A 2009-6 Bummellied und Hymne

Bummellied und Hymne – Scheffels „Teutoburger Schlacht“

Kabinettsausstellung vor dem Lesesaal der Lippischen Landesbibliothek
vom 5.11.-11.12.2009

Anhand von Autographen, Erstausgaben und Zeugnissen der zeitgenössischen Druckgraphik wird die Entwicklung des Liedes von Joseph Victor von Scheffel (1826 -1886) vom „verbummelten Studentenlied“ zur Festtagshymne im Zusammenhang mit der Einweihung des Hermannsdenkmal im August 1875 nachgezeichnet.

Ein Originalautograph des Dichters mit dem Text des Liedes, das unter seinem Eingangsvers „Als die Römer frech geworden“ deutschlandweite Berühmtheit erlangte, wurde eigens für diese Präsentation vom Oberrheinischen Literaturmuseum, Karlsruhe, zur Verfügung gestellt.

1
Viktor von Scheffel, Halbporträt nach halbrechts.
Stahlstich von Veit Froer, nach 1876.
Signatur: FrSB 113

Der Radierer, Kupfer- und Stahlstecher Veit Froer (1828-1900), Schüler bedeutender Meister, war seit 1857 in Stuttgart ansässig. Seine Stahlstich-Porträts von Künstlern, Literaten, Komponisten und Entdeckern tauchen häufig im Kunst- und Antiquariatshandel auf. Das Scheffel-Porträt hat er nach dem 2. Februar 1876 gestochen, als der Dichter vom Großherzog Friedrich I. von Baden in den Adelsstand erhoben worden war.

2
Scheffel, Joseph Victor, eigenhänd. Brief mit Unterschr. an die Redaktion der „Fliegenden Blätter“ in München, dat. Heidelberg, 31. Oktoer 1848. – Faksimile in: Linse, Emil, J. V. v. Scheffels Lied von der „Teutoburger Schlacht“. Eine Studie. – Dortmund: Ruhfus, 1909, S. 11
Lg 1384c

Mit diesem Schreiben übermittelte Scheffel der Redaktion „eine Anzahl verbummelter Lieder zur Aufnahme in die Fliegenden Blätter“; besonders machte er auf „das abnorme Epos ‚Die Teutoburger SChlacht‘ aufmerksam“, das sich seiner Meingung nach gut für Illustrationen eigne. Die „Fliegenden Blätter“ brachten die Verse im folgenden Jahr in der Nr. 229.

3
Scheffel, Joseph Victor, Die Teutoburger SChlachct, eigenhänd. Gedicht, [vor 1875]. – 4 beschr. S.
Karlsruhe, Museum für Literatur am Oberrhein, Nachlass Scheffel, Nr. 1449.

Die vorliegende Reinschrift der „Teutoburger Schalcht“ von der Hand des Autors ist nciht datiert, dürfte aber aus der Zeit vor 1875 stammen, da die letzte Strophe noch vom unfertigen Hermannsdenkmal berichtet und noch nicht durch die endgültige Fassung ersetzt worden ist. zu welchem Zweck sie angefertigt wurde, bleibt unbekannt. Vorstudien, Entwürfe oder Fragmete, die die Entstehung des Liedes dokumentieren, sind bisher nicht überliefert. Im Nachlass Scheffels befindet sich nur dieses eine Autograph, das das Literaturmuseum in Karlsruhe für diese Präsentation als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat.

4
Scheffel, Joseph Victor, Die Teutoburger Schlacht. – In: Fliegende Blätter. München: Braun & Schneider, 1849, Nr. 229, S. 100-102.
SW 253c.4°

Erster Druck des 13strophigen Bänkellieds „Die Teutoburger Schlacht“ mit seinem Eingangsvers „Als die Römer frech geworden“ in den „Fliegenden Blättern“, einer literarischen Zeitschrift, die sich besonders wegen ihrer zielsicheren satirischen Charakterisierung des deutschen Bürgertums und ihrer humoristischen Zeitkritik einer großen Leserschaft erfreute. Scheffel unterzeichnete den Erstdruck nur mit seinen Initialen JS. Die Verse sind mit acht Holzschnitten des Illustrators Ernst Fröhlich (1810-1882), eines ausgewiesenen Buchkünstlers, versehen.

