8 Unruhe

„Nur Unruhe! Unruhe! sonst bin ich verloren“

Europamüde Abenteuer in Lateinamerika 1852-1855Nr. 164

Im Herbst 1852 übernahm Weerth für die Firma Steinthal & Co. in Manchester eine Handelsagentur für Westindien mit dem Auftrag, neue Geschäftsverbindungen auf dem amerikanischen Kontinent herzustellen. Er stach am 2. Dezember 1852 in Southampton in See. 17 Tage später erreichte das Dampfboot die Antillen-Insel St. Thomas, den wichtigsten internationalen Umschlagplatz für Waren aus Mittel- und Südamerika. Von dort aus unternahm Weerth in den nächsten Monaten Geschäftsreisen nach Puerto Rico, Santo Domingo und zu den Kaffee-, Kakao- und Zuckerplantagen in Venezuela.

161
West-Indien und Centro-America
Aus: Schul-Atlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande
Nach Stieler’s Hand-Atlas verkleinert
34., verbesserte und vermehrte Auflage. – Gotha: Perthes, 1854
K 2282

Ausgangspunkt für Weerths Reisen in Mittelamerika in den Jahren 1853/1854 war die Antillen-Insel St. Thomas. Von dort aus bereiste er Puerto Rico, die Dominikanische Republik und Venezuela. Und von dort aus startete er im August 1853 nach Kuba, Mexiko, Kalifornien und Kolumbien und im Oktober 1854 zu seiner Südamerikareise.

162
Vollständige und neueste Erdbeschreibung vom Reiche Mexico, Guatemala und Westindien
Bearbeitet von Georg Hassel und Johann Günther Friedrich Cannabich
Weimar: Geographisches Institut, 1824
K 41-18

Die Insel St. Thomas war eine dänische Kolonie und als Freihafen der wichtigste Handelsstützpunkt in Westindien. Cannabich berichtet: „Weit wichtiger als die Kultur ist der Handel, den die Einwohner betreiben, und womit sie sich vorzüglich, so wie auch mit einem ausgebreiteten Schleichhandel beschäftigen. Durch diesen Handel ist St. Thomas eine der reichsten Kolonien Westindien’s geworden, und man kann es als eine Niederlage von Europäischen, Westindischen und Nordamerikanischen Waaren ansehen, davon hier große Vorräthe sich aufgehäuft finden.“

163
Santo Domingo
Stahlstich, 1863
B 27 W (Neuerwerbung 2006)

Im Frühjahr 1853 hielt Weerth sich sechs Wochen in der Dominikanischen Republik auf. Diese war seit 1844 ein von Haiti unabhängiger Staat und nahm unter den vielen Antillen-Inseln mit unterschiedlichsten Kolonialherren eine Sonderstellung ein. In der Hauptstadt begegnete Weerth auch dem Präsidenten Pedro Santana.

Weerth sammelte auf seiner Amerikareise Ortsansichten, die er nach Detmold übersandte und die dort als Erinnerungsstücke für ihn aufbewahrt werden sollten. Von den Blättern ist leider keines erhalten. Dieser neu erworbene Stahlstich zeigt das Stadttor von Santiago de los Caballeros, die Ruine des Hauses von Christoph Columbus in der Hauptstadt, eine Stadtansicht von Santo Domingo und das Anlanden spanischer Truppen, denen die Republik zur Abwehr haitianischer Angriffe 1861 erneut unterstellt wurde.

164
Tabackspflanze
In: Illustrirtes Haus- und Familien-Lexikon. Ein Handbuch für das praktische Leben
Bd. 7. – Leipzig: Brockhaus, 1865, S. 113ff.
V 126-7

Auf Santo Domingo besuchte Weerth auch die ausgedehnten Tabakpflanzungen bei Santiago des los Caballeros. Der zeitgenössische Brockhaus weiß zu berichten: „Der Taback ist gegenwärtig allen Völkern des Erdballs ein unentbehrliches Bedürfniß geworden, und daher einer der wichtigsten Handelsartikel und Fabrikationszweige.“

