Lortzings „Waffenschmied“

Eine Ausstellung der Lippischen Landesbibliothek
ab 10. Juni 2007 im Landestheater Detmold

Harmlos ist vermeintlich die Handlung, der Blick, den diese Spieloper in das späte Mittelalter wirft, scheinbar arglos-gemütvoll. Tatsächlich wird in Lortzings Werk ein radikaler Wertewandel der Biedermeiergesellschaft angezeigt.

Das Landestheater Detmold führt ab 10. Juni 2007 Albert Lortzings Oper Der Waffenschmied auf. Die Lippische Landesbibliothek begleitet die Inszenierung mit einer Ausstellung.

Zu sehen ist neben Dokumenten aus Lortzings eigener Hand auch sein Taktstock, mit dem er möglicherweise die Wiener Uraufführung des „Waffenschmieds“ 1846 dirigiert hat. Gezeigt werden die Erstausgaben von Textbuch und Klavierauszug der Oper aus dem Jahr 1846 und Lortzings literarische Vorlage, das Lustspiel von Friedrich Wilhelm Ziegler. Die Detmolder Bühnengeschichte von Lortzings „Waffenschmied“ bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts veranschaulichen Theaterzettel, Rollenhefte und Stimmenmaterial.

Das Libretto für seine Oper „Der Waffenschmied“ schrieb Lortzing selbst. Vorlage war das Lustspiel „Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person“ von Friedrich Wilhelm Ziegler. Lortzing straffte Zieglers Text und brachte einen gesellschaftskritischen Aspekt hinein. Er verwandelte den Waffenschmied Hans Stadinger vom dümmlichen Saufbold zum bürgerlich-selbstbewussten Gegenspieler des Grafen Liebenau und das Mädchen Marie von Stadingers Ziehtochter adliger Herkunft in dessen leibliche, bürgerliche Tochter. Das adlige Fräulein von Katzenstein strich er ganz. Aus der adligen Intrige wurde bei Lortzing ein Triumph bürgerlicher Normen.

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Albert Lortzing. Lithographie
GA B 303

Lortzings Vorlage: Das Lustspiel von Ziegler

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Friedrich Wilhelm Ziegler. Stich von Johann Passini nach einer Zeichnung von Adalbert Suchy. In: Sämmtliche dramatische Werke von F. W. Ziegler, Bd. 1. – Wien: Hirschfeld, 1824.
A 759 d.1.1-1 (3. Ex.)

Friedrich Wilhelm Ziegler (1759-1827) kam als junger Schauspieler nach Wien, wo er vierzig Jahre lang Mitglied des Hoftheaters war. Er schrieb insgesamt 59 Bühnenstücke.

3
Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person. Ein Lustspiel in vier Aufzügen von F. W. Ziegler. Wien: Kaiserer, 1791.
KA 514 Nr 5

Zieglers erfolgreichstes Lustspiel war „Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person“, das 1790 am Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde.

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Heraus mit deinem Schwerdt, Du Zungenheld! Illustration zur siebten Szene des zweiten Aktes. Stich von Johann Geiger. In: Sämmtliche dramatische Werke von F. W. Ziegler, Bd. 11. – Wien: Hirschfeld, 1824.
A 759 d.1.1-11 (1. Ex.)

Der Ritter Adelhof hat den Grafen Liebenau, der als Conrad beim Waffenschmied Stadinger Dienst genommen hat, zu einem Zweikampf provoziert. Stadinger und dessen Tochter Marie treten dazwischen.

5
Der Waffenschmid zu Worms, oder: Liebhaber und Nebenbuhler in einer Person. Lustspiel in 4 Acten, von Ziegler. Hoftheater in Detmold. Vierte Vorstellung im zweiten Abonnement. Freitag, den 8. Januar 1830
Mus-L 70 p 1

Die Theatertruppe von August Pichler war seit 1825 am Detmolder Hoftheater engagiert. Ihr Aufführungsmaterial ist in der Lippischen Landesbibliothek überliefert.

