Der Lippische Heimatbund 1908-2008

Ein Streifzug durch 100 Jahre Heimatarbeit

Ausstellung in der Lippischen Landesbibliothek
vom 3.3. bis 4.4.2008

Die Ausstellung „100 Jahre Lippischer Heimatbund in Bild und Schrift“, die vom 3. März bis zum 4. April 2008 in der Lippischen Landesbibliothek zu sehen ist, widmet sich vorrangig der publizistischen Arbeit des Lippischen Heimatbundes. Sie zeigt neben Satzungen, Mitgliederverzeichnissen, periodischen Publikationsorganen vor allem die vom Lippischen Heimatbund herausgegebenen, veranlassten oder federführend begleiteten Veröffentlichungen. Die Schwerpunkte dieser Präsentation orientieren sich an seinen wesentlichen Arbeitsgebieten: Heimatkunde, Ortsgeschichte, Natur- und Umweltschutz, Baugestaltung und Denkmalpflege, Kultur und Literatur, Alltagsleben und vieles andere mehr. Die Reihe der Publikationen der vergangenen 100 Jahre wird ergänzt durch umfangreiches Bild- und Fotomaterial, Postkarten, Plakate sowie wertvollen, insbesondere die Baudenkmäler dokumentierenden graphischen Blättern im Original. Alle ausgestellten Exponate befinden sich im Bestand der Lippischen Landesbibliothek.

Gründung und erste Jahre

Das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Deutschland war geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung und technischem Fortschritt. Allerdings regte sich in weitsichtigen Teilen der Bevölkerung früh zunehmender Widerstand gegen die nahezu grenzenlose Fortschrittsgläubigkeit mit ihren negativen Begleiterscheinungen und Folgen. Man befürchtete eine Verunstaltung der alten gewachsenen Städte und Landschaften durch Industrieanlagen, Eisenbahnen und Kanäle sowie ungehemmte Zersiedelung. Der Vorsitzende des 1904 gegründeten Deutschen Heimatbundes, Ernst Rudorff († 1916), Kunstpädagoge und Professor an der Königlichen Hochschule für Musik in Charlottenburg, rief in flammenden Appellen dazu auf, die bedrohte Landschaft zu schützen, das historisch Gewachsene zu achten und dauerhaft für die Nachwelt zu erhalten. Wie anderenorts fanden sich auch in Lippe verantwortungsbewusste Persönlichkeiten zusammen, um diesem Aufruf zu folgen und in die Tat umzusetzen. Am 2. Januar 1908 gründeten 14 Bürger im Hotel Lippischer Hof in Detmold den Lippischen Bund für Heimatschutz und Heimatpflege. Initiator war der Assessor Bernhard Ebert, der auch schon Gründungsmitglied des Deutschen Heimatbundes gewesen war. Ziele des neu gegründeten Bundes waren der Landschafts-, Natur- und Denkmalschutz sowie die allgemeine Heimatpflege. Durch Aufrufe, Presseberichte, Vorträge und die Herausgabe eines Jahresberichts versuchte man, die Bevölkerung auf diese grundlegenden Themen aufmerksam zu machen und Mitstreiter für das gemeinsame Vorhaben zu gewinnen. In den ersten Jahren wandte der Bund sein Hauptaugenmerk intensiv dem Bauwesen und dem Naturschutz zu; hier bestand dringender und offenkundiger Handlungsbedarf.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Während die Heimatarbeit in den Kriegsjahren zwangsläufig über weite Strecken zum Erliegen kam, fiel dem Bund für Heimatschutz in der Folgezeit ein aktuelles Arbeitsfeld im Bereich der Gefallenenehrung zu. Weniger die Errichtung von Gefallenendenkmälern selbst lag dabei in seinem Blickfeld, sondern der Bund sah es als seine genuine Aufgabe an, auf die künstlerische Gestaltung der Denkmäler einzuwirken, und machte seinen Einfluss insbesondere dahingehend geltend, dass er für die Einpassung der unterschiedlichen Formen des Totengedenkens – Kriegerdenkmäler, Ehrenfriedhöfe und Gedenktafeln – in die umgebende Landschaft und Bausubstanz Sorge trug. In dieser Situation war es für den Bund von unbestreitbarem Vorteil, dass er sich mit seinen jetzigen und künftigen Aktivitäten auf gesetzlicher Grundlage und damit gesichertem Fundament befand, denn das bereits 1913 von ihm initiierte Heimatschutzgesetz wurde nach kriegsbedingter Verzögerung am 17.1.1920 vom Landtag verabschiedet; es handelte sich dabei um das erste Heimatschutzgesetz in Deutschland überhaupt, das alle Gebiete des Heimatschutzes umfasst, Denkmalpflege und Naturschutz einbezieht und auch den Umgang mit denkmalwürdigem Privateigentum regelt. Ergänzend zu dem Gesetz brachte der Lippische Bund für Heimatschutz und Heimatpflege 1924 eine Liste der Baudenkmäler („Denkmalliste“) heraus, der ein Jahr später eine Liste der Naturdenkmäler folgte.