Ein besonderes Erlebnis war im Sommer 1853 eine Schiffsreise auf dem venezolanischen Orinoco etwa 400 Kilometer flussaufwärts bis nach Ciudad Bolivar. Die vielfältige Natur im tropischen Überschwemmungsgebiet des Flusses beeindruckte ihn sehr, er begegnete Tigern, Affen und Alligatoren, unternahm Exkursionen zu den Goldminen von Upata und den Katarakten des Nebenflusses Caroni. Von dieser Reise brachte er verschiedene Souvenirs mit, die er seinem Bruder Carl für die Detmolder Naturhistorische Sammlung übersandte. Auch bei den folgenden Reisen sammelte er interessante Naturalien für die Detmolder Sammlung, aus der das Lippische Landesmuseum hervorging.Nr. 165 Nr. 167

165
„Ciudad Bolivar ist eine freundliche Stadt aus steinernen Häusern, ungefähr so groß wie Detmold …“
Georg Weerth an Wilhelmine Weerth
Ciudad Bolivar (Angostura), Orinoco, 10.7.1853
A 5 W

Dieser Brief schildert Weerths Reise im Ochsentransportschiff durch den Urwald am Orinoco-Delta flussaufwärts nach Ciudad Bolivar: „Je mehr die Sterne erbleichten und die Sonne sich dem Horizonte näherte, desto lauter wurde das Konzert der Tiere in dem dichten, undurchdringlichen Urwald, der die Ufer und die Inseln des Stromes bedeckt. Deutlich unterschieden wir das Heulen der Tiger, Jaguars, von dem Geschrei der Affen, während über unsre Köpfe weg Scharen von grünen und bunten Papageien, immer zwei zu zwei fliegend, von einem dem andern Ufer zueilten. Als die Sonne endlich über die Wellen blitzte, näherten sich auch Menschen, nackte, rotbraune Indianer, in langen Booten, gehöhlten Baumstämmen und boten uns Bananen und andre Früchte zum Kauf an.“

166
Alexander von Humboldt:
Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804
6 Bde. – Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1815-1832
K 1407

Alexander von Humboldts Reise nach Südamerika in den Jahren 1799 bis 1804 brachte für die Naturwissenschaften bahnbrechende Erkenntnisse. Sein Reisebericht beschreibt die Expeditionen entlang des Orinoco und des Casiquiare bis zum Rio Negro und eine anschließende Reise nach Kuba und über Trinidad nach Cartagena in Kolumbien. Weerth kannte diesen Reisebericht.

167
Robert Hermann Schomburgk (1804-1865)
Lithographie von C. Brandt, um 1840
B 28 W (Neuerwerbung 2006)

Auf Santo Domingo lernte Weerth den Forschungsreisenden Robert Schomburgk kennen, der seit 1830 Westindien bereiste und seit 1848 als englischer Konsul in der Dominikanischen Republik lebte: „Sir Robert ist ein sehr angenehmer Mann und war artig genug, mich am Sonntag zu Tisch zu laden, indem er mehrere Eingeborene und fremde Konsuln bei sich sah. In einer luftigen alten Halle, die von indischen Denkmälern, naturgeschichtlichen Dingen und frischen Blumen hübsch umgeben war, tafelten wir von 6 ½ bis 10 Uhr.“

168
Robert Schomburgk:
Reisen in Guiana und am Orinoko während der Jahre 1835-1839
Hrsg. v. O[tto] A. Schomburgk. Mit einem Vorwort von Alexander Humboldt und dessen Abhandlung über einige wichtige astronomische Positionen Guianas
Leipzig: Wigand, 1841
K 1172.4°

In den Jahren 1835-1839 unternahm Robert Schomburgk im Auftrag der Londoner Geographischen Gesellschaft eine Expedition nach British Guayana. Er vervollständigte die Forschungen Alexander von Humboldts in diesem Gebiet und schuf Grundlagen für die weitere Erforschung Guayanas. Die auf englisch verfasste Reisebeschreibung wurde 1841 auch in deutscher Sprache publiziert. Wilhelmine Weerth berichtet ihrem Sohn im Mai 1853 aus Detmold, dass sie einen Auszug aus dem Buch gelesen habe.

169
Orinoco-Souvenirs
In: Fürstlich Lippische Regierungs- und Anzeige-Blatt vom Jahre 1853
Nr. 43 vom 22.10.1853, S. 657

„Für Carl habe ich eine große Kiste indianische Merkwürdigkeiten mit vom Orinoco gebracht. Tigerfelle, Bärenfelle, Hängematten, Bogen, Pfeile, Streitäxte, Geschirre, Nüsse, Schildkröten. Diese Kiste sende ich mit erster Gelegenheit nach Bremen oder Hamburg“, teilte Weerth am 14. August 1853 von St. Thomas aus nach Detmold mit. Das Regierungs- und Anzeigeblatt druckte im darauf folgenden Oktober eine Mitteilung über den Eingang der Sendung.