Die Truppe spielte 1829/30 in Detmold und Osnabrück Zieglers Erfolgsstück. Lortzing übernahm während seines Engagements in Detmold die Rolle des Grafen Liebenau.

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Graf Liebenau/Herr Lortzing als Schmiedegesell im Dienste bei Stadinger. Rollenheft des Detmolder Theaters aus dem Jahr 1830
T 762-3

Die Rollenhefte sind auszugsweise Abschriften der gedruckten Erstausgabe. Auf den Heften sind die Namen der Schauspieler vermerkt.

7
Liebhaber und Nebenbuhler in Einer Person
Lustspiel in vier Aufzügen, von F. W. Ziegler
Neue Auslage. – Wien: Wallishausser, 1834
Mus-L 70 t 1

Aus der Theater-Buchhandlung A. Kühling, Berlin.

Lortzings Oper

Lortzings „Waffenschmied“, vom Komponisten selber einstudiert und dirigiert, wurde am 30. Mai 1846 am Theater an der Wien uraufgeführt. Die Oper wurde anschließend an zahlreichen deutschsprachigen Bühnen angenommen und mit Beifall gespielt. Sie genießt im Repertoire bis heute nachhaltige Wertschätzung und Popularität.

8
Brief Lortzings an den Freund Philipp Düringer. Leipzig, 17.7. 1846
Mus-La 2 L 121

Lortzing berichtet dem Freund von seinem Engagement ans Theater an der Wien:

„Ich wurde hinberufen mein neuestes Opus, über deßen Erfolg Du gelesen haben wirst, zur Aufführung zu bringen und nachdem man mich persönlich und ausübend kennen gelernt engagirt zur Freude der Musikfreunde Wiens, denn ich fand ein Entgegenkommen, eine Aufnahme, wie ich sie nimmer erwartet hätte.“

9
Schlechte Kritik der Wiener Uraufführung. Von Lortzing selbst aus einer Wiener Zeitschrift abgeschrieben
Mus-La 1 L 20

„Wie der Komponist von Csar und Zimmermann ein solches Zeug dem deutschen Publikum vorführen kann, ist mir durchaus unbegreiflich. Es ist diese Oper weiter nichts, als ein hübsch unerquickliches Gemengsel von sehr ordinären Melodien vermischt mit einer Anzahl nicht eben feiner veralteter Witze. Man findet in ihr nichts, was einen Höhepunkt für die Seele des Hörers abgeben könnte; Reminiscenzen dafür aus wer weiß was für Opern sind in Menge da. […] Eine tiefer ins Herz dringende Musik habe ich gar nicht gefunden, es gehen dieser Oper hübsche, gefällige Melodien ab, ausgenommen das Lied des Bariton: ‚Gern gäb ich Glanz und Reichthum hin’ pp. Alles Übrige taugt nichts, das ist meine offene Überzeugung, so leid es mir thut, sie aussprechen zu müßen.“

Lortzing musste feststellen, dass Wien „für mich (als Opernkomponisten) kein Terrain ist“. Seine Opern konnten sich nicht gegen den italienischen Belcanto durchsetzen.

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Der Waffenschmied. Komische Oper in drei Akten. Musik von Albert Lortzing. O.O., ca. 1846
Mus-L 70 t 2 (3. Ex.)

Gedrucktes Textbuch, darauf notiert: Souffleur.

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Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar … Lied des Waffenschmieds Stadinger im 3. Akt der Oper. In: Der Waffenschmied, Komische Oper in drei Akten von Albert Lortzing. Vollständiger Clavierauszug von F[ranz] L[ouis] Schubert. Leipzig: Breitkopf & Härtel, [1846]
Mus-L 70 n 1 (aus dem Nachlass Hans Lortzings)

In den meisten späteren Aufführungen des 19. Jahrhunderts wurden diejenigen Strophen des Stadinger-Liedes, die konkret auf die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse des Vormärz anspielen, gestrichen. Es blieb dann nur ein rührselig-spießiger Rückblick auf die „gute alte Zeit“, der das Bild von Lortzing als harmloser Biedermeier-Figur wesentlich mitgeprägt hat.

