Nachricht von einem alten Wappenbuche [über Mscr 3a]
von Otto Preuß
In: Der deutsche Herold 13 (1882), 1, 2-3.
Die Fürstlich Lippische Landesbibliothek zu Detmold besitzt ein sehr schönes altes Wappenbuch [Mscr 3a], dessen nähere Beschreibung wohl auf das Interesse der Leser dieses Blattes rechnen darf.
Unser Manuscript enthält auf 37 Blättern Pergament in Kleinfolio·Format im Ganzen 1095 sauber in Farben ausgemalte Wappen in Form des s. g. deutschen, unten abgerundeten und mit einer Spitze versehenen Schildes ohne Helm, jedes Wappen mit dem darüber stehenden Familien- und meistens auch dem Vornamen des Trägers. Das Ganze gliedert sich in fünf Abtheilungeu.
Vor der ersten steht:
Chi(*) sont les Roys, les Ducts, les Contes, les Viscontes, les Banerets et les Chevaliers, qui furent au grand tournoy à Compiegne l’an notre Seigneur mil CC et XXXVIII au mois de Febvrier.
* Das heutige französ. ici, aus dem lat. ecce-hic (vgl. das ital. qui).
Dann folgen 337 Wappen, zuerst die der Könige von Frankreich, England, Spanien, Arragonien, Schottland, Sizilien, Navarra und des Meisters der Tempelherren, darauf, nach den Provinzen geordnet (es heisst z. B. Chi sont les Normandois, les Haynuyers etc.), die Wappen der Herzöge, Grafen, Herren und Barone.
Die zweite Abtheilung führt die Ueberschrift:
Chi sont les Contes, les Bannerets et les Chevaliers, qui furent au tournoy à Mons l’an de notre Seigneur mil trois cents et dix
und enthält 191 Wappen, auch hier noch mit der, bei den späteren Abtheilungen sich nicht mehr findenden Sonderung nach den Provinzen, es heisst z. B. Chi sont les Moselanders, les François, les Hollandois, les Britons, les Flamengs etc.
Die Ueberschrift der dritten Abtheilung lautet:
Chi sont les Duets, les Contes — —, qui furent sur le Kuynre en Frise(**) l’an notre Seigneur MCCCXCVI.
** Das jetzige Kuinder oder Kuinderschanz am Zuder See in der Provinz Westfriesland.
Die Anzahl der Wappen ist hier die grösste, es sind deren 404.
Ueber der vierten Abtheilung steht:
Chi sont les Duets, les Contes — qui furent devant Gorinchem(***) l’an de notre Seigneur MCCCC et deux.
*** Das jetzige Gorkum, Prov. Südholland.
Sie enthält 121 Wappen.
Den Schluss des Ganzen bildet endlich eine fünfte Abtheilung, welche auf 5 Seiten 42 Wappen in etwas grösserem Massstabe enthält, indem hier jede Seite nur 9 Wappen giebt, während in den früheren Abtheilungen jede Seite deren 16 zählt. In 14 Reihen sind jedesmal 3 Herren verschiedener Geschlechter, aber desselben Vornamens zusammengestellt. Ueber den einzelnen Reihen steht:
Les trois meilleurs Jehans, — Guillaumes, —— Adolfen, — Gerarts, — Thiris(****), — Coenraets, — Henris, — Raessens, — Regnaults, — Daniels, — Barnarts, — Ernouls, — Colarts, — Winants.
**** Dietrich, frz. Thierri.
Dass diese Abtheilung, obwohl sie sich unmittelbar an die Wappen des Turniers auf der Kuinderschanze vom J. 1402 anschliesst, ihre Wahl nicht auf die Theilnehmer an diesem Turniere beschränkt, ergiebt gleich die erste Reihe, in welcher neben dem Sire Johan de Haynnau (Hennegau) und dem Sire Johan de Petershen der König Johann von Böhmen († 1346) aufgeführt wird.
Das Wappenbuch enthält zwar in seinen fünf Abtheilungen auch einzelne Wappen deutscher Geschlechter (Hessen, Henneberg, Arnsberg, Salm, Merode etc.), bei Weitem die Mehrzahl derselben aber bezieht sich auf den hohen und niederen Adel der Niederlande, Lothringens und des nördlichen Frankreichs. Die dortigen Heraldiker werden auch darüber entscheiden können, ob die vier Turniere von 1238, 1310, 1396 und 1402 mehr historischen Hintergrund haben, als die Legenden unseres alten Reichsherolds Rüxner.
Was die Provenienz unseres Manuscriptes anlangt, so konstirt darüber nichts Bestimmtes. Dasselbe rührt nach den Schriftzügen und der Schreibart der Namen gewiss noch aus dem 15. Jahrh. her. Nach Detmold ist es wahrscheinlich durch die Gemahlin des Grafen Simon Henrich, Amalie geb. Gräfin Dohna († 1700) gelangt, welche aus der Erbschaft ihrer Mutter, einer geb. Gräfin Brederode, dem Lippischen Hause auch die Niederländischen Herrschaften Vianen und Ameiden, an die noch jetzt zwei Felder des lippischen Wappens erinnern, zugebracht hatte.