Kaum zurück auf St. Thomas, startete Weerth zu einer ausgedehnten Mittelamerikareise. Über Kuba reiste er nach Mexiko, durchquerte das Land vom Atlantik zum Pazifik und besuchte auf diesem Weg die Hauptstadt, die Silberminen von Guanajuato und die Handelsmesse in San Juan de los Lagos. Von Mexiko aus ging es per Schiff weiter nach Kalifornien, wo Weerth sich fünf Tage lang im Minendistrikt der Goldgräber umschaute. Er beschloss dann, die Reise nach Südamerika auszuweiten und gelangte erst nach 12 Monaten über Panama und Kolumbien, wo seine Geschäfte einer Revolution wegen erfolglos blieben, nach St. Thomas zurück.

Über Weerths Reisen sind wir vor allem durch sehr ausführliche Briefe an seine Mutter unterrichtet. Erstaunlicherweise lassen sie keinerlei Interesse an politischen oder sozialen Fragen erkennen, im Gegenteil: Seine Äußerungen über Indios, Farbige und Schwarze vertreten ganz gewöhnliche rassistische Klischees. In einem Brief an Heine heißt es ganz ohne satirischen Unterton: „Nichtsdestoweniger bleiben wir Europäer die Aristokraten des Erdkreises … „. Mehrfach wurde Weerth aufgefordert, seine Reiseerlebnisse in Form „populär geschriebener Skizzen aus Amerika“ für den Abdruck in Zeitungen zur Verfügung zu stellen oder zu einem kleinen Band zusammenzufassen. Aber das lag ihm gänzlich fern.

170
„Du ewig Unersättlicher … „
Wilhelmine Weerth an Georg Weerth
Detmold, 26.9.1853
A 8 W

„… alles, was sich auf der Erde und unter dem Himmel befindet, kennenlernen zu wollen!“ Am 8. September 1853 hatte Wilhelmine Weerth den Brief ihres Sohnes aus Ciudad Bolivar, inzwischen auch weitere Briefe vom Abschluss der Orinoco-Reise und aus Kuba erhalten. Sie antwortet ausführlich darauf.Nr. 173 Nr. 174 Nr. 177

171
Carl Christian Sartorius:
Mexiko. Landschaftsbilder und Skizzen aus dem Volksleben
Mit Stahlstichen vorzüglicher Meister nach Original-Aufnahmen von Moritz Rugendas
Darmstadt: Lange, 1859
K 1185

172
Der Hafen von Veracruz mit dem Castell S. Juan de Ulua
Stahlstich von Georg Michael Kurz nach einer Zeichnung von Moritz Rugendas
Aus: Carl Christian Sartorius: Mexiko. – Darmstadt: Lange, 1859
K 1185

173
Bürger und Marktleute
Stahlstich von Georg Michael Kurz nach einer Zeichnung von Moritz Rugendas
Aus: Carl Christian Sartorius: Mexiko. – Darmstadt: Lange, 1859
K 1185

174
Soldaten und Proletarier
Stahlstich von Georg Michael Kurz nach einer Zeichnung von Moritz Rugendas
Aus: Carl Christian Sartorius: Mexiko. – Darmstadt: Lange, 1859
K 1185

175
Mexikanische Indios auf dem Weg zum Markt
Kolorierte Lithographie von Jean Henri Marlet
In: Atlas historique pour servir au Mexique en 1823
Paris: Alexis-Eymery, 1824
K 1163

176
Quarzgestein aus Mexiko
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums

„Carl wird es interessieren, daß ich eine kleine Sammlung aller Gesteine Kaliforniens mitgebracht habe, die ich ihm nächstens mit den Erzen und Kristallen aus den Silberminen von Rayas in Mexiko zusenden werde“, schrieb Weerth seiner Mutter im Februar 1854.