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Lortzings Dirigierstab
Ohne Signatur

Detmolder Inszenierungen

Die Erstaufführung von Lortzings „Waffenschmied“ in Detmold fand am Donnerstag, dem 22. April 1847, statt. Weitere Aufführungen am Detmolder Hoftheater sind von 1859 bis 1866 jährlich und von 1871 bis zum Ende des Deutsches Kaiserreiches regelmäßig fast in jedem Jahr belegt. Am Landestheater wurde die Oper zuletzt 1983 produziert.

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Partie des Stadinger. Notenmaterial des Detmolder Theaters aus dem Jahr 1847
Mus-L 70 a 1

Das gesamte Aufführungsmaterial des Fürstlichen Hoftheaters (Partitur und Einzelstimmen für Instrumente und Sänger) ist im Bestand der Lippischen Landesbibliothek überliefert. Die Rolle des Waffenschmieds in der Erstaufführung übernahm Herr Creumayr.

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Marie/Madame Dreyer. Rollenheft des Detmolder Theaters aus dem Jahr 1847
Mus-L 70 r 1

Zu Lortzings Opern mit gesprochenem Dialog sind in Detmold auch Rollenhefte überliefert, wie sie sonst nur aus dem Sprechtheater bekannt sind. Unter anderem hat sich das Rollenheft der Marie erhalten, die in der Erstaufführung 1847 von Madame Dreyer gesungen wurde.

15
Der Waffenschmied. Theaterzettel 1859. Fürstliches Theater in Detmold. Sonntag den 16. Januar 1859
Mus-L 70 p 1a

Die Aufführung im Detmolder Hoftheater wurde auch im Fürstlich Lippischen Regierungs- und Anzeigeblatt angekündigt. Besprechungen, wie sie später für jede einzelne Aufführung üblich wurden, hat es in diesem Amtsblatt noch nicht geben.

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Der Waffenschmied. Theaterzettel 1891. Fürstliches Theater in Detmold. Mittwoch, den 18. Februar 1891
Mus-L 70 p 1b

Wie Lortzings Opern im Deutschen Kaiserreich rezipiert wurden, zeigt die Besprechung dieser Aufführung in der Lippischen Landes-Zeitung am 20. Februar 1891:

„Wer nach des Tages Last und Mühe nach Erholung und behaglichem, mühelosen Genuß verlangt, der besuche eine Lortzing’sche Oper. Er findet dort einfache Natürlichkeit des Empfindens, gesunden Humor, außerordentlich ausgebildetes Gefühl für Wohllaut, kurz alle die schönen Dinge vereinigt, welche er bei den wenigen Versuchen, die nach Lortzing auf dem Gebiete der komischen Oper gemacht sind, vergeblich sucht. Das gutbesetzte Haus am gestrigen Abend und die dort herrschende fröhliche Stimmung bewies, dass das Verständnis für Lortzing’sche Naivetät bei uns noch recht rege ist.“ Die Aufführung war nach Meinung des Kritikers nur mittelmäßig, besonders moniert wurde die Ausstattung: „Weshalb trug Fräulein Lachmann stets ein Kleid mit langer Schleppe? Zum Fest und zur Hochzeit mag das wohl angebracht sein, aber im gewöhnlichen Leben, in des Vaters Hause durfte sie die Schleppe ruhig fehlen lassen. Auch hätte Fräul. Lachmann zur Abwechselung wohl mal mit einer blonden Perrücke erscheinen können, die recht gut für diese Partie geeignet gewesen wäre.“

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Der Waffenschmied. Theaterzettel 1906. Fürstliches Theater in Detmold. Sonntag, den 18. März 1906
Mus-L 70 p 1d

