Februar im Jahr der Bibel: Kölner Bibel in niederdeutscher Mundart (Th 75.2°)
Reich mit Holzschnitten ausgestatteter Frühdruck, 1478/79.
Die Lippische Landesbibliothek nimmt das „Jahr der Bibel 2003“ mit seinen vielfältigen Aktivitäten in Lippe und deutschlandweit zum Anlass, allmonatlich ein herausragendes Exemplar des Buches der Bücher aus ihrer reichhaltigen Bibelsammlung zu präsentieren. Im Februar zeigt sie die niederdeutsche „Kölner Bibel“ des Bartholomäus Unckel, einen Wiegendruck von etwa 1478/79.
Von Detlev Hellfaier
Diese zweibändige niederdeutsche Vollbibel mit Glossen (= Erklärungen schwieriger Wörter oder Sätze), für die sich rasch nach ihrem Druckort die Bezeichnung „Kölner Bibel“ eingebürgert hatte, besaß bereits um 1478/79 einen hohen Bekanntheitsgrad. Es ist der erste Druck einer Bibelübersetzung in zwei niederdeutschen Dialekten seit Erfindung der Buchdruckerkunst um die Mitte des 15. Jahrhunderts, also des Hochdruckverfahrens mit Hilfe beweglicher Lettern, die für jedes Druckwerk eigens zusammengesetzt und nach dem Druck wieder auseinandergenommen werden konnten.
Die bis zum Jahre 1500 einschließlich hergestellten Druckwerke werden gemeinhin „Inkunabel“ (incunabula = Windeln, Wiege) oder Wiegendruck genannt, waren sie doch zu einer Zeit entstanden, als der Buchdruck gleichsam noch „in der Wiege“ oder „in den Windeln“ lag“. Die Qualität der Übersetzung, die komplette Fassung in zwei Dialekten, die reichhaltige Ausstattung mit hervorragenden Holzschnitten und die verschiedenen Drucktypenformen dieser Ausgabe haben die „Kölner Bibeln“ zu berühmten Inkunabeln werden lassen.
Gedacht waren sie für gheleert unde ungelert, geystlyck unde wertlyck … mynschen im westfälisch-niederdeutsch-niederländischen Raum. Das so umschriebene große Absatzgebiet der „Kölner Bibeln“ spiegelt sich auch sprachgeographisch in den beiden enthaltenen Dialekten: der Mundart des niedersächsisch-ostwestfälischen Raumes bis nach Münster im Westen und der Mundart des westlichen Westfalen, dem Niederrhein-Gebiet und der Region östlich der Ijssel. Leicht lassen sich die beiden Druckausgaben an der Schreibweise der Konjunktion „und“ auseinanderhalten: unde verweist auf die niedersächsisch-ostwestfälische Mundart, während ende dem in den westlich gelegenen Landstrichen gesprochenen Dialekt entspricht. Das Exemplar in der Lippischen Landesbibliothek weist die hiesige Mundart auf und befindet sich somit im von den Urhebern vorgesehenen Absatzgebiet.
Ihre Berühmtheit erlangten die „Kölner Bibeln“ vor allem wegen ihres bis dahin unvergleichlichen Bilderschmucks. Allein die niedersächsisch-ostwestfälische Ausgabe enthält neben vier Zierleisten 113 Holzschnitte, die etwas jüngere westniederdeutsche Ausgabe ist mit 123 Holzschnitten sogar noch reichhaltiger ausgestattet. Die Holzschnitte des „Kölner Formschneiders“ wurden in der Folgezeit für beinahe ein halbes Jahrhundert zu ikonographischen Vorbildern der Bibelillustration in Deutschland. Verwendung fanden diese Druckstöcke in der „Nürnberger Bibel“ des Anton Koberger von 1483, in der „Lübecker Bibel“ von 1494 und zuletzt noch in der „Halberstädter Bibel“ aus dem Jahre 1522.
Entgegen der uns längst vertrauten Praxis wollten die Urheber des Druckunternehmens gegenüber den Lesern anonym bleiben. Es finden sich weder Angaben zu Herausgeber, Verleger oder Drucker noch wird der Erscheinungsort und das Erscheinungsjahr im Kolophon oder Explicit am Ende des Buches, dem heutigen Impressum vergleichbar, mitgeteilt. Allerdings ist es der buchkundlichen Forschung zwischenzeitlich gelungen, das vermeintliche Rätsel der „Kölner Bibel“ zu lösen. Als Drucker konnte der Kölner Bartholomäus Unckel namhaft gemacht werden, er druckte im Lohnauftrag für ein verlegerisches Unternehmerkonsortium, das aus Johann Helman, kaiserlichem Münzmeister und Notar in Köln, Arnold Salmonster, Gastwirt (!) und Papierhändler aus derselben Stadt, und dem besagten Anton Koberger, einem Drucker und Verleger aus Nürnberg bestand; auch das Druckdatum konnte mit dem Jahr 1478/79 ermittelt werden.
Im Detmolder Exemplar (Signatur Th 75.2°) wurde auf Bl. 1r in der unteren Zierleiste links in roter Tinte von der zeitgenössischen Hand des Rubrikators diskret das Jahr des Druckes 1479 vermerkt. Der oder die Vorbesitzer der in der Lippischen Landesbibliothek vorhandenen Ausgabe sind nicht bekannt, auch der solide spätgotische Einband beider Bände gibt bisher keinen Hinweis auf mögliche Provenienz.