Detmold

von Friedrich Karl Gottlob Hirsching (?)

Druckfassung in: Versuch einer Beschreibung sehenswürdiger Bibliotheken Deutschlands nach alphabetischer Ordnung der Städte. Hg. von Friedrich Karl Gottlob Hirsching. Erster Band. Erlangen: Palm, 1786, S. 80-84.

Bibliotheken: 1) der regierende Graf zur Lippe besitzt eine Bibliothek, welche Bücher aus den antiquarischen, iuristischen, Philosoph. theolog. und schönen Wissenschaften enthält.

2) Die Schulbibliothek. Sie verdient zwar nicht daß ihr diese Benennung Schulbibliothek beygelegt wird, weil ihr solche weder in Ansehung ihrer ersten Bestimmung, noch ihres Inhalts zukömmt. Ihren Ursprung nahm sie aus den Büchersammlungen der regierenden Herren. Als diese nach und nach etwas anwuchsen, so wurden sie zum Theil dem hiesigen Archiv und zum Gebrauch der herrschaftlichen Diener gewiedmet. Der Archivarius war auch zugleich Bibliothekar. Von dieser Zeit an mußten die angehenden Advokaten unter andern Receptionsgeühren, auch 4 Rthlr. in die herrschaftliche Bibliothek geben, wodurch sie sich gleichsam das Recht zum Gebrauch derselben erkauften. Endlich wurde der Platz im Archiv zu enge, und man stellte die Bücher in Schulhof auf dem leeren Saal auf. Nichts destoweniger blieben sie in der Verwahrung des Archivars, wie denn selbst noch Knoch bis auf das Jahr 1773 Bibliothecarius war. Erst damals verfiel der General. Sup. Stosch auf den Einfall, einen Schullehrer zum Bibliothekar vorzuschlagen, und Knoch war sehr damit zufrieden. Rektor Wellner wurde nun Bibliothekar. Diesem folgte der Konrektor Fink, der Prorektor Roderer und nun der Rektor Koehler. Itzt fiengen die Leute an, die Bibliothek als ein Eigenthum ihrer Schule zu betrachten, sie Schulbibliothek zu nennen, und so gar die von den Advokaten eingehende 4 Rthlr. für Schulbücher anzuwenden. Man sieht hieraus, daß die Benennung Schubibliothek ihr nicht zukommt.

Uebrigens hätte die Bibliothek nicht leicht in schlechtere Hände fallen können. Die neuen Bibliothekare sind nichts weniger, als Bücherkenner. Fink hat ein dickes Verzeichnis verfertigt, man kann es aber nicht ohne den größten Unwillen über die darinn herrschende Unordnung und Ignoranz des Verfassers, der Theolog, ein armseliger Duisburger Theolog, dabey Schwärmer und Scheinheiliger war, und noch ist, durch blättern. Man bedauert die Zeit und Mühe, die der Mann so zweckwidrig angewandt hat, mit welcher jeder anderer die Bibliothek in brauchbaren Stand gesetzt haben würde. Nachher wollte Röderer einige, doch nur in seinem eingeschränkten Fache, bemerkte Verwirrungen aus einander setzen, und hat dadurch die Unordnung noch grösser gemacht. Der Catalogus dient weder dazu, daß man daraus ersehen kann, ob ein gewisses verlangtes Buch vorhanden ist, denn die wenigsten Bücher stehen unter den Rubricken, unter welchen man sie suchet, noch dazu um nach der Anweisung desselben ein darinn verzeichnetes Buch aufzufinden. Ein dasiger Gelehrter hat vor kurzem darüber eine traurige Erfahrung gemacht. Als er nemlich den ganzen Catalog, (doch mit Ausschluß des theologischen Verzieczhnisses, welches Herr Ewald hat,) eindlich einmal erhielt, fand er vier verschiedene Ausgaben von Rüxners Turnierbuch, an eben so vielen verschiedenen Orten, und bey keinem war Rüxners Nahme. Er würde also vergeblich nach Rüxners Turnierbuch gefragt haben. Er zeichnete sich nun die Stellen genau aus, gieng selbst in die Bibliothek, und suchte mit Herrn Bibliothekar Köhler, und siehe, beyde fanden von den vier Ausgaben nicht eine. Dies ist um so mehr zu beklagen, da die älteste und so sehr geschätzte Ausgabe von 1531, welche unter die seltensten Bücher gehört, mit darunter ist. Verdient wohl so eine Bibliothek eine öffentliche Erwähnung? –

Privatbibliotheken

Herr Assessor Meyer hat hier die beste Juristische Bibliothek, sie enthält sehr viel brauchbares. Sie zu besitzen, ist kein zu verachtender Wunsch. Auch im historischen Fach ist sie reich, – kurz eine wahre selkte Sammlung von ungefähr 3000 Bänden.

Des Regierungsrath Besserers Bibliothek wird ebenfalls gerühmt.

Der lutherische Hofprediger Althof besitzt eine zahlreiche Bibliothek von meistentheils theologischen und historischen Büchern, worunter eine schätzbare Sammlung von Kirchenvätern und viele seltene Büche raus allen Theilen der Gelehrsamkeit befindlich.

Auch ist hier das Archiv des Gräflich Lippischen Hauses, welches wegen seiner vielen schätzbaren Urkunden und Dokumenten sehr berühmt ist. Schon Thulemarius in seinem tract. de bulla aurea etc. Capl. IV. § 22. n. a. und § 25. p. 18. und 19. erwähnt dessen.

Anstalten für Beförderung der Wissenschaften werden vergeblich in hiesigen Gegenden gesucht.

[Anmerkung aus dem Jahre 2016]

Georg Rüxners „Turnierbuch“ ist in den Ausgaben von 1530 (G 202.2°), 1532 (G 203.2° und 1578/79 (G 204.2°) im Bestand. Die letztere Ausgabe ist mehrteilig und könnte daher zweifach verzeichnet worden sein. Dann wären alle vier Aufführungen der berichteten Rüxner-Anekdote noch heute im Bestand.