177
Der Goldreichthum von Kalifornien
Aus: Illustrirte Zeitung. – Leipzig. – Nr. 290 vom 20.1.1849, S. 36f.
B 26 W (Neuerwerbung 2006)

Während seines Aufenthalts in Kalifornien 1854 besichtigte Weerth die seit 1848 entstandenen Goldgräberminen von Jamestown, Sonora, Carsons Creek, Mockelumne Hill und Sacramento. Seiner Mutter berichtete er: „Das Gouvernement läßt der Arbeit aller Menschen freien Lauf. Jeder, der kommt, kann ein Stück Land, so groß, wie er es zu durchwühlen imstande ist, für sich in Beschlag nehmen, und seine Besitznahme ist unumstößlicher Rechtstitel, sobald er seine Besitznahme in dem Regierungsbüro des nächsten Ortes angezeigt hat. Geborene Amerikaner haben für diese Besitzergreifung nichts zu bezahlen, Ausländer bezahlen nur eine kaum nennenswerte kleine Abgabe.“ Der Artikel in der Illustrirten Zeitung berichtet von der Entdeckung der Goldvorkommen und vom Verfahren der Goldwäsche; er orientiert den goldhungrigen Leser auch über die Kosten einer Auswandererfahrt nach San Francisco.

178
„Hinter Bogotá ist die Welt zu Ende …“
Georg Weerth an Lina Duncker
Medellín, 12.6.1854
A 30 W

Von Kalifornien aus reiste Weerth über Panama nach Kolumbien. Dort hoffte er auf Geschäfte in Bogotá, doch verhinderte eine Militärrevolte jegliche Aussicht darauf. Er zog daher weiter nach Medellín, wo keine kriegsähnlichen Zustände herrschten und er mit den englischen Betreibern von Gold- und Kupferminen ins Geschäft zu kommen suchte.Nr. 180

179
Kaimanschädel
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums

In einem Brief an seine Mutter vom Mai 1854 schildert Weerth sehr anschaulich die Jagd auf diesen Kaiman auf dem kolumbianischen Magdalenenstrom. Der Bootsmann, mit dem er unterwegs war, fing den Kaiman mit dem Lasso ein und erschlug ihn mit dem Ruder. Diesen und einen weiteren Kaiman sandte Weerth von St. Thomas aus als Frachtgut nach Detmold, das Fürstliche Lippische Regierungs- und Anzeigeblatt vermeldet die Ankunft am 3. Februar 1855. Heute ist nur noch einer der Schädel erhalten.

180
Kolibris
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums

Im August sandte Weerth von St. Thomas eine Kiste mit 170 Kolibris nach Detmold: „Die Kolibris kaufte ich von einem Indianer in Bogotá; er hatte sie mit dem Blasrohr geschossen und selbst ausgestopft; sie sind sämtlich aus den östlichen Kordilleren von Neu-Granada. Soviel ich weiß, sind ca. 25 bis 30 verschiedene Sorten unter den 170 Stück; die überzähligen sind entweder Männchen oder Weibchen oder bloße Dubletten. Es wird mir recht sein, wenn eine vollständige Auswahl aus der kleinen Sammlung für das Detmolder Museum gemacht wird. […] Die kleinen Vögel sehen allerliebst aus, wenn man ihre Brust gegen das Licht hält und die Farben schimmern läßt.“ Das Fürstliche Lippische Regierungs- und Anzeigeblatt meldete am 16. Dezember 1854 den Eingang von 150 Kolibris.

181
Oppermann, O. E.:
Über kunstgemäßes Ausstopfen der Thiere, besonders der Vögel, oder naturgetreues Nachbilden der Vögel, mittelst ihrer abgezogenen Häute, durch eine dazu neu ermittelte Methode und Verfahrungsweise, erläutert durch Zeichnungen, zum Unterricht für Liebhaber dieser Kunstarbeit
Delmenhorst: Rieck, 1835
Nd 758Nr. 182

