T 1888-1 Jubilaeum

Zum fünfzigjährigen Jubiläum des Herrn Geh. Oberjustizrath Preuß

von N. N.

In: Lippische Landes-Zeitung, 12.12.1888.

In diesen Tagen sind es 50 Jahre, seit der Herr Geh. Oberjustizrath Preuß das Amt eines Bibliothekars an der hiesigen öffentlichen Bibliothek verwaltet. Lange Jahre hindurch war ihm die Fürsorge für die Bibliothek neben seinem Hauptamte als Richter eine liebe Beschäftigung, und als er in den Ruhestand getreten war, widmete er derselben seine ganze Zeit und Kraft. Vielseitige Literaturkenntniß und umfassendes Wissen auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft haben ihn zu einem stets hilfsbereiten Förderer aller wissenschaftlichen Bestrebungen in unserem Lande gemacht, und Jeder, der ihn vorkommenden Falles um Rath anging, hat ihm Anregung, Belehrung und mannigfache Auskunft zu danken.

Er übernahm die Verwaltung der Bibliothek im Jahr 1838 nach dem Tode des Archivraths Wasserfall. Bis dahin war das Amt des Bibliothekars mit dem des Archivars verbunden, und der Archivrath Clostermeier war es gewesen, dem die öffentliche Bibliothek im Wesentlichen ihre jetzige Gestalt verdankt. Unter seiner Leitung wurde dieselbe im J. 1824 in dem bekannten Pavillon im Reithause untergebracht, aus dem sie dann im J. 1886 in das jetzige schöne und würdige Lokal übersiedelte.

Die Anfänge der Bibliothek gehen freilich weiter hinauf. Den Grundstock derselben bildete eine vom Grafen Simon VI. († 1613) zusammengebrachte Büchersammlung, welche dessen Sohn und Nachfolger, Graf Simon VII. im J. 1614 mit der hinterlassenen Bibliothek des Generalsuperintendenten Mag. Johann von Exter († 1599) unter dem Namen „herrschaftliche Bibliothek“ vereinigte. Später erfuhr dieselbe mehrfach erheblichen Zuwachs, so durch Nachlaß des lippischen Rathes Pezel, dem sie einen großen Theil ihrer Handschriften und älteren Drucke verdankt. Unter der Regierung des Fürsten Paul Alexander Leopold wurde außer mehreren kleineren Büchersammlungen noch eine auf dem Fürstl. Residenzschlosse befindliche Bibliothek mit ihr vereinigt. Von späteren umfangreicheren Zuwendungen ist vor allem das Vermächtniß der Frau Hofjägermeister von Donop zu erwähnen.

Die Aufgabe des Bibliothekars ist es gewesen, im Laufe der Jahre durch die jährlichen Einkünfte des Instituts dasselbe in geeigneter Weise zu ergänzen und zu vermehren. Es ist natürlich unmöglich, bei dem geringen Umfange der zur Verfügung stehenden Mittel allen Wissenszweigen in gleicher Weise gerecht zu werden und in allen oder auch nur in mehreren irgendwelche Vollständigkeit erstreben zu wollen; auf einem Gebiete aber hat der Jubilar sich mit Erfolg bemüht, absolute Vollständigkeit zu erreichen, das ist das Gebiet der auf lippische Zustände und Verhältnisse bezüglichen Druckschriften. Hier hat er sich mit Recht nicht durch den größeren oder geringeren Werth der betr. Arbeiten bestimmen lassen, sondern auch das Unbedeutendste gesammelt und ihm einen Platz in der Bibliothek gegönnt, so daß Niemand, der sich über die Verhältnisse unseres Landes orientiren will, die Bibliothek vergebens aufsuchen wird.