18
Der Waffenschmied. Theaterzettel 1907. Fürstliches Theater in Detmold. Sonntag, den 24. Februar 1907
Mus-L 70 p 1e

Das Lortzing-Bild des Deutschen Kaiserreiches zeigt auch die Kritik der „Waffenschmied“-Aufführung vom 24.2.1907 in der Lippischen Landes-Zeitung:

„Ein entzückender Spießbürgerhumor, über ihn hinaus zu wirklichem, wenn auch harmlosen Witz, neckische Laune bis zu leiser Koketterie, echtes Empfinden in etwas weicher Färbung und ohne gerade bedeutsamen Hintergrund: das ist seine Domäne, die ihm kein Komponist der Welt streitig macht. Die starke Leidenschaft, den Zauber der Romantik vermochte er nicht zu zeichnen und hat es selber deutlich ausgesprochen. So aber, wie er ist, bleibt er uns immer lieb und wert. Wir greifen nach seinen Werken nicht um uns erschüttern zu lassen, sondern uns an treuherzigem Wesen zu erfreuen und wieder einmal ganz naiv zu empfinden. So blühen seine Weisen im Garten der Kunst neben duftberauschenden Lilien, farbenprunkenden Orchideen, eitlen Klatschrosen als herzerfreuende Veilchen.“

19
Der Waffenschmied. Theaterzettel 1908. Fürstliches Theater in Detmold.
Sonntag, den 19. Januar 1908
Mus-L 70 p 1f

Im Januar 1908 spielte das Detmolder Hoftheater alle Lortzing-Opern innerhalb einer Woche. Der Rezensent der Landes-Zeitung zeigte sich übersättigt und teilte mit: „Die Direktion glich in diesem Falle einer Hausfrau, die im Wochenspeisezettel einmal zuviel an guter Hausmannskost servierte. Nun, bei beiden kann durch Repertoirverhältnisse und schlechter Konstellation der Victualienzufuhr wohl einmal derartiges eintreten. Schließlich, nach Goethe: ‚Gesundes Brot so oft genossen, hat keinen jemals noch verdrossen.’ Auch der Waffenschmied zeigte ein fast ausverkauftes Haus. […] Das Orchester und dessen Leitung durch Herrn Mourot klappte vorzüglich, die Chöre desgleichen und die Einzelleistungen waren zum größten Teil äußerst ansprechend.“

20
Der Waffenschmied. Theaterzettel 1919. Lippisches Landestheater. Freitag, den 12. Dezember 1919
Mus-L 70 p 1h

In der Spielzeit 1919/20 stand der „Waffenschmied“ erneut auf dem Detmolder Spielplan und war, laut Landes-Zeitung, „ein großer, ehrlicher Erfolg […]. Jedesmal, wenn sich der Vorhang senkte, ja oft bei offener Bühne, setzte ein Applaus ein, wie ihn das Haus wohl selten gehört hat. […] Der gestrige Abend hat den Beweis erbracht, dass das Landestheater in der Lage ist, Vorstellungen von hohem künstlerischen Wert herauszubringen, Vorstellungen, die jeder ernsten Kritik standzuhalten vermögen.“

21
Der Waffenschmied. Theaterprogramm 1983. Lippisches Landestheater. Spielzeit 1982/83, Heft 11
LZ 233.4°

Bei der letzten Detmolder Inszenierung von Lortzings „Waffenschmied“ führte Franz Wirtz die Regie. Premiere war am 26. Januar 1983.

22
Bühnenbild- und Kostümentwürfe von Renate Rieß. Städtische Bühnen Freiburg, 1958
Mus-L 158

An den Städtischen Bühnen Freiburg hatte Lortzings „Waffenschmied“ unter der Regie von Peter Steinbach am 11. Januar 1958 Premiere. Die Lippische Landesbibliothek verwahrt einige Bühnenbild- und Kostümentwürfe zu dieser Inszenierung von Renate Rieß.