5
Scheffel, Joseph Victor: Ekkehard; eine Geschichte au sdem zehnten Jahrhundert. – Frankfurt: Meidinger, 1855. – XI, 463 S.
A 826.2.1 Literaturarchiv – Erstausgabe.

Der geschichtliche Roman war Scheffels populärstes WErk. Auf der Grundlage historischer Quellenstudien werden in der Titelfigur die Viten von drei St. Galler Mönchen gleichen Namens zusammengefasst. in dichterischer Freiheit wird die unerfüllte Liebe Ekkehards zur jung verwitweten SChwabenherzogin Hadwig erzählt; der Mänch flieht in die Einsamkeit der Alpen, schreibt dort das Wathariuslied nieder; das kuriert ihn von der Schwärmerei und bewirkt seine Wandlung vom Gelehrten zum Dichter. Der Übergang vom Heidentum zum Christentum sowie der Gegenwatz zwischen kirchlicher und weltlicher Macht sind in die Erzählung eingebettet. Der Roman erlebte bis zum Jahre 1918 allein 284 Auflagen.

6
Gungl, Joseph: Kriegers Lust; Fest-Marsch; op. 26, für Pianoforte in H Dur. – Berlin: Bote & Block, [1843]. – 3 S. : noten; quer-4°. Pl. Nr. B. et. B. 695.A
Mus-n 17357

Der österreichische Militärkapellmeister Juseph Gung’l (1809-1889) komponierte neben 56 Märschen, zahlreiche Polkas, Walzer und andere Musikstücke unterschiedlichen Charakters; insgesamt sind etwa 440 Kompositionen von ihm bekannt. Der Festmarsch „Kriegers Lust“ erfreute sich ausgesprochener Beliebtheit. Der Berliner Volksmund benutzte zu dieser Melodie einen auf das Attentat des Bürgermeisters Tschech auf König Wilhelm IV. von Preußen (1844) gemünzten Text. Als für die Einweihugn des Hermannsdenkmals 1875 eine Festtagshymne gesucht wurde, unterlegte man SCheffels Lied von der „Teutoburger Schlacht“, das bisher nach der Weise des Volksliedes „Die Hussiten zogen vor Naumburg“ gesunden wurde, mit einer Bearbeitung des Marsches.

7
Scheffel, Joseph Victor: Die Varus-Schlacht; zur Enthüllungs-Feier des Hermanns-Denkmals am 16. August 1875; Gedivcht von J[oseph] V[iktor] Scheffel mit vom Dichter genehmigten neuen Strophen. Für Solo, Chor u. Clavier bearb. von Ludwig Teichgräber. – Dortmund: Teichgräber, 1875. – 2 Bl.
1 an: Lg 1384c

Scheffel stand für ads Versmaß seiner „Teutoburger Schlacht“ ursprünglich die Melodie des weit verbreiteten Volksliedes „Die Hussiten zogen vor Naumburg“ vor Augen. Mit dieser Singweise, die auf eine von Carl Maria von Weber bearbeitete ungarische Volksweise zurückgeht, hatte das Lied zunächst eingang in die Kommersbücher gefunden. Im Zusammenhang mit der Suche nach einer Festtagshymne für die Einweihung des Hermannsdenkmals im August 1875 wurde diese Melodie verworfen, und der Dortmunder Musikalienhändler und Gelegenheitskomponist Ludwig Teichgräber (1840-1904) bearbeitete die auf Gungls Festmarsch zurückgehende Weise des „LIedes vom Bürgermeister Tschech“ und legte dieser den Scheffel-Text zugrunde. Die neue Singweise im Marschrhythmus und mit parodienhaften Kehrreimen versehen (simserim-serim, wau-wau-wau) ist uns bis heute geläufig. – Der Verleger hatte den Dichter zugleich um Autorisierung des ihm vorliegenden TExtes gebeten; dieser Bitte kam Scheffel nach, indem er mit einigen Korrekturen das Lied in eine „anständige Fassung“ brachte. Der gedruckte, hier faksimilierte Text trägt Verbesserungen udn Streichungen von Scheffels Hand.