Weiterhin hat er sich bemüht, das durch ältere Werke sehr gut vertretene Fach Geschichte weiter auszubauen und durch neuere Publikationen zu ergänzen; auch dieses, wenn wir nicht irren, dem provinzialen Charakter unserer Sammlung gemäß in erster Linie durch die Anschaffung aller bedeutenderen Werke, welche sich auf die Geschichte der näheren Umgebung unseres Landes beziehen. Daneben hat dann allerdings auch eine große Zahl hervorragender Erscheinungen auf dem Gebiete der allgemeinen Geschichte in der Bibliothek einen Platz gefunden.

Ist die leichtere, insbesondere die Romanliteratur, grundsätzlich von der Bibliothek ausgeschlossen, so sind doch literarische Erscheinungen von allgemeinerem Interesse und bleibendem Werthe, Memoirenwerke u.s.w. in reicher Auswahl vertreten, und besonders diese erfreuen sich eines zahlreichen und dankbaren Leserkreises. Berechtigten Wünschen, dieses oder jene wissenschaftliche Werk anzuschaffen, hat der Jubilar stets ein geneigtes Ohr geliehen und mancher ist ihm dafür dankbar. In wie hohem Maße derselbe die Eigenschaften eines guten Bibliothekars; Genauigkeit und peinliche Sorgfalt auch in Kleinigkeiten, verbunden mit einem umfassenden Ueberblick besitzt, und wie er es versteht, auf die Bedürfnisse der Leser einzugehen und ihnen gerecht zu werden, weiß Jeder, der amtlich mit ihm in Berührung gekommen ist.

Als ein besonderes Verdienst des Jubilars möchten wir es hervorheben, daß er sich bemüht hat, so weit es die unzureichenden Mittel erlaubten, die Bibliothek auch zu einer Pflegestätte der Kunst zu machen.

In engem Zusammenhange mit seiner Thätigkeit als Bibliothekar steht eine andere Seite seiner wissenschaftlichen Thätigkeit, wir meinen seine zahlreichen Arbeiten über lippische Zustände und Verhältnisse. Wir haben ihm einen guten Theil der von ihm in Gemeinschaft mit den Herrn Geh. Archivrath Falkmann herausgegebenen „Lippischen Regesten“ zu verdanken. Wer dieses Werk, das die Grundlagen für die lippische Geschichte bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, soweit sie bis zum Jahre 1868 bekannt waren, in absoluter Vollständigkeit enthält, studirt hat, der allein weiß die erstaundliche Fülle von Arbeit und Fleiß, aber auch von Umsicht und Wissen zu würdigen, welche in demselben niedergelegt ist. Die „baulichen Alterthümer des lippischen Landes“ geben eine erschöpfende Uebersicht über alle Denkmäler unseres Landes, an welche sich irgend ein künstlerisches oder geschichtliches Interesse knüpft, sie bieten aber durch zahllose geschichtliche Ausführungen weit mehr, als der Titel des Buches besagt. Ein anderes Buch, „die lippischen Familiennamen“, hat in unserem Lande und weit über die Grenzen desselben hinaus Interesse und Anerkennung gefunden. Von sonstigen in wissenschaftlichen Zeitschriften erschienenen Abhandlungen nennen wir nur: „Die Ulenburg“, „Die Rietberger Fehde“, „Die Gaue des lippischen Landes“, „Das Lehen am Externstein“, „Zur Geschichte der Anfänge des Klosters Falkenhagen“, „Drangsale der Grafschaft Lippe im dreißigjährigen Kriege“, und übergehen zahlreiche kleinere Arbeiten, in denen der Jubilar die Resultate seiner Forschungen niedergelegt hat.

Die Schaffensfreudigkeit und Arbeitskraft, welche es ihm möglich machte, neben seiner umfangreichen amtlichen Thätigkeit unausgesetzt als Bibliothekar und Schriftsteller wissenschaftlich thätig zu sein, ist ihm bis heute erhalten geblieben; möchte es ihm vergönnt sein, noch eine lange Reihe von Jahren in gleicher geistiger und körperlicher Rüstigkeit seines Amtes zu walten, das er in so hervorragender und mustergültiger Art ausfüllt.