das Lippische Landesmuseum die Bodendenkmalpflege im Kreis Lippe wahr. Die lippische Region ist reich an obertägigen Bodendenkmälern und im Boden erkennbaren ur- und frühgeschichtlichen Einzelfunden. Systematisch wurden folgende Bodendenkmäler untersucht:

  • Grabhügel der Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit,
  • Befestigungsanlagen von der Latènezeit bis in das Spätmittelalter,
  • Urnenfriedhofe und Siedlungen der Eisenzeit,
  • Früh- und hochmittelalterliche Wüstungen.

Die lippische Bodendenkmalpflege hat durch Rekonstruktionen und Restaurierung von Grabhügeln und Wallbefestigungen in Verbindung mit der Anlage archäologischer Lehrpfade der Öffentlichkeit Bodendenkmäler begreifbar näher gebracht.

Als Wahrer des historischen Erbes des ehemaligen lippischen Landesvermögens hat der Landesverband Lippe einen bedeutenden Bestand an Baudenkmälern zu unterhalten. Seit 1970 wurden vier Schlösser saniert und restauriert, darunter hervorragende Beispiele der Weserrenaissance:

  • Schloß Varenholz, heute private Realschule mit Internat,
  • Burg Blomberg, heute ein Burghotel der Spitzenklasse,
  • Jagdschloß Oesterholz, Sitz des Kreisaltersheims,
  • Schloß Brake, das umfassendste Denkmalpflegeobjekt überhaupt, von 1985 an Sitz des Landesverbandes Lippe, bis 1978 Sitz der Kreisverwaltung.

Eine Vielzahl weiterer Sanierungsaufgaben, darunter die Translozierung historischer Gebäude dokumentieren das baudenkmalpflegerische Tätigkeitsfeld des Landesverbandes Lippe. Der Verband ist sich des hohen Stellenwertes der sorgfältigen Pflege dieses Kultur- und Traditionsgutes bewußt.

Zu den assoziierten Einrichtungen und Institutionen des Landesverbandes Lippe gehören:

  • Die Lippische Landes-Brandversicherungsanstalt, die dem Landesverband Lippe als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigenem Vermögen und eigener Rechtsfähigkeit angegliedert ist.
  • Die Hermannsdenkmal-Stiftung, eine rechtlich unselbständige Stiftung innerhalb des Landesverbandes Lippe, die die materielle Betreuung und die Verwaltung aller Denkmalsangelegenheiten wahrnimmt.
  • Das Damenstift St. Marien zu Lemgo, eine eigene Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigenem Vermögen. Mit dem angeschlossenen Altenwohnheim nimmt das Stift Aufgaben der Sozialfürsorge wahr.
  • Die Lippische Waisenhauskasse stellt als unselbständige Stiftung ein Sondervermögen des Landesverbandes Lippe dar. Ihr ideeller Wert ist eine Rechtfertigung für ihr weiteres Bestehen, auch zu einer Zeit, in der andere Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung und Durchführung der Fürsorgepflicht gegenüber Waisenkindern bestehen.