Die Arbeit während des Nationalsozialismus

Als im Jahre 1933 der Deutsche Bund für Heimatschutz im Sinne der Gleichschaltung aufgelöst und in den neu geschaffenen „Reichsbund Volkstum und Heimat“ eingegliedert wurde, stimmte dem auch der Lippische Bund für Heimatschutz (seit 1936/37: Lippischer Heimatbund) zu; offiziell hatte er auch die Machtergreifung begrüßt. Nach der Auflösung des Reichsbundes nach einem Jahr wurde dem Lippischen Heimatbund zwar eine größere Selbstständigkeit zugesichert, in der Praxis aber erreichte er – wie seine Partnerbünde – während der nationalsozialistischen Herrschaft seine souveräne Stellung nicht wieder. Eine Reihe führender Persönlichkeiten aus der Gründergeneration, darunter Ebert, Bödeker und Weber, schieden zwischen 1934 und 1936 aus unterschiedlichen Motiven aus ihren Ämtern. Ihnen folgten in raschem Wechsel wie anderenorts überzeugte Nationalsozialisten und Mitläufer, aber auch etliche Heimatfreunde, die sich den satzungsgemäßen Zielen des Heimatbundes nachhaltig verpflichtet fühlten und sich unbeirrt für diese einsetzten. Die Jahresberichte jener Zeit sprechen allerdings mit ihren volkstümelnden Inhalten und ihrem ideologisch durchsetztem Vokabular, das Heimatschutz und Heimatbegriff korrumpiert, eine eindeutige Sprache. Erfolge konnte der Heimatbund in den Jahren bis zum 2. Weltkrieg vorrangig auf den Gebieten des Denkmalschutzes, der Baupflege und Baugestaltung verbuchen, wenngleich auch hier politische Interessen (NS-Führerschule im Schloss Varenholz) Raum griffen. Die Externsteine, die sich als das herausragende Natur- und Kulturdenkmal Lippes seit jeher der besonderen Aufmerksamkeit des Heimatbundes erfreut hatten, waren seiner Fürsorge durch eine von Himmler initiierte Stiftung entzogen, und das Hermannsdenkmal diente einmal mehr als willkommene Kulisse des herrschenden Zeitgeistes. Nach Kriegsbeginn waren der Heimatarbeit enge Grenzen gezogen, so dass diese nur marginal Spuren hinterlassen hat.

Wiederbelebung, Neubeginn und Ausbau

Nach Kriegsende 1945 begann der Lippische Heimatbund unverzüglich mit der Wiederaufnahme aktiver Heimatpflege. Vor allem galt es, den von den Nationalsozialisten missbrauchten und überstrapazierten Heimatgedanken neu zu formulieren und in das Bewusstsein der hier lebenden Menschen zu transferieren, ein Vorhaben, das ständig hinterfragt werden muss und wohl bis heute nicht als abgeschlossen gelten kann. Daran dachte in der Nachkriegszeit jedoch niemand, denn der Heimatbund ließ sich in großzügiger Auslegung seiner Aufgaben zunächst von ganz praktischen Erwägungen, die sich an der sozialen Situation der Bevölkerung orientierten, leiten. Dazu zählte an erster Stelle das schwierige Unterfangen, den in unsere Region strömenden zahllosen Vertriebenen, Flüchtlingen, Kriegsheimkehrern und Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft vielgestaltige Hilfestellung zu leisten, zu versuchen, sie in die vorgefundene Gesellschaft zu integrieren, ihnen eine neue Heimat zu geben, ohne sie der Identität der verlorenen Heimat zu entfremden.

Um die Basis und damit die Handlungsfähigkeit zu erweitern, schlossen sich 1948 der Lippische Heimatbund, der Naturwissenschaftliche und Historische Verein, der Lippischen Verkehrs- und Gebirgsverband Teutoburger Wald, die Lippische Museumsgesellschaft, der Verein Alt-Lemgo und der Lippische Lehrerverband zur Arbeitsgemeinschaft „Verband Lippische Heimat“ zusammen. Gemeinsames Publikationsorgan war ein Mitteilungsblatt. Auf Anregung Heinrich Drakes wurden 1951 die 1. Lippischen Heimattage in Lemgo ausgerichtet. Mit dieser Feierlichkeit sollte das Lippe-Bewusstsein nach Aufgabe der staatlichen Selbständigkeit wach gehalten, die lippische Kultur in ihren vielen Facetten aufgezeigt und die wieder gewonnene Leistungsfähigkeit der lippischen Wirtschaft unter sichtbaren Beweis gestellt werden. Die Lippischen Heimattage, die seither in unregelmäßigen Intervallen in wechselnden lippischen Städten und Gemeinden durchgeführt werden und heute neben der folkloristischen Komponente zugleich zeitgemäßen Eventcharakter besitzen, sind heute aus dem kulturellen Leben Lippes nicht mehr wegzudenken.