8
Scheffel, Joseph Victor: Der Trompeter von Säckingen; ein Sang vom Oberrhein. – Stuttgart: Metzler, 1854. – 311 S.
Auf dem Vorsatzblatt Bleistiftzeichnung eines Scheffel-Porträts, vermutlich Durchzeichnung eines Stichs von 1865 mit faksimilierter Unterschrift.
A 826 Literaturarchiv. Erstausgabe.

Scheffel verfasste das Versepois auf seiner Italienreise 1852/53. Während seiner Zeit in Säckingen hatte er Kenntnis von einer mündlich überleiferten Liebesgeschichte aus dem 17. Jahrhundert erhalten, die er nun dichterisch verarbeitete. Die Handlung entspricht dem besonders seit der Romantik populären Muster: der Bürgersohn Werner, ein Trompeter, und das Edelfräulein Margarethe von Schänau verlieben sich, trotz erheblicher Widerstände seitens der adligen Familie können beide zu guter letzt die Ehe schließen. Die Handlung dokumentiert den Anspruch des selbstbewussten Bürgertums, in die Adelswelt aufzusteigen und mit dieser gleich zu ziehen. Das Werk erreichte bis zum Jahre 1927 334 Auflagen und dürfte damit in keiner Hausbibliothek des deutschen Bürgertums gefehlt haben.

9
Scheffel, Joseph Victor: Gaudeamus! Lieder aus dem Engeren und Weiteren. – Stuttgart: Metzler, 1868. – X, 192 S.
Kps 09.52. – Erstausgabe.

Seit 1848 war Scheffel Mitglied der „Engeren“, einem Heidelberger Akademikerstammtisch. Für diese gesellige Runde verfasste er zahlreiche Gedichte, darunter STudenten- und Trinklieder, poetische Reiseberichte sowie humorvolle Kommentare zu naturkundlichen und (kultur-)historischen Vorträgen. In einigen dieser Gedichte kommt der zeitgenössische Nationalismus zum Ausdruck, in anderen distanziert sich Scheffel mit seinem Lob auf den weigen Studenten von bürgerlichen Normen. Auf Dränken der Freunde und eher gegen seinen Willen rachte er die Sammlung 1868 heraus. Sie wurde ein voller Erfolg und begründete seinen deutschlandweiten Ruhm. DAs Lied von der „Teutoburger Schalcht“ findet sich unter der Rubrik „Culturgeschichtliches“ auf den Seiten 44 bis 46. Erst jtzt wurden seine schon Jahre zuvor publizierten Prosastücke „Der Trompeter von Säckingen“ und „Ekkehard“ zu wirklichen Bestsellern. Von „Gaudeamus“ erschienen bis zu Scheffels Tod 1886 über 50 Auflagen.

10
Scheffel, Joseph Victor: Gaudeamus! Lieder aus dem Engeren und Weiteren. Mit 111 Holzschnitt-Illustrationen u. Vignetten und einem Titelbild in Tondruck von Anton von Werner. – 2., vermehrte Aufl. – Stuttgart: Bonz, 1877. – VI, 215 S.
14.09.0

Schon 1869 und damit ein Jahr nach der „kleinen“ Ausgabe erschien eine illustrierte Ausgabe im Quartformat mit 60 Holzschnitten des Historienmalers Anton von WErner (1843-1915), mit dem SCheffel seit 1862 eine enge Freundschaft verband. Von Werner, der später mit seinen Gemälden von SChlachten und Staatsereignissen, darunter auch die berühmte „Kaiserproklamation in Versailles“, zum bevorzugten Maler des Kaiserreichs aufstieg, gilt geradezu als der Illustrator des SCheffelschen Oeuvres. Die zweite Auflage der illsuteirten Ausgabe von „Gaudeamus“, die 1877 herauskam, wurde um 41 Holzschnitte vermehrt. Dem Text der „Teutoburger SChlacht“ mit der nun aktualisierten letzten Strophe wurde ein Holzschnitt des fertig gestellten Hermannsdenkmals beigegeben. Mit dem heruafziehnden Unwetter udn den das Denkmal umkreisenden Raben („Raben flogen durch die Luft“) war Anton von Werner als Künstler augenscheinlich bemüht, die vermeintliche Stimmung zur Zeit der Schlacht einzufangen.