182
Königsgeier
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums

Ausführlich berichtet Weerth in einem Brief vom Oktober 1854 über den König der Aasgeier:"Über diese Vögel herrscht nun ein König; er sieht ganz anders aus als seine Untertanen; er ist größer, hat einen bedeutenden Kopf, der aber ganz kahl ist, und auf einem wunderschönen, gekrümmten Schnabel trägt er eine kleine Krone. Der untere Teil des Leibes hat schwarze Federn wie die der gemeinen Zopilotes; aber die Schwingen und der Nacken und der Hals sind weiß, und zwar rötlich-weiß, so daß es nicht anders aussieht, als hätte der schwarze Vogel einen Hermelin-Mantel umgelegt. Furchtbare Krallen bezeichnen das Handwerk des königlichen Tieres. Dieser Vogel erscheint nie in Städten oder Dörfern und ist überhaupt sehr selten. Er lebt in Wäldern und Savannen, an den Ufern großer Flüsse und erscheint nur da, wo irgend ein bedeutendes Tier gefallen, ein Pferd, ein Stier oder ein ansehnliches Wild. Zu diesen stellen sich natürlich auch die schwarzen Zopilotes ein, denn die riechen alles, was in der weitesten Ferne geschehen. Ist aber ein König in der Nähe, so wagt niemand, das gefallene Tier zu berühren; im Kreise sitzen sie um das Aas, was ihnen lieblich entgegenduftet, und warten, bis der König erscheint. Endlich naht dieser, gewöhnlich mit der Königin, die ihrem Gemahle ähnlich sieht. Majestätisch läßt sich das hohe Paar auf dem Aase nieder, und es ist ein höchst merkwürdiges Faktum, daß der König sich dann damit begnügt, dem gefallenen Tier die Augen auszuhacken. Hat er dies getan und die Augen gespeist, so schwingt er sich empor und verschwindet wieder im Walde. Erst dann fallen die Untertanen, die gemeinen Zopilotes, über das Aas her und vertilgen es bald bis auf die Knochen. Dieses merkwürdige Schauspiel habe ich mit eignen Augen gesehen, als wir den Magdalena-Strom hinauffuhren und eine Schar Zopilotes um einen großen toten Kaiman gelagert fanden. In ehrfurchtsvoller Entfernung saßen die Zopilotes um das Aas, auf dem sich eben der hermelingeschmückte König niedergelassen hatte. Wir feuerten damals unsre Gewehre auf den König ab, aber die Entfernung war zu groß, um zu treffen. Viele der Zopilotes flogen bei dem Knall davon, der König blieb aber ruhig sitzen und sah uns lange Zeit verwundert nach. Wir fuhren auf einem Dampfboot und konnten nicht halten. In San Esteban, unweit Porto Cabello in Venezuela, traf aber einer meiner Begleiter den König und erschoß ihn am Sonntag, 24. September [18]54. Ich legte sogleich Beschlag auf den Kadaver für das Detmolder Museum. Der Vogel ist vorzüglich ausgestopft und liegt bereits zum Versand verpackt bereit."

Das Fürstlich Lippische Regierungs- und Anzeigeblatt vermeldete den Eingang am 30. Dezember 1854.

183
Igelfisch
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums

Diesen Igelfisch sandte Weerth zusammen mit einem weiteren kleineren Exemplar, dem Königsgeier und anderen Naturalien im Oktober 1854 an seinen Bruder Carl: der Fisch wurde „bei Dominica, kleine Antillen, gefangen; hat Augen, Zähne und ist lakirt, wurde aber oben etwas schmutzig und muß gereinigt werden.“

Ein Brief der Firma Steinthal veranlasste Weerth, schon bald nach der Rückkehr aus Mexiko und Kolumbien erneut auf Reisen zu gehen, diesmal nach Ecuador, Peru und Chile. In Ecuador unternahm Weerth eine anstrengende Exkursion zum 6310 Meter hohen Andengipfel Chimborazo. Von Guayaquil an der Küste gelangte er auf dem pazifischen Seeweg nach Lima, der Hauptstadt Perus, wo ein Staatsstreich, den er miterlebte, seine Geschäfte beeinträchtigte. Die nächste Station war Valparaíso an der chilenischen Küste. Dort entschloss er sich zur Heimfahrt nach Europa. Statt auf demselben Weg über Panama nach Westindien zurückzukehren, reiste er auf dem Landweg quer durch Südamerika. Die Andenüberquerung mit Maultieren, die Nachtlager im Freien, der 750 Kilometer lange Ritt durch die argentinischen Pampas in „feindlichem Indianergebiet“ waren nicht ungefährlich. Aber Weerth überstand alle Strapazen unbeschadet. Zuletzt erreichte er Buenos Aires. Mit Zwischenstopps in Montevideo und Rio de Janeiro trat er die Überseereise nach Southampton an und war Mitte Juni 1855 wieder in Europa.Nr. 184 zu Nr. 185 (Foto: ?) Nr. 188