Im Kontext des demokratischen Neubeginns und des erweiterten Aufgabenspektrums stellte sich die überkommene Struktur des Lippischen Heimatbundes bald als nicht mehr tragfähig dar, so dass die erste Hauptversammlung nach dem Kriege im Jahre 1953 eine völlige Neuorganisation beschloss. Neben einem sachkundigen Beirat wurden 1954 Fachausschüsse für Baudenkmale, Baugestaltung, Planung und Gefallenendenkmale, für Landschaftspflege und Naturschutz, für Heimatschrifttum, für Volkstumspflege und Organisation gebildet. Im gleichen Jahr erschien das erste „Mitteilungsblatt des Lippischen Heimatbundes, das nach acht Jahrgängen 1962 seinen heutigen Namen „Heimatland Lippe“ erhielt.

Durch die kommunale Neuordnung, die nicht nur die beiden Altkreise Detmold und Lemgo zum Kreis Lippe zusammenfasste, entstanden aus 170 einst selbständigen Gemeinden 16 Städte und Gemeinden. Erwartungsgemäß führte das verwaltungspolitisch zweifellos sinnvolle, vielleicht sogar überfällige Verfahren bei der Bevölkerung zu Irritationen. Der Lippische Heimatbund sah sich hier in der Verantwortung, Identität stiftende Lösungen zu erarbeiten, um Vorbehalte abzubauen. Bewährt hat sich in diesem Zusammenhang die Gründung zahlreicher Orts- und Heimatvereine unter dem gemeinsamen Dach des Heimatbundes; diese Vereine wirken erfolgreich drohendem Identitätsverlust entgegen und fördern aktiv das Gemeinschaftsleben in den einst selbständigen Ortsteilen und Gemeinden. Heute sind im Einzugsbereich des Lippischen Heimatbundes rund 70 Ortsvereine aktiv, und ihre Zahl nimmt zu.

Um ganz gezielt auf aktuelle Probleme in seinem Zuständigkeitsbereich aufmerksam zu machen, wurde 1975 die erste „Gelbrote Mappe“ veröffentlicht. In dieser Mappe mit den lippischen Wappenfarben, die hier als Signalfarben verstanden werden sollen, bündelt der Lippische Heimatbund Wünsche, Meinungen und Fragen seiner Mitglieder, weist auf offenkundige Versäumnisse auf dem Gebiete seiner Tätigkeit hin und scheut sich nicht, Tabuthemen offensiv anzugehen. Land und Kreis, Kommunen und Verbände sind aufgefordert, Stellung zu beziehen und im Sinne moderner Heimatpflege aktiv zu werden. Die „Gelb-rote Mappe“ gilt mittlerweile als etabliertes, episodisch erscheinendes Instrument basisdemokratischer Meinungs- und Willensbildung mit beachtenswerter Wirkung.

Seit 1979 kooperiert der Lippische Heimatbund eng mit dem Landesverband Lippe, dem Kulturdienstleister in unserer lippischen Region. Die Zusammenarbeit manifestiert sich deutlich sichtbar in der gemeinsamen Herausgabe der Zeitschrift „Heimatland Lippe“, deren inhaltliches Spektrum damit erheblich erweitert werden konnte. Heute ist das monatlich erscheinende Periodikum zu einem informativen und über die Grenzen Lippes hinaus gern gelesenen Organ geworden, das in der schnelllebigen Medienwelt seinen soliden Platz behauptet. Gemeinsam durchgeführte Veranstaltungen, die wechselnde Organisation und Ausrichtung der Lippischen Heimattage, Symposien und Workshops, Ausstellungen und Aktionen sowie die personelle Verzahnung in den Fachstellen dokumentieren das partnerschaftliche Miteinander zwischen Heimatbund und Landesverband. 2001 wurde noch einmal die Organisationsstruktur überarbeitet, um neuen gesellschaftlichen Entwicklungen und dem sich wandelndem Freizeitverhalten Rechnung zu tragen; dazu wurden – neben anderem – vornehmlich die Fachstellen neu ausgerichtet. Sie widmen sich nun Geschichte, Baugestaltung und Denkmalpflege, Heimat, Arbeit und Wirtschaft, Radwandern, Umweltschutz und Landschaftspflege, Volkskunde und Wandern.