11
Scheffel, Joseph Victor, eigenhänd. Brief mit Unterschr. an die Gebrüder August und Wilhelm Klingenberg in Detmold, dat. Radolfzell, 1. Juli 1875. – 4 S., 1 beschr. S.
Autogr. 333

Zur Einweihung des Hermannsdenkmals am 16. August 1875 gaben die Detmolder Druckereibesitzer Klingenberg ein prächtiges, von dem Landschaftsmaler Ludwig Menke mit 20 Lithographien illustriertes und mit poetischen Texten von zahlreichen zeitgenössischen Dichtern, darunter auch Ferdinand Freiligrath, versehenes Album heraus. Offenbar hatte man auch SCheffel für einen Beitrag über Bandel und den Teutoburger Wald vorgeseheh; dieser erteilte den herausgebern allerdings mit diesem Brief eine Absage

Gebrüder Klingenberg
Detmold

Geehrte Herren,

Ihr Gedanke für das gewünschte Gedicht ist fein u[nd] poetisch, zugleich eine wohlverdiente Anerkennung des greisen Künstlers. Gern, sehr gehrn würde ich Ihrer Einladung nachkommen, aber mir fehlt die eigenen Anschauung der zu schildernden Landschaft sowie des Denkmals und fehlt die persönliche Kenntnis des H[err]n von Bandel, der in seiner markigen Eigenart nicht von Ferne in den richtigen Worten gezeichnet werden kann. Diese innere Unmöglichkeit, die dichterische Form für Ihren Wunsch zu finden, sehr bedauernd
Ihr ergebener Dr. Scheffel
Radolfzell am bad[ischen] Bodensee
1 Juli [18]75

12
Proelss, Johannes: Scheffel’s Leben und Dichten; mit vielen Original-Briefen des Dichters. – Berlin: Freund & Jeckel, 1887. – VIII, 678 S.
Lg 1384a

Bereits ein Jahr nach Scheffels Tod brachte der SChriftsteller, Journalist und Literaturkritiker Johannes Proelß (1853-1911) eine umfangreiche Scheffel-Biographie heraus. Proelß konnte den Nachlass nahezu vollständig einsehen und damit sein Werk auf eine breite Quellenbasis gründen. Obwohl methodisch sicher nicht mehr zeitgemäß und von Tendenzen nicht frei, bildet diese Darstellung dank ihrer Materialfülle noch heute die Grundlage für jede ernst zu nehmende Scheffel-Forschung. Darüber hinaus brachte Proelß in den Jahren 1907 und 1908 die erste Ausgabe der „Gesammelten Werke“ des Dichters in sieben Bänden heraus.

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Scheffel, Joseph Victor von: Viktor Scheffel-Album; Perlen deutschen Humors; gesammelte Dichtungen mit 325 Originalbildern namhafter Künstler / hrsg. von Ferdinand Hesse. – Berlin-Schöneberg: Jacobsthal, 1913. – [89] Bl., zahlr. Ill.
14.09.4

Die Gedichte, Lieder und Reimzyklen Scheffels boten den Karikaturisten Stoff in Hülle und Fülle, so dass es nciht wundert, dass sich nahezu alle zeutgenössischen Künstler dieses Genres an Scheffel-Motiven versucht haben. Die „Teutoburger SChalcht“ gehörte dank ihrer ebenso witzigen wi emartialischen Szenen zu den beliebtesten Stücken, die man gern und publikumswirksam illustrierte.