184
Süd-America
Aus: Schul-Atlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande
Nach Stieler’s Hand-Atlas verkleinert
34., verbesserte und vermehrte Auflage. – Gotha: Perthes, 1854
K 2282

185
Jean Baptiste Boussingault:
Viajes cientifícos a los Andes Ecuatoriales, ó Colleccion de memorias sobre física, química é historia natural de la Nueva Granada, Ecuador y Venezuela
Traducidas con Anuencia de los Autores por J. Acosta
Paris: Lasserre, 1849
K 1178

Der Chimborazo galt bis 1856 als der höchste Berg der Erde überhaupt. Der französische Naturforscher Jean Baptiste Boussingault (1802-1887) scheiterte 1831 wie vor ihm bereits Alexander von Humboldt 1802 beim Versuch, ihn zu besteigen. Auch Weerth gelangte 1854 nur bis in die Schneezone: „Die Form, in der ich diesen merkwürdigen Berg zuerst sah, war so steil, daß ich nicht begreifen konnte, wie je ein Mensch da hinaufgestiegen sei. Von der düstern Unterlage der Kordilleren stiegen die Schneewände fast senkrecht empor und wölbten sich erst oben zu einem Dome mit zwei Kuppeln. Es war ein erschreckend schöner Anblick. […] So waren wir denn recht eigentlich auf dem Chimborazo; wie hoch wir waren, kann ich natürlich nicht sagen, und wir würden vielleicht noch weiter gestiegen sein, wenn dem Pferde meines Begleiters nicht plötzlich das Blut aus Mund und Nase gestürzt wäre. Auch zitterte das Tier am ganzen Leibe und war nicht mehr von der Stelle zu bringen.“ Er entschloss sich zum Abstieg. Die Erstbesteigung des Chimborazo gelang erst 1880.

186
Peru. Reiseskizzen aus den Jahren 1838-1842
von Johann Jakob Tschudi
2 Bde. – St. Gallen: Scheitlin und Zollikofer, 1846
K 1174

Der Schweizer Naturforscher Johann Jakob von Tschudi (1818-1889) bereiste von 1838 bis 1842 weite Teile des Hochlandes, der Küstenregion und des Urwaldes von Peru. Seine Reiseskizzen informieren trotz seiner vorrangig naturwissenschaftlichen Interessen ausführlich über Land und Leute.

187
Peru, Bolivia, Chile
Stahlstich von Rosmäsler, 1844
26 x 30 cm
B 29 W (Neuerwerbung 2006)

Der Stahlstich zeigt die Kathedrale in Lima in Peru, umgeben von zehn weiteren Darstellungen: der Kathedrale in Chuquisaca in Bolivien, dem Marktplatz in Santiago de Chile, Trachten aus den Andenländern, einem Kondor, einem Alpaca und einem Lama. Weerth hat außer der Hauptstadt Lima, wo er immerhin ein Erdbeben, einen Regierungsumsturz und einen Brand miterlebte, nichts vom Land gesehen.

188
A Hand Book to Valparaiso, containing the laws and regulations of the port, expenses incurred by ships upon their arrival and general information …
[von James William Duffy]
Valparaiso: Helfmann, 1862
K 1693

Valparaíso war im 19. Jahrhundert der wichtigste Hafen am südlichen Pazifik und neben San Francisco der bedeutendste Hafen an der Westküste Amerikas. Dieses nur in London und Detmold überlieferte, ausgesprochen nützliche Handbuch für Handelsreisende enthält außer einem kurzen Stadtführer jede Menge statistischer Angaben über den Warenumschlag im Hafen, über die Hafenverwaltung, Anlegegebühren, Zollangelegenheiten, auswärtige Konsulate etc. pp. Besonders interessant ist der ausführliche Anzeigenteil: ein Schaufenster der weltweiten Handelsbeziehungen.

189
Narwalzahn
Leihgabe des Lippischen Landesmuseums, Skelettsammlung 83/185/91

Das Fürstlich Lippische Regierungs- und Anzeigeblatt meldet den Eingang dieses Walzahnes
am 24. November 1855.

→ Weiter mit Teil 9
„Die Alte Welt ist mir zuwider geworden“
Enttäuschte Liebe und erfolgreiche Geschäfte 1855-1856